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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Etwas Metaphysik. Die Weltseele spricht: "Ich und Nothwendigkeit, ob¬
gleich im Leben zweierlei, sind im Wesen Eins. Zeit und Leben, ist Eins.


Lud insomuob gs nlüurk is ässtro^vel
In einel's nssnmvlion to Oivino estslk;
ok ein osveoisl sont, nsoossit^
I^reif in oxll'vino original nolliingness.'"

Eine vortreffliche Weisheit, nur etwas unverständlich! -- "Ideal und Wirk¬
lichkeit begegnen sich uur einmal, da wo reine Unmöglichkeiten Thatsachen sind."
(Das Unzulängliche, hier wird's Ereigniß.) -- "Wie der Mensch sich zu sich
selbst verhält, so ist seine göttliche Idee; aber der Gott, welcher ist, ist nicht
der Gott, den die Menschen anbeten; er ist nicht nur unaussprechlich, sondern
auch unbegreiflich. Wie soll das Atom den Himmel begreifen? Zwei Punkte
nehmen die Menschen ein im Raume und in der Zeit: halb sind sie Materie, halb
Form. So ist seine Existenz ihr Gegensatz, nud Alles ist entweder Gott oder
Nichts, da Sein und Nichtsein identisch ist. (Poin^ >vMi ixinbvi"^ iclvnUc:"!.)"
Durch solche Stichwörter sind englische Kritiker verführt worden, diese Hnndstags-
raserei für Hegelsche Philosophie zu halten, und sich daran sehr zu erbauen. --
Von metaphysischen Proben wäre das wohl genng; uur uoch eine theologische.
"Für Menschen, sagt der Sohn Gottes, trug ich den Tod; für Teufel trage ich
die Sünde; und Tod und Sünde siud die Pein, welche ich für die Liebe bezahle,
die mich vom Himmel hinunterführte, um Menschen und Teufel zu erlösen."--

Die lyrischen Stellen, meist Liebesgeschichten, sind schwülstig genug, um auf
dem daran noch nicht recht gewöhnten Engländer den Eindruck einer hohen Poesie
zu machen, mitunter aber auch einfache Gassenhauer, z. B.:


I,iKo "n islmul in n rivov
.^it lllvu, lovo, lo no;
^n"1 I j"urne^ tboo evor
Willi " goutte "etitsiv.
I N'i8ö to kalt desoro tbvo,
I vous to Ki88 l>>^ food;
l'o anium klipp unä uckoro elwe,
Milo onlz^ vno! in^f s>vvot!

Wo es bloß einen Sprung erfordert, sich die Geliebte, die zuerst eine Insel
ist, schnell wieder als Weib vorzustellen, vor der man niederfallen und der man
die Füße küssen könne. -- Artig ist Folgendes: "Wie seltsam schön ist jener runde
stille Stern, der so aussieht, als litte er vou seinein eigenen Feuer, aber steile sich
auch daran, indem er sich' eine Einsamkeit aus Licht bildet." -- "Es war im
Sonnenschein. Der.Engel gebot, ehe sie begann, mit einer Handbewegung der
Erde Stille. Die Vögel hörten ans zu singen, die Bänme zu athmen, der See
zog seine schäumenden Furchen ein, die Zeit lehnte sich ans ihre Sichel und
weinte, indem sie lauschte." -- "O über die jungen Herzen, die gleich der Quelle


Etwas Metaphysik. Die Weltseele spricht: „Ich und Nothwendigkeit, ob¬
gleich im Leben zweierlei, sind im Wesen Eins. Zeit und Leben, ist Eins.


Lud insomuob gs nlüurk is ässtro^vel
In einel's nssnmvlion to Oivino estslk;
ok ein osveoisl sont, nsoossit^
I^reif in oxll'vino original nolliingness.'"

Eine vortreffliche Weisheit, nur etwas unverständlich! — „Ideal und Wirk¬
lichkeit begegnen sich uur einmal, da wo reine Unmöglichkeiten Thatsachen sind."
(Das Unzulängliche, hier wird's Ereigniß.) — „Wie der Mensch sich zu sich
selbst verhält, so ist seine göttliche Idee; aber der Gott, welcher ist, ist nicht
der Gott, den die Menschen anbeten; er ist nicht nur unaussprechlich, sondern
auch unbegreiflich. Wie soll das Atom den Himmel begreifen? Zwei Punkte
nehmen die Menschen ein im Raume und in der Zeit: halb sind sie Materie, halb
Form. So ist seine Existenz ihr Gegensatz, nud Alles ist entweder Gott oder
Nichts, da Sein und Nichtsein identisch ist. (Poin^ >vMi ixinbvi»^ iclvnUc:»!.)"
Durch solche Stichwörter sind englische Kritiker verführt worden, diese Hnndstags-
raserei für Hegelsche Philosophie zu halten, und sich daran sehr zu erbauen. —
Von metaphysischen Proben wäre das wohl genng; uur uoch eine theologische.
„Für Menschen, sagt der Sohn Gottes, trug ich den Tod; für Teufel trage ich
die Sünde; und Tod und Sünde siud die Pein, welche ich für die Liebe bezahle,
die mich vom Himmel hinunterführte, um Menschen und Teufel zu erlösen."--

Die lyrischen Stellen, meist Liebesgeschichten, sind schwülstig genug, um auf
dem daran noch nicht recht gewöhnten Engländer den Eindruck einer hohen Poesie
zu machen, mitunter aber auch einfache Gassenhauer, z. B.:


I,iKo »n islmul in n rivov
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Milo onlz^ vno! in^f s>vvot!

Wo es bloß einen Sprung erfordert, sich die Geliebte, die zuerst eine Insel
ist, schnell wieder als Weib vorzustellen, vor der man niederfallen und der man
die Füße küssen könne. — Artig ist Folgendes: „Wie seltsam schön ist jener runde
stille Stern, der so aussieht, als litte er vou seinein eigenen Feuer, aber steile sich
auch daran, indem er sich' eine Einsamkeit aus Licht bildet." — „Es war im
Sonnenschein. Der.Engel gebot, ehe sie begann, mit einer Handbewegung der
Erde Stille. Die Vögel hörten ans zu singen, die Bänme zu athmen, der See
zog seine schäumenden Furchen ein, die Zeit lehnte sich ans ihre Sichel und
weinte, indem sie lauschte." — „O über die jungen Herzen, die gleich der Quelle


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[0293] Etwas Metaphysik. Die Weltseele spricht: „Ich und Nothwendigkeit, ob¬ gleich im Leben zweierlei, sind im Wesen Eins. Zeit und Leben, ist Eins. Lud insomuob gs nlüurk is ässtro^vel In einel's nssnmvlion to Oivino estslk; ok ein osveoisl sont, nsoossit^ I^reif in oxll'vino original nolliingness.'" Eine vortreffliche Weisheit, nur etwas unverständlich! — „Ideal und Wirk¬ lichkeit begegnen sich uur einmal, da wo reine Unmöglichkeiten Thatsachen sind." (Das Unzulängliche, hier wird's Ereigniß.) — „Wie der Mensch sich zu sich selbst verhält, so ist seine göttliche Idee; aber der Gott, welcher ist, ist nicht der Gott, den die Menschen anbeten; er ist nicht nur unaussprechlich, sondern auch unbegreiflich. Wie soll das Atom den Himmel begreifen? Zwei Punkte nehmen die Menschen ein im Raume und in der Zeit: halb sind sie Materie, halb Form. So ist seine Existenz ihr Gegensatz, nud Alles ist entweder Gott oder Nichts, da Sein und Nichtsein identisch ist. (Poin^ >vMi ixinbvi»^ iclvnUc:»!.)" Durch solche Stichwörter sind englische Kritiker verführt worden, diese Hnndstags- raserei für Hegelsche Philosophie zu halten, und sich daran sehr zu erbauen. — Von metaphysischen Proben wäre das wohl genng; uur uoch eine theologische. „Für Menschen, sagt der Sohn Gottes, trug ich den Tod; für Teufel trage ich die Sünde; und Tod und Sünde siud die Pein, welche ich für die Liebe bezahle, die mich vom Himmel hinunterführte, um Menschen und Teufel zu erlösen."-- Die lyrischen Stellen, meist Liebesgeschichten, sind schwülstig genug, um auf dem daran noch nicht recht gewöhnten Engländer den Eindruck einer hohen Poesie zu machen, mitunter aber auch einfache Gassenhauer, z. B.: I,iKo »n islmul in n rivov .^it lllvu, lovo, lo no; ^n«1 I j»urne^ tboo evor Willi » goutte «etitsiv. I N'i8ö to kalt desoro tbvo, I vous to Ki88 l>>^ food; l'o anium klipp unä uckoro elwe, Milo onlz^ vno! in^f s>vvot! Wo es bloß einen Sprung erfordert, sich die Geliebte, die zuerst eine Insel ist, schnell wieder als Weib vorzustellen, vor der man niederfallen und der man die Füße küssen könne. — Artig ist Folgendes: „Wie seltsam schön ist jener runde stille Stern, der so aussieht, als litte er vou seinein eigenen Feuer, aber steile sich auch daran, indem er sich' eine Einsamkeit aus Licht bildet." — „Es war im Sonnenschein. Der.Engel gebot, ehe sie begann, mit einer Handbewegung der Erde Stille. Die Vögel hörten ans zu singen, die Bänme zu athmen, der See zog seine schäumenden Furchen ein, die Zeit lehnte sich ans ihre Sichel und weinte, indem sie lauschte." — „O über die jungen Herzen, die gleich der Quelle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/293>, abgerufen am 22.07.2024.