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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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spiele", ihre strahlenden, frischen Gefühle zu" Himmel sende", lieben und streben;
lieben und streben umsonst. Sie gehören der (5rde an, der Himmel ist nicht für
sie. Laßt uns lieben und sterben." "Wenn wir genossen haben und gelitten,
alles was wir wünschten und fürchteten; Ruhm und Fall, Liebe und (5kek - ^ es
bleibt uns ja dann kein anderer Wechsel." "Wie die Feuerfliege im tropischen
Klima, so leuchtet unser Keift uur i" der Vewegnng. Die Ruhe macht ihn dunkel.
Laßt uns sterben, locum wir nicht mehr lieben."

Zum Schlich noch eine Traningeschichte, die (5iissa erzählt, die (beliebte Sa¬
tan's. "Mir tauchte, ich wäre glücklich, denn ich war todt. Alles eilte durch
einander. Kann ich dir helfen? schrie der eine dem andern zu. Aber keiner
achtete darauf. Die Welt war ein großes Grab. Ich erhob meine Angen und
sah, wie die Zeit mit ihren beiden Schwingen, Tag und Stande, der Motte gleich,
dem schimmernden Licht entgegenflog; die Sonne verlosch, und beide starben.
Und (5mer erhob sich und sprach heilige Worte, aber Alles rief: (5s fruchtet
nichts, wir sind todt. (5s erscholl eine Stimme, wir wnsjten nicht woher: Gebt
mir eure Herzen! (5nre Leiber mögt ihr denen geben, die ihr liebt; die Verwe¬
sung wird sie schon empfangen. Aber eure Herzen null ich zu Gott tragen. --
Da erhob sich aus deu Tiefen der (5rde ein riesiges Wesen; sein Ange war von
(5rde, sein Arm von (5rde; es halte kein Herz. (5s sagte: ich bin die Verwe¬
sung! und als es sprach, fiel es zusammen und war Nichts. Wir aber Alle erhoben
unser Antlitz nach Gott hin und rissen unsere Herzen ans, und hielten sie in der
rechten Hand. Jenes etwas aber Alles oder Nichts welches vorher ge¬
sprochen (es war der Tod!), rief wieder: Laßt uns zu Gott! Und aufwärts
strebten nur, die Würmer und todten Götter blieben hinter uns, immer auswärts,
einem dunkeln Sterne zu, der in der Mitte aller übrigen strahlte, bis dieser
Stern aussah wie der Mond, dann wie die Sonne, -- da kam eine Hand zwischen
die Sonne und u"S; und ihre fünf Finger machten fünf Nächte. Gott riß die Glorie
von der breiten Stirn der Sonne und warf den flammenden Skalp zur Hölle."

Nancy steht nicht allein in seiner jungdeutschen Romantik. In der Prosa
hat Carlyle seit Jahren mit entschiedenem Talent und unverdrossenem (5ifer
darauf hingewirkt, das gesunde Fleisch der englischen Sprache durch spiritualisti-
sches Gewürz zu verderben. Beide haben ein großes Publikum, und selbst die
uns bekannte" Schriftsteller, z. B. Vulwer, geben sich von Zeit zu Zeit dazu
her, in einen mystisch-phantastischen Anfall zu gerathen. Als großes Muster wird
"och immer Shelley verehrt, der träumerische Dichter mit dem zärtlichen Weiber¬
gesicht. -- Diesem (flfenwesen gegenüber verhärten sich die conventionelle" Be¬
griffe von Sitte, Anstand und C"imnnrl-8<;r>.8 immer mehr, und eine Vermittelung
wird tun so schwieriger, da die la.re Form des Romans diejenige poetische Kraft
immer tiefer untergräbt, ans welcher allein dauerhafte Schöpfungen hervorgehen
können: das künstlerische Maaß.




spiele», ihre strahlenden, frischen Gefühle zu» Himmel sende», lieben und streben;
lieben und streben umsonst. Sie gehören der (5rde an, der Himmel ist nicht für
sie. Laßt uns lieben und sterben." „Wenn wir genossen haben und gelitten,
alles was wir wünschten und fürchteten; Ruhm und Fall, Liebe und (5kek - ^ es
bleibt uns ja dann kein anderer Wechsel." „Wie die Feuerfliege im tropischen
Klima, so leuchtet unser Keift uur i» der Vewegnng. Die Ruhe macht ihn dunkel.
Laßt uns sterben, locum wir nicht mehr lieben."

Zum Schlich noch eine Traningeschichte, die (5iissa erzählt, die (beliebte Sa¬
tan's. „Mir tauchte, ich wäre glücklich, denn ich war todt. Alles eilte durch
einander. Kann ich dir helfen? schrie der eine dem andern zu. Aber keiner
achtete darauf. Die Welt war ein großes Grab. Ich erhob meine Angen und
sah, wie die Zeit mit ihren beiden Schwingen, Tag und Stande, der Motte gleich,
dem schimmernden Licht entgegenflog; die Sonne verlosch, und beide starben.
Und (5mer erhob sich und sprach heilige Worte, aber Alles rief: (5s fruchtet
nichts, wir sind todt. (5s erscholl eine Stimme, wir wnsjten nicht woher: Gebt
mir eure Herzen! (5nre Leiber mögt ihr denen geben, die ihr liebt; die Verwe¬
sung wird sie schon empfangen. Aber eure Herzen null ich zu Gott tragen. —
Da erhob sich aus deu Tiefen der (5rde ein riesiges Wesen; sein Ange war von
(5rde, sein Arm von (5rde; es halte kein Herz. (5s sagte: ich bin die Verwe¬
sung! und als es sprach, fiel es zusammen und war Nichts. Wir aber Alle erhoben
unser Antlitz nach Gott hin und rissen unsere Herzen ans, und hielten sie in der
rechten Hand. Jenes etwas aber Alles oder Nichts welches vorher ge¬
sprochen (es war der Tod!), rief wieder: Laßt uns zu Gott! Und aufwärts
strebten nur, die Würmer und todten Götter blieben hinter uns, immer auswärts,
einem dunkeln Sterne zu, der in der Mitte aller übrigen strahlte, bis dieser
Stern aussah wie der Mond, dann wie die Sonne, — da kam eine Hand zwischen
die Sonne und u»S; und ihre fünf Finger machten fünf Nächte. Gott riß die Glorie
von der breiten Stirn der Sonne und warf den flammenden Skalp zur Hölle."

Nancy steht nicht allein in seiner jungdeutschen Romantik. In der Prosa
hat Carlyle seit Jahren mit entschiedenem Talent und unverdrossenem (5ifer
darauf hingewirkt, das gesunde Fleisch der englischen Sprache durch spiritualisti-
sches Gewürz zu verderben. Beide haben ein großes Publikum, und selbst die
uns bekannte» Schriftsteller, z. B. Vulwer, geben sich von Zeit zu Zeit dazu
her, in einen mystisch-phantastischen Anfall zu gerathen. Als großes Muster wird
»och immer Shelley verehrt, der träumerische Dichter mit dem zärtlichen Weiber¬
gesicht. — Diesem (flfenwesen gegenüber verhärten sich die conventionelle» Be¬
griffe von Sitte, Anstand und C»imnnrl-8<;r>.8 immer mehr, und eine Vermittelung
wird tun so schwieriger, da die la.re Form des Romans diejenige poetische Kraft
immer tiefer untergräbt, ans welcher allein dauerhafte Schöpfungen hervorgehen
können: das künstlerische Maaß.




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[0294] spiele», ihre strahlenden, frischen Gefühle zu» Himmel sende», lieben und streben; lieben und streben umsonst. Sie gehören der (5rde an, der Himmel ist nicht für sie. Laßt uns lieben und sterben." „Wenn wir genossen haben und gelitten, alles was wir wünschten und fürchteten; Ruhm und Fall, Liebe und (5kek - ^ es bleibt uns ja dann kein anderer Wechsel." „Wie die Feuerfliege im tropischen Klima, so leuchtet unser Keift uur i» der Vewegnng. Die Ruhe macht ihn dunkel. Laßt uns sterben, locum wir nicht mehr lieben." Zum Schlich noch eine Traningeschichte, die (5iissa erzählt, die (beliebte Sa¬ tan's. „Mir tauchte, ich wäre glücklich, denn ich war todt. Alles eilte durch einander. Kann ich dir helfen? schrie der eine dem andern zu. Aber keiner achtete darauf. Die Welt war ein großes Grab. Ich erhob meine Angen und sah, wie die Zeit mit ihren beiden Schwingen, Tag und Stande, der Motte gleich, dem schimmernden Licht entgegenflog; die Sonne verlosch, und beide starben. Und (5mer erhob sich und sprach heilige Worte, aber Alles rief: (5s fruchtet nichts, wir sind todt. (5s erscholl eine Stimme, wir wnsjten nicht woher: Gebt mir eure Herzen! (5nre Leiber mögt ihr denen geben, die ihr liebt; die Verwe¬ sung wird sie schon empfangen. Aber eure Herzen null ich zu Gott tragen. — Da erhob sich aus deu Tiefen der (5rde ein riesiges Wesen; sein Ange war von (5rde, sein Arm von (5rde; es halte kein Herz. (5s sagte: ich bin die Verwe¬ sung! und als es sprach, fiel es zusammen und war Nichts. Wir aber Alle erhoben unser Antlitz nach Gott hin und rissen unsere Herzen ans, und hielten sie in der rechten Hand. Jenes etwas aber Alles oder Nichts welches vorher ge¬ sprochen (es war der Tod!), rief wieder: Laßt uns zu Gott! Und aufwärts strebten nur, die Würmer und todten Götter blieben hinter uns, immer auswärts, einem dunkeln Sterne zu, der in der Mitte aller übrigen strahlte, bis dieser Stern aussah wie der Mond, dann wie die Sonne, — da kam eine Hand zwischen die Sonne und u»S; und ihre fünf Finger machten fünf Nächte. Gott riß die Glorie von der breiten Stirn der Sonne und warf den flammenden Skalp zur Hölle." Nancy steht nicht allein in seiner jungdeutschen Romantik. In der Prosa hat Carlyle seit Jahren mit entschiedenem Talent und unverdrossenem (5ifer darauf hingewirkt, das gesunde Fleisch der englischen Sprache durch spiritualisti- sches Gewürz zu verderben. Beide haben ein großes Publikum, und selbst die uns bekannte» Schriftsteller, z. B. Vulwer, geben sich von Zeit zu Zeit dazu her, in einen mystisch-phantastischen Anfall zu gerathen. Als großes Muster wird »och immer Shelley verehrt, der träumerische Dichter mit dem zärtlichen Weiber¬ gesicht. — Diesem (flfenwesen gegenüber verhärten sich die conventionelle» Be¬ griffe von Sitte, Anstand und C»imnnrl-8<;r>.8 immer mehr, und eine Vermittelung wird tun so schwieriger, da die la.re Form des Romans diejenige poetische Kraft immer tiefer untergräbt, ans welcher allein dauerhafte Schöpfungen hervorgehen können: das künstlerische Maaß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/294>, abgerufen am 22.07.2024.