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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Mindeste davon gemerkt wurde; sie hatte eine Leichtigkeit und Schnellkraft des
Körpers, die in der That wunderbar war. Ueber ein vvllbepacktes Cavalleriepferd
mit graziösen Schwung zu scheu, war ihr ein Spiel, und bei einiger Ausbildung
wäre sie gewiß die vollendetste Kunstreiterin geworden. -- Ihr Verschwinden war
ebenso romantisch wie ihre ganze Erscheinung.

Das Detaschement, bei dem ihr Unteroffizier stand, befand sich auf weit vor¬
geschobenem Vorposten , so daß es leicht einer Aufhebung von dänischen streift
corps ausgesetzt war. Diese waren durch ihre zahlreichen Spione trefflich unter¬
richtet, denn jeder jütländische Bauer, ja jede Frau, jedes Kind diente den Dänen
so gut sie nur konnten. Die Dänen hatten in letzter Zeit schon mehrere derartige
Ueberfälle versucht und erst wenige Tage vorher an 60 kurhessische Husaren ge¬
fangen genommen. Es war eine dunkle, stürmende Nacht, und der Regen goß in
Strömen vom Himmel herab, so daß man mit Mühe das Wachtfeuer in Brand
erhalten konnte. So recht zum Ueberfall war das Wetter gemacht, denn der
Wind brauste so stark, dasj man nicht auf 20 Schritte weit die Annäherung einer
Truppenabtheilung gehört halte und das Wasser machte die Luft so dick, daß die
Augen nur geringe Dienste leistete". Mißmuthig lagen die Reiter um das qual¬
mende Feuer, denn ihre Kleidung war durchnäßt, die Branntweinflaschen hatten
ihren wärmenden Inhalt schon längst hergeben müssen, und lauge unbehagliche
24 Stunden standen noch bevor, bis die neue Ablösung erschien. Mit den Köpfen
gegen das Feuer gekehrt, eng zusammengedrängt, als wollten sie dadurch Schutz
gegen Wind und Regen finden, standen die Neiterpserde dicht hinter den Lagern¬
den.- Oft streckte ein oder das Andere der Thiere seinen Hals über den Reiter,
der dicht vor seinen Füßen lag, blickte mit den dunkeln Augen neugierig .in
die Ginas des Feuers oder schnoberte mit dem Maule an seinen Haaren umher,
um ihn seiner Anhänglichkeit zu versichern.

Die eine Hälfte der Pferde war abgezäumt und kaute deu schlechten Hafer
ans den um den Hals gehängten Futterbeutelu, während die andere völlig auf¬
gezäumt und gesattelt bereit stand. Vor- und seitwärts vom Feuer hielten in
genügender Entfernung die einzelnen Vedetten, den Karabiner im Arm, eifrig be¬
sorgt, soweit Wind und Regen gestatteten, eine etwaige Annäherung deö Feindes
zu erspähen. "Das braune Zigcuncrmägdlein " oder die "Preciosa," wie die
Soldaten sie auch nannten, war, ihrer Gewohnheit gemäß, bald nach Eintritt der
Dunkelheit aufgebrochen, die Gegend aus mehrere Sinnden vorwärts nach dem
Feinde zu durchspähen. Das Ungestüm des Wetters hinderte sie nicht im Min¬
desten an diesem beschwerlichen Dienst, den allein der Drang des Herzens ihr
gebot. Was konnte ihr, der Tochter der Haide, geboren im kunstlosen Erdloch,
aufgewachsen im wilden Spiel der Elemente, anch Regen und Wind thun? Wie
ein Reh, dem sie in ihrer ganzen Erscheinung glich, achtete auch sie des Wolten-
brnchs nichtsehr, und verschmähte es sogar, einen Hut auf das lange, bläulich-schwarze


GrcnM-n II. 1850. 33

Mindeste davon gemerkt wurde; sie hatte eine Leichtigkeit und Schnellkraft des
Körpers, die in der That wunderbar war. Ueber ein vvllbepacktes Cavalleriepferd
mit graziösen Schwung zu scheu, war ihr ein Spiel, und bei einiger Ausbildung
wäre sie gewiß die vollendetste Kunstreiterin geworden. — Ihr Verschwinden war
ebenso romantisch wie ihre ganze Erscheinung.

Das Detaschement, bei dem ihr Unteroffizier stand, befand sich auf weit vor¬
geschobenem Vorposten , so daß es leicht einer Aufhebung von dänischen streift
corps ausgesetzt war. Diese waren durch ihre zahlreichen Spione trefflich unter¬
richtet, denn jeder jütländische Bauer, ja jede Frau, jedes Kind diente den Dänen
so gut sie nur konnten. Die Dänen hatten in letzter Zeit schon mehrere derartige
Ueberfälle versucht und erst wenige Tage vorher an 60 kurhessische Husaren ge¬
fangen genommen. Es war eine dunkle, stürmende Nacht, und der Regen goß in
Strömen vom Himmel herab, so daß man mit Mühe das Wachtfeuer in Brand
erhalten konnte. So recht zum Ueberfall war das Wetter gemacht, denn der
Wind brauste so stark, dasj man nicht auf 20 Schritte weit die Annäherung einer
Truppenabtheilung gehört halte und das Wasser machte die Luft so dick, daß die
Augen nur geringe Dienste leistete». Mißmuthig lagen die Reiter um das qual¬
mende Feuer, denn ihre Kleidung war durchnäßt, die Branntweinflaschen hatten
ihren wärmenden Inhalt schon längst hergeben müssen, und lauge unbehagliche
24 Stunden standen noch bevor, bis die neue Ablösung erschien. Mit den Köpfen
gegen das Feuer gekehrt, eng zusammengedrängt, als wollten sie dadurch Schutz
gegen Wind und Regen finden, standen die Neiterpserde dicht hinter den Lagern¬
den.- Oft streckte ein oder das Andere der Thiere seinen Hals über den Reiter,
der dicht vor seinen Füßen lag, blickte mit den dunkeln Augen neugierig .in
die Ginas des Feuers oder schnoberte mit dem Maule an seinen Haaren umher,
um ihn seiner Anhänglichkeit zu versichern.

Die eine Hälfte der Pferde war abgezäumt und kaute deu schlechten Hafer
ans den um den Hals gehängten Futterbeutelu, während die andere völlig auf¬
gezäumt und gesattelt bereit stand. Vor- und seitwärts vom Feuer hielten in
genügender Entfernung die einzelnen Vedetten, den Karabiner im Arm, eifrig be¬
sorgt, soweit Wind und Regen gestatteten, eine etwaige Annäherung deö Feindes
zu erspähen. „Das braune Zigcuncrmägdlein " oder die „Preciosa," wie die
Soldaten sie auch nannten, war, ihrer Gewohnheit gemäß, bald nach Eintritt der
Dunkelheit aufgebrochen, die Gegend aus mehrere Sinnden vorwärts nach dem
Feinde zu durchspähen. Das Ungestüm des Wetters hinderte sie nicht im Min¬
desten an diesem beschwerlichen Dienst, den allein der Drang des Herzens ihr
gebot. Was konnte ihr, der Tochter der Haide, geboren im kunstlosen Erdloch,
aufgewachsen im wilden Spiel der Elemente, anch Regen und Wind thun? Wie
ein Reh, dem sie in ihrer ganzen Erscheinung glich, achtete auch sie des Wolten-
brnchs nichtsehr, und verschmähte es sogar, einen Hut auf das lange, bläulich-schwarze


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[0265] Mindeste davon gemerkt wurde; sie hatte eine Leichtigkeit und Schnellkraft des Körpers, die in der That wunderbar war. Ueber ein vvllbepacktes Cavalleriepferd mit graziösen Schwung zu scheu, war ihr ein Spiel, und bei einiger Ausbildung wäre sie gewiß die vollendetste Kunstreiterin geworden. — Ihr Verschwinden war ebenso romantisch wie ihre ganze Erscheinung. Das Detaschement, bei dem ihr Unteroffizier stand, befand sich auf weit vor¬ geschobenem Vorposten , so daß es leicht einer Aufhebung von dänischen streift corps ausgesetzt war. Diese waren durch ihre zahlreichen Spione trefflich unter¬ richtet, denn jeder jütländische Bauer, ja jede Frau, jedes Kind diente den Dänen so gut sie nur konnten. Die Dänen hatten in letzter Zeit schon mehrere derartige Ueberfälle versucht und erst wenige Tage vorher an 60 kurhessische Husaren ge¬ fangen genommen. Es war eine dunkle, stürmende Nacht, und der Regen goß in Strömen vom Himmel herab, so daß man mit Mühe das Wachtfeuer in Brand erhalten konnte. So recht zum Ueberfall war das Wetter gemacht, denn der Wind brauste so stark, dasj man nicht auf 20 Schritte weit die Annäherung einer Truppenabtheilung gehört halte und das Wasser machte die Luft so dick, daß die Augen nur geringe Dienste leistete». Mißmuthig lagen die Reiter um das qual¬ mende Feuer, denn ihre Kleidung war durchnäßt, die Branntweinflaschen hatten ihren wärmenden Inhalt schon längst hergeben müssen, und lauge unbehagliche 24 Stunden standen noch bevor, bis die neue Ablösung erschien. Mit den Köpfen gegen das Feuer gekehrt, eng zusammengedrängt, als wollten sie dadurch Schutz gegen Wind und Regen finden, standen die Neiterpserde dicht hinter den Lagern¬ den.- Oft streckte ein oder das Andere der Thiere seinen Hals über den Reiter, der dicht vor seinen Füßen lag, blickte mit den dunkeln Augen neugierig .in die Ginas des Feuers oder schnoberte mit dem Maule an seinen Haaren umher, um ihn seiner Anhänglichkeit zu versichern. Die eine Hälfte der Pferde war abgezäumt und kaute deu schlechten Hafer ans den um den Hals gehängten Futterbeutelu, während die andere völlig auf¬ gezäumt und gesattelt bereit stand. Vor- und seitwärts vom Feuer hielten in genügender Entfernung die einzelnen Vedetten, den Karabiner im Arm, eifrig be¬ sorgt, soweit Wind und Regen gestatteten, eine etwaige Annäherung deö Feindes zu erspähen. „Das braune Zigcuncrmägdlein " oder die „Preciosa," wie die Soldaten sie auch nannten, war, ihrer Gewohnheit gemäß, bald nach Eintritt der Dunkelheit aufgebrochen, die Gegend aus mehrere Sinnden vorwärts nach dem Feinde zu durchspähen. Das Ungestüm des Wetters hinderte sie nicht im Min¬ desten an diesem beschwerlichen Dienst, den allein der Drang des Herzens ihr gebot. Was konnte ihr, der Tochter der Haide, geboren im kunstlosen Erdloch, aufgewachsen im wilden Spiel der Elemente, anch Regen und Wind thun? Wie ein Reh, dem sie in ihrer ganzen Erscheinung glich, achtete auch sie des Wolten- brnchs nichtsehr, und verschmähte es sogar, einen Hut auf das lange, bläulich-schwarze GrcnM-n II. 1850. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/265>, abgerufen am 01.07.2024.