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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Mi Christenthum bekennen, ist sehr groß, und doch ist ihre Zahl im Abnehmen
begriffen, da viele Kinder jung sterben sollen. Man hat auch hier in Jütland
versucht, sie an eine regelmäßige Lebensweise zu gewöhnen, mit der Zeit dürfte
dies gelingen, vorläufig hat's wenig Erfolg gehabt.

Im vorigen Sommer, wo Kriegerschaaren ans allen deutschen Gauen die
düsteren Haiden durchzogen, hatte eine der schwarzäugigen Tochter dieses unbe¬
kannten Stammes eine wirklich rührende Liebe zu einem hübschen Neiternnterof-
fizier der deutschen Reichstruppen gefaßt. Cs war eine schlauke, junge Dirne,
kaum 18 Jahre alt, von seltener Schönheit. Ihrem Geliebten, oder vielmehr
Gebieter, denn dies war er im unumschränktesten Sinne, zugefallen, hatte die wilde
Schöne der Haide sieh auch einer größeren Reinlichkeit, wie sie sonst wohl
gewohnt war, beflissen, er halte ihr auch eine bessere Kleidung, eine Art von
Negimentstochter-Uniform, die wahrscheinlich schon oft ans Hamburger oder
Kopenhagener Maskenbällen gedient hatte, geschenkt, welche ihre Reize in ein
ziemlich vortheilhaftes Licht stellte. Die Liebe, die dies Mädchen zu dem Unter¬
offizier hegte, war unerhört, der treueste Hund kaun seinem Herrn nicht mit
größerer Anhänglichkeit folgen. Mochte der kalte Nordwind noch so brausend
über die öde Haide stürmen, oder starke Regengüsse Tage lang vom Himmel
gießen, sie wich auf dem Marsche nicht von ihm; im Bivouak kauerte sie sich
wie eine Schlange zusammengewickelt an ihn, im seltenen Quartier des Bauern-
Hauses schlief sie auf der Diele, oder im Stall bei seinen Pferden, wenn in der
Stube kein Platz für sie war. Auf allen Märschen und Patrouillcnritteu, gleich¬
viel ob im schlechtesten Wetter oder der brennenden Sonnenhitze, lief sie unermü-
det mit der Schnelligkeit und Behendigkeit eines Windspieles neben den Pferden
her. War ihr Geliebter auf Borposten, so fehlte sie gewiß uicht bei seinem
Pferde, schweifte aber oft Stunden laug in größeren und kleineren Kreisen umher,
um die Gegend abzuspähen und zu erkunden, ob die dänischen Streifschaareu einen
heimlichen Ueberfall beabsichtigten. Dadurch war sie dem kleinen Neiterdetaschcment
von vielem Nutze", weßhalb auch zuletzt die Soldaten anfingen, große Stücke ans ihr
" schwarzbraunes Zigcuucrmägdeleiu", wie sie dieselbe nannten, zu halten. Im
Anfang freilich hatte sie oft als Zielscheibe für rohen Spott aller Art dienen
müssen, sie war bisweilen mit Mühe zudringlicher Liebkosungen entgangen. Hatte
sie doch einem Reiter, der ihr mit ungestümer Bewerbung zugesetzt, gleich einer
wilden Katze so das Gesicht zerhackt und zerbissen, daß er aus Wochen in das
Lazareth zurückgeschickt werdeu mußte. Unermüdlich sorgte sie für die mög¬
lichst gute Verpflegung ihres Geliebten, woran die Cameraden auch ihren
Vortheil, die jütländischen Banerufraucn aber manchen Nachtheil hatten. Mit der
Schlauheit einer Katze verstand dies Mädchen Lebensmittel ans den Bauernhäu-
sern zu entwenden und einen schweren Schinken, oder ein Paar Hühner mitten
ans einem der mit Menschen vollgepfropften Häuser herauszuziehen, ohne daß das


Mi Christenthum bekennen, ist sehr groß, und doch ist ihre Zahl im Abnehmen
begriffen, da viele Kinder jung sterben sollen. Man hat auch hier in Jütland
versucht, sie an eine regelmäßige Lebensweise zu gewöhnen, mit der Zeit dürfte
dies gelingen, vorläufig hat's wenig Erfolg gehabt.

Im vorigen Sommer, wo Kriegerschaaren ans allen deutschen Gauen die
düsteren Haiden durchzogen, hatte eine der schwarzäugigen Tochter dieses unbe¬
kannten Stammes eine wirklich rührende Liebe zu einem hübschen Neiternnterof-
fizier der deutschen Reichstruppen gefaßt. Cs war eine schlauke, junge Dirne,
kaum 18 Jahre alt, von seltener Schönheit. Ihrem Geliebten, oder vielmehr
Gebieter, denn dies war er im unumschränktesten Sinne, zugefallen, hatte die wilde
Schöne der Haide sieh auch einer größeren Reinlichkeit, wie sie sonst wohl
gewohnt war, beflissen, er halte ihr auch eine bessere Kleidung, eine Art von
Negimentstochter-Uniform, die wahrscheinlich schon oft ans Hamburger oder
Kopenhagener Maskenbällen gedient hatte, geschenkt, welche ihre Reize in ein
ziemlich vortheilhaftes Licht stellte. Die Liebe, die dies Mädchen zu dem Unter¬
offizier hegte, war unerhört, der treueste Hund kaun seinem Herrn nicht mit
größerer Anhänglichkeit folgen. Mochte der kalte Nordwind noch so brausend
über die öde Haide stürmen, oder starke Regengüsse Tage lang vom Himmel
gießen, sie wich auf dem Marsche nicht von ihm; im Bivouak kauerte sie sich
wie eine Schlange zusammengewickelt an ihn, im seltenen Quartier des Bauern-
Hauses schlief sie auf der Diele, oder im Stall bei seinen Pferden, wenn in der
Stube kein Platz für sie war. Auf allen Märschen und Patrouillcnritteu, gleich¬
viel ob im schlechtesten Wetter oder der brennenden Sonnenhitze, lief sie unermü-
det mit der Schnelligkeit und Behendigkeit eines Windspieles neben den Pferden
her. War ihr Geliebter auf Borposten, so fehlte sie gewiß uicht bei seinem
Pferde, schweifte aber oft Stunden laug in größeren und kleineren Kreisen umher,
um die Gegend abzuspähen und zu erkunden, ob die dänischen Streifschaareu einen
heimlichen Ueberfall beabsichtigten. Dadurch war sie dem kleinen Neiterdetaschcment
von vielem Nutze», weßhalb auch zuletzt die Soldaten anfingen, große Stücke ans ihr
„ schwarzbraunes Zigcuucrmägdeleiu", wie sie dieselbe nannten, zu halten. Im
Anfang freilich hatte sie oft als Zielscheibe für rohen Spott aller Art dienen
müssen, sie war bisweilen mit Mühe zudringlicher Liebkosungen entgangen. Hatte
sie doch einem Reiter, der ihr mit ungestümer Bewerbung zugesetzt, gleich einer
wilden Katze so das Gesicht zerhackt und zerbissen, daß er aus Wochen in das
Lazareth zurückgeschickt werdeu mußte. Unermüdlich sorgte sie für die mög¬
lichst gute Verpflegung ihres Geliebten, woran die Cameraden auch ihren
Vortheil, die jütländischen Banerufraucn aber manchen Nachtheil hatten. Mit der
Schlauheit einer Katze verstand dies Mädchen Lebensmittel ans den Bauernhäu-
sern zu entwenden und einen schweren Schinken, oder ein Paar Hühner mitten
ans einem der mit Menschen vollgepfropften Häuser herauszuziehen, ohne daß das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/264>, abgerufen am 29.06.2024.