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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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egoistische Interessen vertreten, sind entschieden kleindentsch in unserm Sinne, das
heißt, sie haben erkannt, daß eine deutsche Union und Oestreich als sreie Ver¬
bündete nebeneinander stehen müssen, und daß von einer kräftigen Consolidirung
der" deutschen Union auch die Genesung Oestreichs abhängt. Die großdentsche
Politik des Fürsten Schwarzenberg ist jetzt in Oestreich unpopulär, und die Trailer
über die Schwäche der preußische" Politik ist bei den östreichischen Patrioten uicht
geriuger, als in den Staaten der Union.
Andriani sagt am Schlüsse seines Buches:

Was keinen Platz findet in dem entwickelten Systeme und eben so wenig
in der Verfassung vom -5. März, das ist das Hinüberschielen nach Deutschland
-- das künstliche Krnähreu schwarzrothgolducr Träume in Deutschöstreich, welche
nicht realisirt werden können, nicht realisirt werden dürfen, wenn Oestreich ein
einiges selbstständiges Reich bleiben soll. -- Soll es dieses bleiben, so darf es
weder seine gesetzgebende Gewalt, noch seine exekutive, und wäre es auch uur
zum allerkleinsten Theile, in fremde Hände geben, und deu Schwerpunkt des
Reiches außerhalb Oestreich verlegen. Beides aber geschieht, sobald ein
Buudeödirektorium, eine BnndeSkommission :c. in Oestreich auch nur die geringste
imperative oder vollziehende Gewalt hat -- sobald einer ans Oestreichern und
Nichtöstreichern zusammengesetzten Versammlung (mag diese nun auf was immer
für einem Wege gebildet sein, auf direktem durch Volkswahleu, auf indirekten
dnrch Ausschüsse der verschiedene" Abgeordueteukammeru, oder sonst wie immer)
irgend eine legislative Gewalt in Oestreich eingeräumt wird. -- Die Bundesacte
von 1815, nach welcher Vundeobeschlüsse j^" laclu im ganzen BnndeSgebiete,
also auch in deu österreichische" BnndeSläudern Gesetzeskraft hatten, ist heutzutage
für Oestreich eben so unmöglich als die Frankfurter Verfassung, das Drei- und
in jüngster Zeit das Vierkönigsbündniß; denn eine jede dieser Aufstellungen spaltet
die vollziehende Gewalt in Oestreich, welche allein und unes eilbar in dein
Kaiser von Oestreich ruyeu muß -- spaltet die gesetzgebende Gewalt,
welche allein untheilbar dem Kaiser im Vereine mit dem östreichi¬
schen Reichstage nud deu östreichischen Kronlandtagen zustehen
muß. -- Es ist kein Paradoxon, sondern volle Wahrheit, daß der Kaiser von
Oestreich bis zum 4. März 1849 in deu deutsch-östreichischen Ländern nicht
souverän war, denn er stand nnter dem Bundestage -- Buudesbeschlüsse
müßten in Deutsch-Oestreich vollzogen werden.

Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Bundesverfassung umgestürzt,
und Oestreich für seinen Theil hat mit der Verfassung vom 4. März die Bundes-
akte zerrissen -- es konnte nicht anders kommen, und hätte es auch keine deutsche
Revolution im Jahre 1848 gegeben, sobald Oestreich ein. einheitlicher, daher in
alle>l seinen Theilen souveräner Staat werde" wollte -- und es mußte dieses
wollen.


egoistische Interessen vertreten, sind entschieden kleindentsch in unserm Sinne, das
heißt, sie haben erkannt, daß eine deutsche Union und Oestreich als sreie Ver¬
bündete nebeneinander stehen müssen, und daß von einer kräftigen Consolidirung
der" deutschen Union auch die Genesung Oestreichs abhängt. Die großdentsche
Politik des Fürsten Schwarzenberg ist jetzt in Oestreich unpopulär, und die Trailer
über die Schwäche der preußische» Politik ist bei den östreichischen Patrioten uicht
geriuger, als in den Staaten der Union.
Andriani sagt am Schlüsse seines Buches:

Was keinen Platz findet in dem entwickelten Systeme und eben so wenig
in der Verfassung vom -5. März, das ist das Hinüberschielen nach Deutschland
— das künstliche Krnähreu schwarzrothgolducr Träume in Deutschöstreich, welche
nicht realisirt werden können, nicht realisirt werden dürfen, wenn Oestreich ein
einiges selbstständiges Reich bleiben soll. — Soll es dieses bleiben, so darf es
weder seine gesetzgebende Gewalt, noch seine exekutive, und wäre es auch uur
zum allerkleinsten Theile, in fremde Hände geben, und deu Schwerpunkt des
Reiches außerhalb Oestreich verlegen. Beides aber geschieht, sobald ein
Buudeödirektorium, eine BnndeSkommission :c. in Oestreich auch nur die geringste
imperative oder vollziehende Gewalt hat — sobald einer ans Oestreichern und
Nichtöstreichern zusammengesetzten Versammlung (mag diese nun auf was immer
für einem Wege gebildet sein, auf direktem durch Volkswahleu, auf indirekten
dnrch Ausschüsse der verschiedene» Abgeordueteukammeru, oder sonst wie immer)
irgend eine legislative Gewalt in Oestreich eingeräumt wird. — Die Bundesacte
von 1815, nach welcher Vundeobeschlüsse j^» laclu im ganzen BnndeSgebiete,
also auch in deu österreichische» BnndeSläudern Gesetzeskraft hatten, ist heutzutage
für Oestreich eben so unmöglich als die Frankfurter Verfassung, das Drei- und
in jüngster Zeit das Vierkönigsbündniß; denn eine jede dieser Aufstellungen spaltet
die vollziehende Gewalt in Oestreich, welche allein und unes eilbar in dein
Kaiser von Oestreich ruyeu muß — spaltet die gesetzgebende Gewalt,
welche allein untheilbar dem Kaiser im Vereine mit dem östreichi¬
schen Reichstage nud deu östreichischen Kronlandtagen zustehen
muß. — Es ist kein Paradoxon, sondern volle Wahrheit, daß der Kaiser von
Oestreich bis zum 4. März 1849 in deu deutsch-östreichischen Ländern nicht
souverän war, denn er stand nnter dem Bundestage — Buudesbeschlüsse
müßten in Deutsch-Oestreich vollzogen werden.

Die Ereignisse des Jahres 1848 haben die Bundesverfassung umgestürzt,
und Oestreich für seinen Theil hat mit der Verfassung vom 4. März die Bundes-
akte zerrissen — es konnte nicht anders kommen, und hätte es auch keine deutsche
Revolution im Jahre 1848 gegeben, sobald Oestreich ein. einheitlicher, daher in
alle>l seinen Theilen souveräner Staat werde» wollte — und es mußte dieses
wollen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/236>, abgerufen am 01.10.2024.