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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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und Würde der Versammlung nicht durch Ausdrücke des Gefühls zu stören "wie
gerechtfertigt im einzelnen Falle dieses Gefühl vielleicht sein möge."

, Die Freude an dieser Rede, wenn auch uicht die Bewunderung des Redners,
ward sehr getrübt durch deu Gedanken an ihre praktische Erfolglosigkeit. Denn
wer auch nicht schon aus den Privatvcrhandlungen außerhalb der Kammer erfahren
hatte, daß-die Sache des Auschlnsses in dieser Kammer als eine völlig verzweifelte
selbst von ihren eignen Anhängern betrachtet werde, der mußte aus dein Gange der
Debatte entnehmen, daß sie es wirklich sei. Man übersah sehr bald, daß den
Anhängern des Bundesstaates jeder Zusammenhalt, jeder Plan cinmüthigen Han¬
delns und gegenseitiger Unterstützung fehle. Was half es unter solchen Umständen,
daß der Führer mit starkem Arm eine breite Gasse in die feindlichen Reihen brach?
was half es, daß er am Ende deö Gefechts noch einmal mit scharfen Hieben hier
und dort und nach allen Seiten hin die Gegner niedermachte? Er blieb verein¬
zelt, von Wenigen rückhaltslos gefolgt, von Andern halb unterstützt, halb bekämpft,
von Manchen, die unter derselben Fahne zu fechten vorgaben, sogar im Rücken
angegriffen. In wohlgemeinter, aber wenig bedeutender Rede suchte uach Carlowitz
Küttner die gemeinsamen Anträge zu verfechten, in etwas schlagenderer, praktisch
populärer Beweisführung trat ihm Kretschmar zur Seite. W einlig, von dessen
staatswirthschaftlicher Einsicht man eine gründliche Erörterung der materiellen Seiten
der Frage, von dessen politische^ Autorität als Mitglied deS im Mai vor. I. um der
Reichsverfassung mulier zurückgetretenen Ministeriums man einen entscheidenden
Einfluß zu Gunsten des Anschlusses an den Bundesstaat (als dessen erklärter An¬
hänger er bekannt war) gehofft hatte, vertiefte sich in allerhand unpraktische Sub-
tilitäten in Betreff des Vorbehalts und stellte schließlich verschiedene besondre Anträge,
die schwerlich eine Mehrheit für sich zu gewinnen, wohl aber die Mehrheit für die
Hauptanträge, wenn, eine solche überhaupt möglich war, zu beeinträchtigen Aussicht
hatten. Noch größere Verwirrung brachte Metzler in die Reihen der Partei,
als er eine Verschiebung der Beschlußfassung über sämmtliche Anträge bis dahin
verlangte, wo das Ministerium die versprochenen Mittheilungen über seiue Unter¬
handlungen mit Baiern und Würtemberg gemacht haben würde, "längstens jedoch
auf 14 Tage." Zum Glück machte der Minister diesen Fehler wieder gut, indem
er rundweg erklärte: die Regierung könne gar nichts Bestimmtes darüber.sagen,
bis zu welcher Zeit sie im Staude sein werde, die gewünschten Mittheilungen zu
macheu. Dadurch gewann Metzler die Gelegenheit eines leidlichen Rückzugs;
er verwahrte sich gegen den seinem Antrag beigemessenen Character eines "Ver¬
trauensvotums," versicherte mit etwas trotzigem Tone, "daß seine Geduld nur
auch zu Ende sei," und zog den Antrag zurück. Der Berichterstatter endlich --
ja was wollte er derw eigentlich? Er bezeichnete seine Anträge als "eine politi¬
sche Demonstration, um der Regierung klar und augenscheinlich vor Augen zu
legen, daß das sächsische Volk den lebhafte" Wunsch hege, in der deutschen Ver-


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und Würde der Versammlung nicht durch Ausdrücke des Gefühls zu stören „wie
gerechtfertigt im einzelnen Falle dieses Gefühl vielleicht sein möge."

, Die Freude an dieser Rede, wenn auch uicht die Bewunderung des Redners,
ward sehr getrübt durch deu Gedanken an ihre praktische Erfolglosigkeit. Denn
wer auch nicht schon aus den Privatvcrhandlungen außerhalb der Kammer erfahren
hatte, daß-die Sache des Auschlnsses in dieser Kammer als eine völlig verzweifelte
selbst von ihren eignen Anhängern betrachtet werde, der mußte aus dein Gange der
Debatte entnehmen, daß sie es wirklich sei. Man übersah sehr bald, daß den
Anhängern des Bundesstaates jeder Zusammenhalt, jeder Plan cinmüthigen Han¬
delns und gegenseitiger Unterstützung fehle. Was half es unter solchen Umständen,
daß der Führer mit starkem Arm eine breite Gasse in die feindlichen Reihen brach?
was half es, daß er am Ende deö Gefechts noch einmal mit scharfen Hieben hier
und dort und nach allen Seiten hin die Gegner niedermachte? Er blieb verein¬
zelt, von Wenigen rückhaltslos gefolgt, von Andern halb unterstützt, halb bekämpft,
von Manchen, die unter derselben Fahne zu fechten vorgaben, sogar im Rücken
angegriffen. In wohlgemeinter, aber wenig bedeutender Rede suchte uach Carlowitz
Küttner die gemeinsamen Anträge zu verfechten, in etwas schlagenderer, praktisch
populärer Beweisführung trat ihm Kretschmar zur Seite. W einlig, von dessen
staatswirthschaftlicher Einsicht man eine gründliche Erörterung der materiellen Seiten
der Frage, von dessen politische^ Autorität als Mitglied deS im Mai vor. I. um der
Reichsverfassung mulier zurückgetretenen Ministeriums man einen entscheidenden
Einfluß zu Gunsten des Anschlusses an den Bundesstaat (als dessen erklärter An¬
hänger er bekannt war) gehofft hatte, vertiefte sich in allerhand unpraktische Sub-
tilitäten in Betreff des Vorbehalts und stellte schließlich verschiedene besondre Anträge,
die schwerlich eine Mehrheit für sich zu gewinnen, wohl aber die Mehrheit für die
Hauptanträge, wenn, eine solche überhaupt möglich war, zu beeinträchtigen Aussicht
hatten. Noch größere Verwirrung brachte Metzler in die Reihen der Partei,
als er eine Verschiebung der Beschlußfassung über sämmtliche Anträge bis dahin
verlangte, wo das Ministerium die versprochenen Mittheilungen über seiue Unter¬
handlungen mit Baiern und Würtemberg gemacht haben würde, „längstens jedoch
auf 14 Tage." Zum Glück machte der Minister diesen Fehler wieder gut, indem
er rundweg erklärte: die Regierung könne gar nichts Bestimmtes darüber.sagen,
bis zu welcher Zeit sie im Staude sein werde, die gewünschten Mittheilungen zu
macheu. Dadurch gewann Metzler die Gelegenheit eines leidlichen Rückzugs;
er verwahrte sich gegen den seinem Antrag beigemessenen Character eines „Ver¬
trauensvotums," versicherte mit etwas trotzigem Tone, „daß seine Geduld nur
auch zu Ende sei," und zog den Antrag zurück. Der Berichterstatter endlich —
ja was wollte er derw eigentlich? Er bezeichnete seine Anträge als „eine politi¬
sche Demonstration, um der Regierung klar und augenscheinlich vor Augen zu
legen, daß das sächsische Volk den lebhafte» Wunsch hege, in der deutschen Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/19>, abgerufen am 22.07.2024.