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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Jupiters Haupte entsprungen, urplötzlich eines schönen Morgens in aller ihrer
Glorie vor uns stehen?" (Vielfacher Beifall.)

"Nein, meine Herren, wohin man auch die Blicke wendet, immer scheint es,
als ob der preußische Entwurf -- freilich nur als ein Uebergang und
noch nicht als ein vollendetes Ganzes, ich betone diese Worte, weil sie
ein Angelpunkt meines Vortrags sind -- den Vorzug verdiene. Möglich, daß es
auch Preußen nicht gelingt, ein einiges Deutschland herzustellen. Aber das hat
mich die Denkschrift gelehrt, daß Preußen vor allen andern deutschen Staaten der
thätigste gewesen ist, in Verwirklichung der Idee einer deutschen Einheit, daß Preußen
nie müde geworden ist, neue und immer neue darauf abzweckende Vorschläge.auf
die Bahn zu bringen, nud durch Einberufung des Reichstags den ersten thatsäch¬
lichen Schritt vorwärts thut. Andererseits dagegen, meine Herren, vernahm ich
nur Phrasen, Phrasen über Deutschlands Einheit, die, wenn sie nicht bald zu
Thaten werden, nachgerade anfangen, die Geduld des deutschen Volkes zu.ermüden,
nud uns vor dem Auslande lächerlich zu machen. Und Zeit ist es, hohe Zeit,
daß man von Worten zu Handlungen übergehe, damit nicht der Dämon der
Revolution erwacht, nud gestärkt durch deu Mißmuih der in ihren edelsten Hoff¬
nungen abermals getäuschten Nation das Vaterland in'S Verderben stürzt. Noch
thürmen sich freilich dem preußischen Entwurf Hindernisse von innen und außen
mächtig entgegen, aber noch kann das Werk gelingen, wenn man nur unter Be¬
nutzung der Erfahrungen, die das maßlose Treiben des Jahres 48-58 an die
Hand gegeben hat, wenn man nur frei von jeder Stammeseifersucht, frei von
dynastischen Gelüsten schnell und muthig die Hand an's Werk legt! Denn der
Kreuzzug nach dem gelobten Lande der deutschen Einheit, das kann nun einmal
nur der noch leugnen, der mit Blindheit geschlagen ist, er hat begonnen, und ob,
wie damals im Mittelalter, die ersten ungeregelten Schaaren, die sich in Bewegung
setzten, durch ihren maßlosen Ungestüm zu Grunde gingen, ehe sie ihr Ziel
erreichten, -- der große Gedanke der deutschen Einheit, er lebt noch fort im
Kerne der Nation und wird nicht ersterben. Darum, meine Herren, lenken wir
in deu alten Staatenbund wieder ein und harren anderweit 35 Jahre auf ein
einiges und starkes Deutschland, oder geben wir ein großartiges Beispiel, das
uicht ohne Nachahmung bleiben wird, schließen wir uns Preußen und seinen Ver¬
bündeten an, und beschicken anch wir den Reichstag. Ich fühle einerseits, daß
die Zeit drängt, soll nicht der letzte Funke des Vertrauens erlöschen, das in dieser
Frage Deutschlands Völker ans Deutschlands Regierungen setzen; ich sehe anderer¬
seits keinen andern, keinen bessern Ausweg, und darum ist und bleibt mein Wahl-
spruch: ""mit Preußen und durch Preußen zu Deutschland.""

Bei diesem Schluß der Rede ward das Bravo auf den Gallerten besonders
auf derjenigen der Mitglieder der zweiten Kammer so laut, daß der Präsident
daran erinnern mußte, wie es Pflicht jedes Anwesenden im Saale sei, die Ruhe


Jupiters Haupte entsprungen, urplötzlich eines schönen Morgens in aller ihrer
Glorie vor uns stehen?" (Vielfacher Beifall.)

„Nein, meine Herren, wohin man auch die Blicke wendet, immer scheint es,
als ob der preußische Entwurf — freilich nur als ein Uebergang und
noch nicht als ein vollendetes Ganzes, ich betone diese Worte, weil sie
ein Angelpunkt meines Vortrags sind — den Vorzug verdiene. Möglich, daß es
auch Preußen nicht gelingt, ein einiges Deutschland herzustellen. Aber das hat
mich die Denkschrift gelehrt, daß Preußen vor allen andern deutschen Staaten der
thätigste gewesen ist, in Verwirklichung der Idee einer deutschen Einheit, daß Preußen
nie müde geworden ist, neue und immer neue darauf abzweckende Vorschläge.auf
die Bahn zu bringen, nud durch Einberufung des Reichstags den ersten thatsäch¬
lichen Schritt vorwärts thut. Andererseits dagegen, meine Herren, vernahm ich
nur Phrasen, Phrasen über Deutschlands Einheit, die, wenn sie nicht bald zu
Thaten werden, nachgerade anfangen, die Geduld des deutschen Volkes zu.ermüden,
nud uns vor dem Auslande lächerlich zu machen. Und Zeit ist es, hohe Zeit,
daß man von Worten zu Handlungen übergehe, damit nicht der Dämon der
Revolution erwacht, nud gestärkt durch deu Mißmuih der in ihren edelsten Hoff¬
nungen abermals getäuschten Nation das Vaterland in'S Verderben stürzt. Noch
thürmen sich freilich dem preußischen Entwurf Hindernisse von innen und außen
mächtig entgegen, aber noch kann das Werk gelingen, wenn man nur unter Be¬
nutzung der Erfahrungen, die das maßlose Treiben des Jahres 48-58 an die
Hand gegeben hat, wenn man nur frei von jeder Stammeseifersucht, frei von
dynastischen Gelüsten schnell und muthig die Hand an's Werk legt! Denn der
Kreuzzug nach dem gelobten Lande der deutschen Einheit, das kann nun einmal
nur der noch leugnen, der mit Blindheit geschlagen ist, er hat begonnen, und ob,
wie damals im Mittelalter, die ersten ungeregelten Schaaren, die sich in Bewegung
setzten, durch ihren maßlosen Ungestüm zu Grunde gingen, ehe sie ihr Ziel
erreichten, — der große Gedanke der deutschen Einheit, er lebt noch fort im
Kerne der Nation und wird nicht ersterben. Darum, meine Herren, lenken wir
in deu alten Staatenbund wieder ein und harren anderweit 35 Jahre auf ein
einiges und starkes Deutschland, oder geben wir ein großartiges Beispiel, das
uicht ohne Nachahmung bleiben wird, schließen wir uns Preußen und seinen Ver¬
bündeten an, und beschicken anch wir den Reichstag. Ich fühle einerseits, daß
die Zeit drängt, soll nicht der letzte Funke des Vertrauens erlöschen, das in dieser
Frage Deutschlands Völker ans Deutschlands Regierungen setzen; ich sehe anderer¬
seits keinen andern, keinen bessern Ausweg, und darum ist und bleibt mein Wahl-
spruch: „„mit Preußen und durch Preußen zu Deutschland.""

Bei diesem Schluß der Rede ward das Bravo auf den Gallerten besonders
auf derjenigen der Mitglieder der zweiten Kammer so laut, daß der Präsident
daran erinnern mußte, wie es Pflicht jedes Anwesenden im Saale sei, die Ruhe


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/18>, abgerufen am 24.08.2024.