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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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den mit einem Offizier ans der jenseitigen Höhe als Vorposten plante. Hierauf
wurde "pikün,j" "rührt Euch" commandirt, und wir erwarteten in dieser Posi¬
tion, ans den Boden hingestreckt oder aus die Waffe gestützt, die Ankunft des
Feindes. So vergingen beinahe zwei Stunden. Gegen drei Uhr horch! ferner
Trommelschlag von der Seite unseres rechten Flügels. Der Commandant jagte
das liegende Heer ans die Beine und sandte ein kleines Neiterdetachement nach
jener Seite hin. Dies brachte nach wenigen Minuten die erstaunliche Nachricht,
daß die Ankommenden, die so eben aus dem Walde hervortraten, nach der Mon-
tur zu schließen, reguläre Truppen, und zwar von demselben Regiment Ceccopieri
sein müßten. Es entstand eine unruhige Bewegung unter unsern Helden, aber
der Commandant sprach: "Gut! das sind die zwei Compagnien Ceccopieri, welche
uns der Herr Obergespann ans der obern Waaggegeud zu senden versprach; jetzt
wollen wir sehen, wie der Prediger mit uns fertig werden will." Natürlich
folgte ein stürmisches "Kljvn .Je8'/vnäK" und als mich einigen Minuten die fremde
Truppe näher kam und sich ans einem kleinen Abhang zeigte, der nur durch eine
tiefe Bucht von unserm rechten Flügel getrennt war, nud wir deutlich die Uni¬
form unserer Bundesgenossen erkannten, riefen wir wieder ihnen ein herzliches
,M'jLn<zK olasxok" (Hoch die Italiener) entgegen. Aber anstatt der entsprechen¬
den höflichen Antwort machte die Truppe front, detachirte eine wohlgeladeue
Pelotonsalve aus unsern rechten Flügel und verschwand wieder hinter dem Ab¬
hang. Das war von Freunden eine sehr schlechte Behandlung, obgleich die Ge¬
wehre zu hoch genommen wurden und die Schüsse sämmtlich nicht trafen. -- Eine
fürchterliche Verwirrung entstand in mehrern Reihen; "Verrath!" rief es von
allen Seiten, der Landsturm glaubte die Ceccopieri selbst im Bunde mit unsern
Feinden, nud fürchtete, in unsern Reihen meuchelmörderisch von ihnen niederge¬
schossen zu werden. -- Zu gleicher Zeit ziehen sich unsere Vorposten von allen
Seiten zurück und melden die Ankunft des Feindes, der jetzt ans den Wäldern
in großen Massen hervorbricht. Unzählige Haufen erscheinen am Ausgang der
Waldungen und dringen in Sturmschritt ans uns ein; die Verwirrung in unsern
Reihen wächst mit jedem Augenblicke; die Offiziere selbst verlegen, bemühen sich
vergebens, Ordnung und Muth wieder herzustellen; vou allen Seilen fallen ein¬
zelne Pelotonschüsse auf uus, Alles rennt dnrch einander und die ganze Masse
unseres Heeres drängt, läuft, stürzt rctirireud aus dem Dorfweg zurück. Totale Auf¬
lösung und nnlcngbares Ausreißen ^ nur unsere beiden Compagnien Ceccopieri zogen
sich in Ordnung auf eine Anhöhe zur Seite und wurden von dem Menschenstrom
nicht fortgerissen. -- Ich selbst floh natürlich nicht schlechter, als die andern; zu¬
erst langsam und zögernd, dann etwas schneller, zuletzt sprang ich wie die Uebri-
gen zu den am andern Ende des Dorfes stehenden Wagen, um eine kleine Sehn¬
sucht nach der Heimat zu befriedigen. Unsern Wagenlcnkern war bei unserm
Zorn und bei Todesstrafe befohlen worden , sich nicht Her aus ihrer Positiv"


den mit einem Offizier ans der jenseitigen Höhe als Vorposten plante. Hierauf
wurde "pikün,j" „rührt Euch" commandirt, und wir erwarteten in dieser Posi¬
tion, ans den Boden hingestreckt oder aus die Waffe gestützt, die Ankunft des
Feindes. So vergingen beinahe zwei Stunden. Gegen drei Uhr horch! ferner
Trommelschlag von der Seite unseres rechten Flügels. Der Commandant jagte
das liegende Heer ans die Beine und sandte ein kleines Neiterdetachement nach
jener Seite hin. Dies brachte nach wenigen Minuten die erstaunliche Nachricht,
daß die Ankommenden, die so eben aus dem Walde hervortraten, nach der Mon-
tur zu schließen, reguläre Truppen, und zwar von demselben Regiment Ceccopieri
sein müßten. Es entstand eine unruhige Bewegung unter unsern Helden, aber
der Commandant sprach: „Gut! das sind die zwei Compagnien Ceccopieri, welche
uns der Herr Obergespann ans der obern Waaggegeud zu senden versprach; jetzt
wollen wir sehen, wie der Prediger mit uns fertig werden will." Natürlich
folgte ein stürmisches „Kljvn .Je8'/vnäK" und als mich einigen Minuten die fremde
Truppe näher kam und sich ans einem kleinen Abhang zeigte, der nur durch eine
tiefe Bucht von unserm rechten Flügel getrennt war, nud wir deutlich die Uni¬
form unserer Bundesgenossen erkannten, riefen wir wieder ihnen ein herzliches
,M'jLn<zK olasxok" (Hoch die Italiener) entgegen. Aber anstatt der entsprechen¬
den höflichen Antwort machte die Truppe front, detachirte eine wohlgeladeue
Pelotonsalve aus unsern rechten Flügel und verschwand wieder hinter dem Ab¬
hang. Das war von Freunden eine sehr schlechte Behandlung, obgleich die Ge¬
wehre zu hoch genommen wurden und die Schüsse sämmtlich nicht trafen. — Eine
fürchterliche Verwirrung entstand in mehrern Reihen; „Verrath!" rief es von
allen Seiten, der Landsturm glaubte die Ceccopieri selbst im Bunde mit unsern
Feinden, nud fürchtete, in unsern Reihen meuchelmörderisch von ihnen niederge¬
schossen zu werden. — Zu gleicher Zeit ziehen sich unsere Vorposten von allen
Seiten zurück und melden die Ankunft des Feindes, der jetzt ans den Wäldern
in großen Massen hervorbricht. Unzählige Haufen erscheinen am Ausgang der
Waldungen und dringen in Sturmschritt ans uns ein; die Verwirrung in unsern
Reihen wächst mit jedem Augenblicke; die Offiziere selbst verlegen, bemühen sich
vergebens, Ordnung und Muth wieder herzustellen; vou allen Seilen fallen ein¬
zelne Pelotonschüsse auf uus, Alles rennt dnrch einander und die ganze Masse
unseres Heeres drängt, läuft, stürzt rctirireud aus dem Dorfweg zurück. Totale Auf¬
lösung und nnlcngbares Ausreißen ^ nur unsere beiden Compagnien Ceccopieri zogen
sich in Ordnung auf eine Anhöhe zur Seite und wurden von dem Menschenstrom
nicht fortgerissen. — Ich selbst floh natürlich nicht schlechter, als die andern; zu¬
erst langsam und zögernd, dann etwas schneller, zuletzt sprang ich wie die Uebri-
gen zu den am andern Ende des Dorfes stehenden Wagen, um eine kleine Sehn¬
sucht nach der Heimat zu befriedigen. Unsern Wagenlcnkern war bei unserm
Zorn und bei Todesstrafe befohlen worden , sich nicht Her aus ihrer Positiv»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/148>, abgerufen am 01.10.2024.