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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Setzung der Conversation verlegen; er ließ dies seinein stattlichen Schnurrbart em¬
pfinden, den er so barmherzig drehte, als wollte er ihn mit der Wurzel aus-
reißen, endlich brach er los: "Aber es wundert mich sehr Landsmann, daß ein
Mann von solchen^ Schreit und Korn, der eine solche Büchse auf seinen starken
Schultern trägt, jetzt ans Hasenfang ausgebt, wo jeder Muteulaus gegen die
Verräther der guten Sache gerichtet sein sollte?" "Herr Hauptmann," sagte
der Mann mit der Büchse, "noch bin ich unsicher, wer mehr werth ist, die Hel-
den des Schwertes oder des Friedens; ich liebe die Menschen und wenn ich auch
die Politik nicht hasse, so suche ich ihr doch überall auszuweichen." "Aber Sie
sind doch ein Magyar?" rief der Hauptmann etwas barsch. "Wenn ich Vörös-
marty und Petöfi lese, ja!" versetzte ruhig der Fremde., Eine kleine Pause,
wir sahen ihn an, endlich sagte unser Commandant, der Major: "Wenn Sie
auch kein Freund von Politik sind, so können Sie uns doch sagen, ob Sie etwas
über die Stellung und das Vorhaben des Feindes erfahren haben?" "Ich weiß
nur so viel," sagte der Fremde, "daß Hurbau heute früh um 7 Uhr in Bre-
zova eingezogen ist, und sich dort die Gemeindekassen ausliefern, und außerdem
eine kleine Brandschatzung zahlen ließ; dies hat mir ein Bauer ans jenem Feld¬
wege erzählt; ich frug ihn nicht weiter." "Bei Gott, Herr Major," rief eine
Stimme ans der Schaar, "dieser Philosoph ist ein Spion, und das Beste wäre,
ihm den Kopf mit einem Strick gerade richten zu lassen." "Ein Spion! ein
Spion!" tönte es von allen Seiten. Der Fremde schien befangen, sammelte sich
aber bald und übersah die tobende Menge mit einem kalten Lächeln. "Ruhe"
rief der Major, und zu dem Fremden gekehrt: "Sie können gehen, mein Freund!
Wenn es in Ungarn Männer geben könnte, die unsere schöne Sprache so rein
sprechen und diesen Vorzug zum Verrath am Vaterland benutzen, so wäre unsere
Sache schou verloren: Sie können unmöglich ein Spion sein. Gehen Sie mit
Gott!" Der Fremde dankte mit einer anständigen Verbeugung, und schritt durch
das Lager dem Dorfe Nvsbehi zu. -- "Für uns aber, meine Herren," fuhr der
Major fort, "heißt's: Habt Acht! Der Feind war schon heut' früh in Brezova,
seine Stärke ist uns unbekannt, wir können jeden Augenblick seine Ankunft er¬
warten. Also talpra auf Magyaren!. Auf diesen Uns trat eine allge¬
meine Bewegung im Lager ein, die Eßinaterialieil wurden auf den Wagen ge¬
worfen, die Trommeln wirbelten, die Offiziere sammelten ihre Häuflein, der
Major bestieg sein muthiges Roß, nud das kleine Heer stellte sich strategisch aus.
Unsere Wagen wurden durch das Dorf zurückgeführt und am jenseitigen Ende des¬
selben in eine lange Kette ausgestellt; die reguläre Mannschaft in zwei Theile ge¬
theilt, von denen der eine, im Rücken voll dem Dorfe geschützt, das Centrum
bildete, der andere sich an den äußersten Enden der beiden Flügel, die ans
Nationalgarten und Landstürmlern gebildet waren, in zwei Tiraillcurketten aus¬
dehnte, die sich bis an den Bach hinzogen; einige berittene Nationalgarten our-


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Setzung der Conversation verlegen; er ließ dies seinein stattlichen Schnurrbart em¬
pfinden, den er so barmherzig drehte, als wollte er ihn mit der Wurzel aus-
reißen, endlich brach er los: „Aber es wundert mich sehr Landsmann, daß ein
Mann von solchen^ Schreit und Korn, der eine solche Büchse auf seinen starken
Schultern trägt, jetzt ans Hasenfang ausgebt, wo jeder Muteulaus gegen die
Verräther der guten Sache gerichtet sein sollte?" „Herr Hauptmann," sagte
der Mann mit der Büchse, „noch bin ich unsicher, wer mehr werth ist, die Hel-
den des Schwertes oder des Friedens; ich liebe die Menschen und wenn ich auch
die Politik nicht hasse, so suche ich ihr doch überall auszuweichen." „Aber Sie
sind doch ein Magyar?" rief der Hauptmann etwas barsch. „Wenn ich Vörös-
marty und Petöfi lese, ja!" versetzte ruhig der Fremde., Eine kleine Pause,
wir sahen ihn an, endlich sagte unser Commandant, der Major: „Wenn Sie
auch kein Freund von Politik sind, so können Sie uns doch sagen, ob Sie etwas
über die Stellung und das Vorhaben des Feindes erfahren haben?" „Ich weiß
nur so viel," sagte der Fremde, „daß Hurbau heute früh um 7 Uhr in Bre-
zova eingezogen ist, und sich dort die Gemeindekassen ausliefern, und außerdem
eine kleine Brandschatzung zahlen ließ; dies hat mir ein Bauer ans jenem Feld¬
wege erzählt; ich frug ihn nicht weiter." „Bei Gott, Herr Major," rief eine
Stimme ans der Schaar, „dieser Philosoph ist ein Spion, und das Beste wäre,
ihm den Kopf mit einem Strick gerade richten zu lassen." „Ein Spion! ein
Spion!" tönte es von allen Seiten. Der Fremde schien befangen, sammelte sich
aber bald und übersah die tobende Menge mit einem kalten Lächeln. „Ruhe"
rief der Major, und zu dem Fremden gekehrt: „Sie können gehen, mein Freund!
Wenn es in Ungarn Männer geben könnte, die unsere schöne Sprache so rein
sprechen und diesen Vorzug zum Verrath am Vaterland benutzen, so wäre unsere
Sache schou verloren: Sie können unmöglich ein Spion sein. Gehen Sie mit
Gott!" Der Fremde dankte mit einer anständigen Verbeugung, und schritt durch
das Lager dem Dorfe Nvsbehi zu. — „Für uns aber, meine Herren," fuhr der
Major fort, „heißt's: Habt Acht! Der Feind war schon heut' früh in Brezova,
seine Stärke ist uns unbekannt, wir können jeden Augenblick seine Ankunft er¬
warten. Also talpra auf Magyaren!. Auf diesen Uns trat eine allge¬
meine Bewegung im Lager ein, die Eßinaterialieil wurden auf den Wagen ge¬
worfen, die Trommeln wirbelten, die Offiziere sammelten ihre Häuflein, der
Major bestieg sein muthiges Roß, nud das kleine Heer stellte sich strategisch aus.
Unsere Wagen wurden durch das Dorf zurückgeführt und am jenseitigen Ende des¬
selben in eine lange Kette ausgestellt; die reguläre Mannschaft in zwei Theile ge¬
theilt, von denen der eine, im Rücken voll dem Dorfe geschützt, das Centrum
bildete, der andere sich an den äußersten Enden der beiden Flügel, die ans
Nationalgarten und Landstürmlern gebildet waren, in zwei Tiraillcurketten aus¬
dehnte, die sich bis an den Bach hinzogen; einige berittene Nationalgarten our-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/147>, abgerufen am 25.08.2024.