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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Nil dem gegen Brezova gelegene" Ende deö Dorfes verlieren sich die beiden
Flnßmauern; eine weile Wiese umgibt den Bach und erhebt sich erst dort hinten
in ziemlicher Entfernung zur Hochebene; die Aussicht endigt mit vorspringenden
Baumgruppen, welche den Ausgang.großer Waldungen bilden. Die Wiese selbst
ist von einzelnen Bachweiden und Holzbirnbäumen übersäet, die den müden Wan¬
derer in ihren erquickenden Schatten einladen. Hier schlugen wir am linken Ufer
deö Baches unser La,ger auf; jeder holte von seinem Wagen den bausbackigen
Mantelsack und wohlgefnlte i^ultoivl, die hölzerne Weinflasche, um sich nach Sol¬
datenweise gütlich zu thun. Die feierliche Stille in der umgebenden Natur wurde
nnr von den Bewegungen unserer Kinnladen und manchem in der Begeisterung
aufgerufenen ,Mon u,'t,u"it, 6>M> Ko"suU>" unterbrochen, denu kein Lüftchen
bewegte die Blatter der Bäume, die Straße, welche steh in einem weißen Schlan¬
genstreif durch die grüne Flur hinzog, wurde, durch kein Wagengeknarr belebt,
die vieleir Fußwege welche die Wiese in alle" Richtungen durchschnitten, waren von
Mensch und Thier verlassen, kein Wanderer betrat die vom Bürgerkriege heim¬
gesuchte Gegend; die Bewohner- dieser Berge standen in den Reihen der Kämpfer
auf der einen oder andern Seite, oder warteten in ihren Hütten versteckt den
Ausgang deö Kampfes ab, und selbst die abgemähten Kornfelder, die vergebens
auf die Herbstbestellung geharret halte", schiene" heute in melancholischer Ruhe
zu erwarte", daß sie bald i" el" trauriges Schlachtfeld verwandelt werden sollten.
Ich lag hingestreckt an die Wurzeln, einer Bachweide, als eine kräftige Stimme
hinter mir ein wohltönendes ",>u mal"">>," das "guten Tag" der Magyaren hören
ließ; ich wendete mein Gesicht und sah einen jungen Mann mit einnehmenden
Gesichtszügen, blondem Backen- und Schnurrbart, langem fliegenden Haar,
in einem bnrschit'osen Iagdanzuge, eine schöne, in der Sonne glänzende Doppel¬
büchse auf der Schulter. Er schritt auf einem der Fußwege vou dem jenseitigen
User des Baches daher, und grüßte im Vorbeigehen nach den Offizieröwagen --
dem improvisirten Hauptquartier -- wie es schien, ohne sich aufhalten zu wollen.
Mein Hauptmann, erstaunt wie nur alle, in dieser stockslavischen Gegend das ma¬
gyarische Idiom so rein sprechen zu hören, und "och dazu von einem Mann, der
nicht in unsern Reihen stand, erwiederte mit einem herzlichen "ucljon l^kam."
"geb's Gott," und rief deu Fremden in derselben Sprache nach: "Woher des
Weges, Lattdsman"?" Der Mann kehrte um, schien anfangs etwas zerstreut,
erwiederte aber bald uach vieler Leichtigkeit: "Ich bin aus dem Dorfe Sipkov;
heute früh ging ich aus um mir einen Braten auf den Sonntag zu holen, aber
selbst die Hasen, diesem Worte gab er eine eigenthümliche Betonung,, scheinen
jei)t zu einem Volksbewußtsein gekommen zu sein, und irgendwo geheime Ver¬
sammlungen zu halten; es will keiner in meine Schußweite kommen". Wir lach¬
ten und warfen ihm gutmüthige Scherze zu. Nur "kein Haupt"kann, ein eifriger
Patriot, war mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden, und doch um eine Fort-


Nil dem gegen Brezova gelegene» Ende deö Dorfes verlieren sich die beiden
Flnßmauern; eine weile Wiese umgibt den Bach und erhebt sich erst dort hinten
in ziemlicher Entfernung zur Hochebene; die Aussicht endigt mit vorspringenden
Baumgruppen, welche den Ausgang.großer Waldungen bilden. Die Wiese selbst
ist von einzelnen Bachweiden und Holzbirnbäumen übersäet, die den müden Wan¬
derer in ihren erquickenden Schatten einladen. Hier schlugen wir am linken Ufer
deö Baches unser La,ger auf; jeder holte von seinem Wagen den bausbackigen
Mantelsack und wohlgefnlte i^ultoivl, die hölzerne Weinflasche, um sich nach Sol¬
datenweise gütlich zu thun. Die feierliche Stille in der umgebenden Natur wurde
nnr von den Bewegungen unserer Kinnladen und manchem in der Begeisterung
aufgerufenen ,Mon u,'t,u«it, 6>M> Ko»suU>" unterbrochen, denu kein Lüftchen
bewegte die Blatter der Bäume, die Straße, welche steh in einem weißen Schlan¬
genstreif durch die grüne Flur hinzog, wurde, durch kein Wagengeknarr belebt,
die vieleir Fußwege welche die Wiese in alle» Richtungen durchschnitten, waren von
Mensch und Thier verlassen, kein Wanderer betrat die vom Bürgerkriege heim¬
gesuchte Gegend; die Bewohner- dieser Berge standen in den Reihen der Kämpfer
auf der einen oder andern Seite, oder warteten in ihren Hütten versteckt den
Ausgang deö Kampfes ab, und selbst die abgemähten Kornfelder, die vergebens
auf die Herbstbestellung geharret halte», schiene» heute in melancholischer Ruhe
zu erwarte», daß sie bald i» el» trauriges Schlachtfeld verwandelt werden sollten.
Ich lag hingestreckt an die Wurzeln, einer Bachweide, als eine kräftige Stimme
hinter mir ein wohltönendes „,>u mal»«>>," das „guten Tag" der Magyaren hören
ließ; ich wendete mein Gesicht und sah einen jungen Mann mit einnehmenden
Gesichtszügen, blondem Backen- und Schnurrbart, langem fliegenden Haar,
in einem bnrschit'osen Iagdanzuge, eine schöne, in der Sonne glänzende Doppel¬
büchse auf der Schulter. Er schritt auf einem der Fußwege vou dem jenseitigen
User des Baches daher, und grüßte im Vorbeigehen nach den Offizieröwagen —
dem improvisirten Hauptquartier — wie es schien, ohne sich aufhalten zu wollen.
Mein Hauptmann, erstaunt wie nur alle, in dieser stockslavischen Gegend das ma¬
gyarische Idiom so rein sprechen zu hören, und »och dazu von einem Mann, der
nicht in unsern Reihen stand, erwiederte mit einem herzlichen „ucljon l^kam."
„geb's Gott," und rief deu Fremden in derselben Sprache nach: „Woher des
Weges, Lattdsman»?" Der Mann kehrte um, schien anfangs etwas zerstreut,
erwiederte aber bald uach vieler Leichtigkeit: „Ich bin aus dem Dorfe Sipkov;
heute früh ging ich aus um mir einen Braten auf den Sonntag zu holen, aber
selbst die Hasen, diesem Worte gab er eine eigenthümliche Betonung,, scheinen
jei)t zu einem Volksbewußtsein gekommen zu sein, und irgendwo geheime Ver¬
sammlungen zu halten; es will keiner in meine Schußweite kommen". Wir lach¬
ten und warfen ihm gutmüthige Scherze zu. Nur »kein Haupt»kann, ein eifriger
Patriot, war mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden, und doch um eine Fort-


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[0146] Nil dem gegen Brezova gelegene» Ende deö Dorfes verlieren sich die beiden Flnßmauern; eine weile Wiese umgibt den Bach und erhebt sich erst dort hinten in ziemlicher Entfernung zur Hochebene; die Aussicht endigt mit vorspringenden Baumgruppen, welche den Ausgang.großer Waldungen bilden. Die Wiese selbst ist von einzelnen Bachweiden und Holzbirnbäumen übersäet, die den müden Wan¬ derer in ihren erquickenden Schatten einladen. Hier schlugen wir am linken Ufer deö Baches unser La,ger auf; jeder holte von seinem Wagen den bausbackigen Mantelsack und wohlgefnlte i^ultoivl, die hölzerne Weinflasche, um sich nach Sol¬ datenweise gütlich zu thun. Die feierliche Stille in der umgebenden Natur wurde nnr von den Bewegungen unserer Kinnladen und manchem in der Begeisterung aufgerufenen ,Mon u,'t,u«it, 6>M> Ko»suU>" unterbrochen, denu kein Lüftchen bewegte die Blatter der Bäume, die Straße, welche steh in einem weißen Schlan¬ genstreif durch die grüne Flur hinzog, wurde, durch kein Wagengeknarr belebt, die vieleir Fußwege welche die Wiese in alle» Richtungen durchschnitten, waren von Mensch und Thier verlassen, kein Wanderer betrat die vom Bürgerkriege heim¬ gesuchte Gegend; die Bewohner- dieser Berge standen in den Reihen der Kämpfer auf der einen oder andern Seite, oder warteten in ihren Hütten versteckt den Ausgang deö Kampfes ab, und selbst die abgemähten Kornfelder, die vergebens auf die Herbstbestellung geharret halte», schiene» heute in melancholischer Ruhe zu erwarte», daß sie bald i» el» trauriges Schlachtfeld verwandelt werden sollten. Ich lag hingestreckt an die Wurzeln, einer Bachweide, als eine kräftige Stimme hinter mir ein wohltönendes „,>u mal»«>>," das „guten Tag" der Magyaren hören ließ; ich wendete mein Gesicht und sah einen jungen Mann mit einnehmenden Gesichtszügen, blondem Backen- und Schnurrbart, langem fliegenden Haar, in einem bnrschit'osen Iagdanzuge, eine schöne, in der Sonne glänzende Doppel¬ büchse auf der Schulter. Er schritt auf einem der Fußwege vou dem jenseitigen User des Baches daher, und grüßte im Vorbeigehen nach den Offizieröwagen — dem improvisirten Hauptquartier — wie es schien, ohne sich aufhalten zu wollen. Mein Hauptmann, erstaunt wie nur alle, in dieser stockslavischen Gegend das ma¬ gyarische Idiom so rein sprechen zu hören, und »och dazu von einem Mann, der nicht in unsern Reihen stand, erwiederte mit einem herzlichen „ucljon l^kam." „geb's Gott," und rief deu Fremden in derselben Sprache nach: „Woher des Weges, Lattdsman»?" Der Mann kehrte um, schien anfangs etwas zerstreut, erwiederte aber bald uach vieler Leichtigkeit: „Ich bin aus dem Dorfe Sipkov; heute früh ging ich aus um mir einen Braten auf den Sonntag zu holen, aber selbst die Hasen, diesem Worte gab er eine eigenthümliche Betonung,, scheinen jei)t zu einem Volksbewußtsein gekommen zu sein, und irgendwo geheime Ver¬ sammlungen zu halten; es will keiner in meine Schußweite kommen". Wir lach¬ ten und warfen ihm gutmüthige Scherze zu. Nur »kein Haupt»kann, ein eifriger Patriot, war mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden, und doch um eine Fort-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/146>, abgerufen am 25.08.2024.