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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Mörder gegen ihn auszogen und als Bekehrte ihm zu Füßen sanken, wie Omar.
Niemand, den er einmal gewonnen, wird in seiner Treue wankend; und wie sein
Weib die erste auf den Koran schwur, so machen die Weiber überall die feurigste
Propaganda für ihn. Erst nachdem seine Feinde ihn gezwungen haben, sein Le¬
ben durch die Flucht ans Mekka zu retten, läßt er sich von der kleinen Apostel-
schaar, die ihn in die Wüste begleitet und die kein besseres Argument als Schwert
und Lanze kennt, zum heiligen Glaubenskrieg, d. h. zu Razzias gegen die Kara-
vanen ungläubiger Stämme bereden. Er selbst schwingt keine Waffe, sondern
läßt seine Apostelbeduinen für sich streiten und Beute machen; in der Entschei¬
dungsschlacht bei, Beter spielt er die Rolle Mosis und betet zu Allah, der auch
durch ein Wunder seinem Heere den Sieg über die Uebermacht der Feinde ver¬
schafft. Trinmphirend zieht er in seine Vaterstadt Mekka ein und amnestirt
die blutdürstigsten Widersacher seiner Person und seines Korans. Der Fanatis¬
mus gegen die Zweifler an seiner Unfehlbarkeit, die drakonische Strenge, mit wel¬
cher Moses religiöse Sünden bestrafte, ist ihm völlig fremd. Freilich eifern seine
Getreuen desto summarischer für ihn. Ein Araber hatte einen Streit mit einem
Juden und wandte sich, zur Schlichtung des Handels, an Mohamed. Dieser
entschied zu Gunsten des Juden, und der Araber, wüthend über diesen Ausspruch,
appellirt an Omar, von dessen Haß gegen den Stamm Israels er eine entschie¬
dene Parteinahme für sich erwartet. Wie? ruft Omar; wagt Jemand dem Wort
des Propheten zu widerspreche!!? und schlägt dem Klagenden ohne Weiteres den
Kopf ab. Bezeichnend ist Mohamed's Benehmen gegen Abdallah Ihr Saat, ei¬
nen tapfern und witzigen jungen Araber, der nach seiner Bekehrung Sekretär des
Propheten, dann aber zum Renegaten und Verräther an ihm geworden war.
Da er den Auftrag hatte, den Koran mehrmals abzuschreiben, benutzte er diese
Gelegenheit, um in der heiligen Schrift Fälschungen anzubringen, dnrch die sie
lächerlich werden mußte, und außerdem die boshaftesten Pasquille auf Mohamed
und seine Religion zu verbreiten. Als der Prophet wieder in Mekka thronte,
siel ihm der abtrünnige Abdallah zu Füßen nud bat um Gnade. Gewiß konnte
es.in den Augen der Gläubigen keinen schwärzeren Verbrecher geben als Abdal¬
lah. Mohamed sah eine Weile schweigend ans ihn nieder; er erwartete, daß
Jemand aus seinem Gefolge nngehei^en das Haupt deS Sünders vom Rumpfe
hauen und ihn der Nothwendigkeit, ein hartes Wort zu sprechen, überheben
würde. Als dies nicht geschah, amuestirte er auch Abdallah, der fortan ein guter
Muselmann blieb. -- Groß war bei den Arabern der Einfluß des Wortes, Red¬
ner und Dichter standen in fürstlichem Ansehen. Die Verse Amru's thaten dem
Propheten in den ersten zwölf Jahren seiner Sendung größeren Schaden als alle
Verfolgungen seines Stammes; der junge Dichter bekehrte sich aber zuletzt, und
dieses Ereigniß hielt Mohamed für wichtiger als eine gewonnene Feldschlacht oder
als die freiwillige Unterwerfung eines ganzen Volkes.


Mörder gegen ihn auszogen und als Bekehrte ihm zu Füßen sanken, wie Omar.
Niemand, den er einmal gewonnen, wird in seiner Treue wankend; und wie sein
Weib die erste auf den Koran schwur, so machen die Weiber überall die feurigste
Propaganda für ihn. Erst nachdem seine Feinde ihn gezwungen haben, sein Le¬
ben durch die Flucht ans Mekka zu retten, läßt er sich von der kleinen Apostel-
schaar, die ihn in die Wüste begleitet und die kein besseres Argument als Schwert
und Lanze kennt, zum heiligen Glaubenskrieg, d. h. zu Razzias gegen die Kara-
vanen ungläubiger Stämme bereden. Er selbst schwingt keine Waffe, sondern
läßt seine Apostelbeduinen für sich streiten und Beute machen; in der Entschei¬
dungsschlacht bei, Beter spielt er die Rolle Mosis und betet zu Allah, der auch
durch ein Wunder seinem Heere den Sieg über die Uebermacht der Feinde ver¬
schafft. Trinmphirend zieht er in seine Vaterstadt Mekka ein und amnestirt
die blutdürstigsten Widersacher seiner Person und seines Korans. Der Fanatis¬
mus gegen die Zweifler an seiner Unfehlbarkeit, die drakonische Strenge, mit wel¬
cher Moses religiöse Sünden bestrafte, ist ihm völlig fremd. Freilich eifern seine
Getreuen desto summarischer für ihn. Ein Araber hatte einen Streit mit einem
Juden und wandte sich, zur Schlichtung des Handels, an Mohamed. Dieser
entschied zu Gunsten des Juden, und der Araber, wüthend über diesen Ausspruch,
appellirt an Omar, von dessen Haß gegen den Stamm Israels er eine entschie¬
dene Parteinahme für sich erwartet. Wie? ruft Omar; wagt Jemand dem Wort
des Propheten zu widerspreche!!? und schlägt dem Klagenden ohne Weiteres den
Kopf ab. Bezeichnend ist Mohamed's Benehmen gegen Abdallah Ihr Saat, ei¬
nen tapfern und witzigen jungen Araber, der nach seiner Bekehrung Sekretär des
Propheten, dann aber zum Renegaten und Verräther an ihm geworden war.
Da er den Auftrag hatte, den Koran mehrmals abzuschreiben, benutzte er diese
Gelegenheit, um in der heiligen Schrift Fälschungen anzubringen, dnrch die sie
lächerlich werden mußte, und außerdem die boshaftesten Pasquille auf Mohamed
und seine Religion zu verbreiten. Als der Prophet wieder in Mekka thronte,
siel ihm der abtrünnige Abdallah zu Füßen nud bat um Gnade. Gewiß konnte
es.in den Augen der Gläubigen keinen schwärzeren Verbrecher geben als Abdal¬
lah. Mohamed sah eine Weile schweigend ans ihn nieder; er erwartete, daß
Jemand aus seinem Gefolge nngehei^en das Haupt deS Sünders vom Rumpfe
hauen und ihn der Nothwendigkeit, ein hartes Wort zu sprechen, überheben
würde. Als dies nicht geschah, amuestirte er auch Abdallah, der fortan ein guter
Muselmann blieb. — Groß war bei den Arabern der Einfluß des Wortes, Red¬
ner und Dichter standen in fürstlichem Ansehen. Die Verse Amru's thaten dem
Propheten in den ersten zwölf Jahren seiner Sendung größeren Schaden als alle
Verfolgungen seines Stammes; der junge Dichter bekehrte sich aber zuletzt, und
dieses Ereigniß hielt Mohamed für wichtiger als eine gewonnene Feldschlacht oder
als die freiwillige Unterwerfung eines ganzen Volkes.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/100>, abgerufen am 03.07.2024.