Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.der Geschäfte, während die Blüthe des profitabel,: Fabrikatenhandels aus der Eben so wenig Einfluß haben die Bürger der kleinen Städte auf den Handel. der Geschäfte, während die Blüthe des profitabel,: Fabrikatenhandels aus der Eben so wenig Einfluß haben die Bürger der kleinen Städte auf den Handel. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280054"/> <p xml:id="ID_1743" prev="#ID_1742"> der Geschäfte, während die Blüthe des profitabel,: Fabrikatenhandels aus der<lb/> Fäulniß aufschießt, welche die privilegirten Classen des Czarenreichs ergriffen hat.<lb/> Obgleich nämlich der Waarenverbrauch in Rußland, wie schon aus den hohen<lb/> Preisen der Fabrikate hervorgeht, durchaus nicht in eutsprcchcndeiu Verhältniß zur<lb/> Production steht, obgleich der Bedarf ungleich größer ist als die Mittel zur Be¬<lb/> friedigung reichen, so sind doch drei Viertel der Volksmenge keine Abnehmer für<lb/> irgend eine Fabrikwaare. Der russische Bauer betritt nie die Schwelle eines Han¬<lb/> delshauses, es wäre denn um Reszytilowkaer Pelzjacken, einen Staat, dessen we¬<lb/> nigstens jeder Bräutigam bedarf, zu kaufen. Die Bedürfnisse des Bauers in<lb/> Rußland sind ungemein gering. Seine Kleidung ist gewöhnlich vom Rohstoff an<lb/> sein eigenes Manusaet. Die Frauen schneiden, rösten, brechen, hecheln und spin¬<lb/> nen den Flachs oder Hanf, weben nicht selteu selbst die Leinwand und näher,<lb/> unbekümmert um die Art des Sitzes ihre Röcke, Hemden in.; die Männer passen<lb/> selbst den Pelz ihrem Körper an, welchen sie dem Schafe vom Leibe gezogen<lb/> haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1744" next="#ID_1745"> Eben so wenig Einfluß haben die Bürger der kleinen Städte auf den Handel.<lb/> Sie sind in ihrer Lebensweise vollkommene Bauern. Der Waarenverkanf wird<lb/> daher fast nur durch den Adel, Beamtenstand und die Bürgerschaft der Meßplätze<lb/> und anderer großen Städte, in welchen sich ein stehender Handel befindet, be¬<lb/> wirkt. Aber das Bedürfniß dieses Theils der Bevölkerung ist auch sehr groß.<lb/> Jedem einzelnen Individuum dieser Classen wohnt die Meinung inne, daß die<lb/> russische Nation zu den gebildeten und hochangesehenen Völkern gerechnet werde und<lb/> mau fühlt die dringende Verpflichtung, als gebildeter feiner Mensch zu erscheinen.<lb/> Sitte und Wissenschaft sind aber sehr unbequem, daher begnügt man sich mit einer<lb/> äußerlich stattlichen Einrichtung. Und deshalb sind die „gebildeten" Russen aus<lb/> der patriarchalischen Einfachheit früherer Zeit in eine abgeschmackte Prunksucht<lb/> verfallen. Der russische Edelmann geht nicht mehr vor das Haus an deu Bach,<lb/> oder den Teich um sich zu waschen, er braucht dafür einen Badeapparat in einem<lb/> besonders dazu eingerichteten Seitenzimmer; er weiß wie verächtlich es ist, bei<lb/> der Flamme eines mit Talg übergossenen Spahns zu sitzen, er kauft eine Pariser<lb/> Broncelampe auf seinen Tisch; er ist hinaus über die alten Sessel aus geflochtenen<lb/> Weidenruthen und die Tische von Fichtenholz, deren Füße mit eisernen Nägeln<lb/> am Tischblatte befestigt oder pfahlartig in die Dielen eingeschlagen sind, er muß<lb/> Odessaer oder Petersburger Meubel haben. Er kommt auf „den Contracten" in<lb/> eine Niederlage von Kronleuchtern, er fragt: „Was sind dies für Dinge, wozu<lb/> werden sie gebraucht?" — „Kronleuchter, gnädiger Herr, in Deutschland, Frank¬<lb/> reich und andern Gegenden des Auslandes liebt man es, die Säle damit zu er¬<lb/> leuchten." — „El was? sie stammen also ans Frankreich?" — „Allerdings!" —<lb/> „O so sagen Sie, kann man nicht auch Zimmer damit erleuchten?" - „Warum<lb/> nicht, sie brennen allenthalben." — l) <alvi-<>^a, o sehr schön! also, hin, ich habe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
der Geschäfte, während die Blüthe des profitabel,: Fabrikatenhandels aus der
Fäulniß aufschießt, welche die privilegirten Classen des Czarenreichs ergriffen hat.
Obgleich nämlich der Waarenverbrauch in Rußland, wie schon aus den hohen
Preisen der Fabrikate hervorgeht, durchaus nicht in eutsprcchcndeiu Verhältniß zur
Production steht, obgleich der Bedarf ungleich größer ist als die Mittel zur Be¬
friedigung reichen, so sind doch drei Viertel der Volksmenge keine Abnehmer für
irgend eine Fabrikwaare. Der russische Bauer betritt nie die Schwelle eines Han¬
delshauses, es wäre denn um Reszytilowkaer Pelzjacken, einen Staat, dessen we¬
nigstens jeder Bräutigam bedarf, zu kaufen. Die Bedürfnisse des Bauers in
Rußland sind ungemein gering. Seine Kleidung ist gewöhnlich vom Rohstoff an
sein eigenes Manusaet. Die Frauen schneiden, rösten, brechen, hecheln und spin¬
nen den Flachs oder Hanf, weben nicht selteu selbst die Leinwand und näher,
unbekümmert um die Art des Sitzes ihre Röcke, Hemden in.; die Männer passen
selbst den Pelz ihrem Körper an, welchen sie dem Schafe vom Leibe gezogen
haben.
Eben so wenig Einfluß haben die Bürger der kleinen Städte auf den Handel.
Sie sind in ihrer Lebensweise vollkommene Bauern. Der Waarenverkanf wird
daher fast nur durch den Adel, Beamtenstand und die Bürgerschaft der Meßplätze
und anderer großen Städte, in welchen sich ein stehender Handel befindet, be¬
wirkt. Aber das Bedürfniß dieses Theils der Bevölkerung ist auch sehr groß.
Jedem einzelnen Individuum dieser Classen wohnt die Meinung inne, daß die
russische Nation zu den gebildeten und hochangesehenen Völkern gerechnet werde und
mau fühlt die dringende Verpflichtung, als gebildeter feiner Mensch zu erscheinen.
Sitte und Wissenschaft sind aber sehr unbequem, daher begnügt man sich mit einer
äußerlich stattlichen Einrichtung. Und deshalb sind die „gebildeten" Russen aus
der patriarchalischen Einfachheit früherer Zeit in eine abgeschmackte Prunksucht
verfallen. Der russische Edelmann geht nicht mehr vor das Haus an deu Bach,
oder den Teich um sich zu waschen, er braucht dafür einen Badeapparat in einem
besonders dazu eingerichteten Seitenzimmer; er weiß wie verächtlich es ist, bei
der Flamme eines mit Talg übergossenen Spahns zu sitzen, er kauft eine Pariser
Broncelampe auf seinen Tisch; er ist hinaus über die alten Sessel aus geflochtenen
Weidenruthen und die Tische von Fichtenholz, deren Füße mit eisernen Nägeln
am Tischblatte befestigt oder pfahlartig in die Dielen eingeschlagen sind, er muß
Odessaer oder Petersburger Meubel haben. Er kommt auf „den Contracten" in
eine Niederlage von Kronleuchtern, er fragt: „Was sind dies für Dinge, wozu
werden sie gebraucht?" — „Kronleuchter, gnädiger Herr, in Deutschland, Frank¬
reich und andern Gegenden des Auslandes liebt man es, die Säle damit zu er¬
leuchten." — „El was? sie stammen also ans Frankreich?" — „Allerdings!" —
„O so sagen Sie, kann man nicht auch Zimmer damit erleuchten?" - „Warum
nicht, sie brennen allenthalben." — l) <alvi-<>^a, o sehr schön! also, hin, ich habe
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