Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.ein, zwei, drei, vier, ich habe in meinem Palaste zehn Zimmer, packen Sie mir Der Edelmann preis't sich glücklich, einen so leuchtenden Bestandtheil der deut¬ Man halte diese Schilderung nicht für übertrieben. Die üppige, noch so ju- Jenes Beispiel erklärt das oft bewunderte Glück, welches Deutschen in, Ru߬ *) Bei einem Mittagsmahl unfern Kiew fand ich auf der Tafel eine Plate menage, i"
welche": sich außer Weinessig und Meloncnessig sechzehn verschiedene Gewürze, vielerlei Oel und Vanillebohnen befanden. Auf dem Puddingkuchen, der das dritte Gericht bildete, befand sich oben als Schanze aufgeworfen ein fingerdicker Kreis von Ingwer, darin ein zweiter Ring von Iimmct, darin ein dritter von Zucker und in der Mitte ein vierter von irgend einem andern teuflischen Gewürz. Die Räume zwischen diesen Kreisen waren mit eingestochenen Gewürz¬ nelken wie mit spanischen Reitern verpallisadirt, und in der Mitte der Festung lag unzugänglich das Kastell, eine große hohle Citronatschalc. ein, zwei, drei, vier, ich habe in meinem Palaste zehn Zimmer, packen Sie mir Der Edelmann preis't sich glücklich, einen so leuchtenden Bestandtheil der deut¬ Man halte diese Schilderung nicht für übertrieben. Die üppige, noch so ju- Jenes Beispiel erklärt das oft bewunderte Glück, welches Deutschen in, Ru߬ *) Bei einem Mittagsmahl unfern Kiew fand ich auf der Tafel eine Plate menage, i»
welche»: sich außer Weinessig und Meloncnessig sechzehn verschiedene Gewürze, vielerlei Oel und Vanillebohnen befanden. Auf dem Puddingkuchen, der das dritte Gericht bildete, befand sich oben als Schanze aufgeworfen ein fingerdicker Kreis von Ingwer, darin ein zweiter Ring von Iimmct, darin ein dritter von Zucker und in der Mitte ein vierter von irgend einem andern teuflischen Gewürz. Die Räume zwischen diesen Kreisen waren mit eingestochenen Gewürz¬ nelken wie mit spanischen Reitern verpallisadirt, und in der Mitte der Festung lag unzugänglich das Kastell, eine große hohle Citronatschalc. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280055"/> <p xml:id="ID_1745" prev="#ID_1744"> ein, zwei, drei, vier, ich habe in meinem Palaste zehn Zimmer, packen Sie mir<lb/> schleunigst' zehn solche Kronleuchter ein." — „Sehr wohl — aber jedes Stück<lb/> kostet neunhundert Rubel." — „So! ganz gut. Hier ist das Geld in Pamaschken"<lb/> (ein Papiergeld.) — „Ah, noch eine Frage, lieber Freund: Der Weg zum Zimmer<lb/> meiner Tochter führt durch die Küche — kaun man nicht auch in die Küche einen<lb/> solchen Kronleuchter hängen?" — „Wohl nicht gut, gnädiger Herr; wenigstens<lb/> in Deutschland und Frankreich kommt so etwas nicht vor." — „Es kommt in<lb/> Deutschland und Frankreich nicht vor — o das ist Schade. Und sagen Sie weiter:<lb/> könnten Sie mir nicht einen Mann auf meine Herrschaft schicken, der die zehn<lb/> Kronleuchter aufzuhängen versteht?" — „Das würde etwa nach Verlauf der Con-<lb/> tracte möglich sein — wie weit aber ist es zu Ihren Gütern?" — „Fünf und<lb/> dreißig Meilen, ich werde den Mann mit meinem eignen Geschirr abholen las-<lb/> sen." — „Gnädiger Herr, er wird etwa zehn Tage Zeit brauchen und für<lb/> jeden Tag nenn Rubel berechnen." — „El ganz wohl, ganz wohl! nein ich werde<lb/> ihn vier Wochen bei mir behalten, damit er so lange allabendlich das Brennen<lb/> der Kronleuchter beobachte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1746"> Der Edelmann preis't sich glücklich, einen so leuchtenden Bestandtheil der deut¬<lb/> schen und französischen Bildung erworben zu haben. Nach einer Etuude bringt<lb/> er seinen Schivager und mehrere gute Freunde in das Handelsgeschäft, jeder dieser<lb/> kauft für jedes seiner Zimmer einen Kronleuchter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1747"> Man halte diese Schilderung nicht für übertrieben. Die üppige, noch so ju-<lb/> gendliche Nationaleitelkeit und die thörichte Nachahmungssucht üben über die russischen<lb/> Edelleute eine wahrhafte Zaubermacht aus, und diese verbunden mit dem wirklich<lb/> stupiden Stolze beim Ankauf, bewirken den reißenden Absatz und den ungeheuern<lb/> Gewinn, deu der Kaufmann ans vielen Artikeln, besonders Luxusgegenständen,<lb/> zieht. SeU'se auf deu Materialhandcl übt das leidenschaftliche Bestreben, sich als<lb/> ein gebildeter Mensch in fremdländischen Gewohnheiten heimisch zu zeigen, Einfluß<lb/> aus, und nie haben sich die Materialhändler, die in Kleinrnßland Juden sind,<lb/> so wohl befunden als jetzt; zu zuweilen so sehr, daß man den Gaumen der Ge¬<lb/> nießenden bemitleiden muß^).</p><lb/> <p xml:id="ID_1748" next="#ID_1749"> Jenes Beispiel erklärt das oft bewunderte Glück, welches Deutschen in, Ru߬<lb/> land durch Fabrikimtcrnehmnugeu zu colossalem Reichthum verhalf. Denn die</p><lb/> <note xml:id="FID_34" place="foot"> *) Bei einem Mittagsmahl unfern Kiew fand ich auf der Tafel eine Plate menage, i»<lb/> welche»: sich außer Weinessig und Meloncnessig sechzehn verschiedene Gewürze, vielerlei Oel und<lb/> Vanillebohnen befanden. Auf dem Puddingkuchen, der das dritte Gericht bildete, befand sich<lb/> oben als Schanze aufgeworfen ein fingerdicker Kreis von Ingwer, darin ein zweiter Ring von<lb/> Iimmct, darin ein dritter von Zucker und in der Mitte ein vierter von irgend einem andern<lb/> teuflischen Gewürz. Die Räume zwischen diesen Kreisen waren mit eingestochenen Gewürz¬<lb/> nelken wie mit spanischen Reitern verpallisadirt, und in der Mitte der Festung lag unzugänglich<lb/> das Kastell, eine große hohle Citronatschalc.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
ein, zwei, drei, vier, ich habe in meinem Palaste zehn Zimmer, packen Sie mir
schleunigst' zehn solche Kronleuchter ein." — „Sehr wohl — aber jedes Stück
kostet neunhundert Rubel." — „So! ganz gut. Hier ist das Geld in Pamaschken"
(ein Papiergeld.) — „Ah, noch eine Frage, lieber Freund: Der Weg zum Zimmer
meiner Tochter führt durch die Küche — kaun man nicht auch in die Küche einen
solchen Kronleuchter hängen?" — „Wohl nicht gut, gnädiger Herr; wenigstens
in Deutschland und Frankreich kommt so etwas nicht vor." — „Es kommt in
Deutschland und Frankreich nicht vor — o das ist Schade. Und sagen Sie weiter:
könnten Sie mir nicht einen Mann auf meine Herrschaft schicken, der die zehn
Kronleuchter aufzuhängen versteht?" — „Das würde etwa nach Verlauf der Con-
tracte möglich sein — wie weit aber ist es zu Ihren Gütern?" — „Fünf und
dreißig Meilen, ich werde den Mann mit meinem eignen Geschirr abholen las-
sen." — „Gnädiger Herr, er wird etwa zehn Tage Zeit brauchen und für
jeden Tag nenn Rubel berechnen." — „El ganz wohl, ganz wohl! nein ich werde
ihn vier Wochen bei mir behalten, damit er so lange allabendlich das Brennen
der Kronleuchter beobachte."
Der Edelmann preis't sich glücklich, einen so leuchtenden Bestandtheil der deut¬
schen und französischen Bildung erworben zu haben. Nach einer Etuude bringt
er seinen Schivager und mehrere gute Freunde in das Handelsgeschäft, jeder dieser
kauft für jedes seiner Zimmer einen Kronleuchter.
Man halte diese Schilderung nicht für übertrieben. Die üppige, noch so ju-
gendliche Nationaleitelkeit und die thörichte Nachahmungssucht üben über die russischen
Edelleute eine wahrhafte Zaubermacht aus, und diese verbunden mit dem wirklich
stupiden Stolze beim Ankauf, bewirken den reißenden Absatz und den ungeheuern
Gewinn, deu der Kaufmann ans vielen Artikeln, besonders Luxusgegenständen,
zieht. SeU'se auf deu Materialhandcl übt das leidenschaftliche Bestreben, sich als
ein gebildeter Mensch in fremdländischen Gewohnheiten heimisch zu zeigen, Einfluß
aus, und nie haben sich die Materialhändler, die in Kleinrnßland Juden sind,
so wohl befunden als jetzt; zu zuweilen so sehr, daß man den Gaumen der Ge¬
nießenden bemitleiden muß^).
Jenes Beispiel erklärt das oft bewunderte Glück, welches Deutschen in, Ru߬
land durch Fabrikimtcrnehmnugeu zu colossalem Reichthum verhalf. Denn die
*) Bei einem Mittagsmahl unfern Kiew fand ich auf der Tafel eine Plate menage, i»
welche»: sich außer Weinessig und Meloncnessig sechzehn verschiedene Gewürze, vielerlei Oel und
Vanillebohnen befanden. Auf dem Puddingkuchen, der das dritte Gericht bildete, befand sich
oben als Schanze aufgeworfen ein fingerdicker Kreis von Ingwer, darin ein zweiter Ring von
Iimmct, darin ein dritter von Zucker und in der Mitte ein vierter von irgend einem andern
teuflischen Gewürz. Die Räume zwischen diesen Kreisen waren mit eingestochenen Gewürz¬
nelken wie mit spanischen Reitern verpallisadirt, und in der Mitte der Festung lag unzugänglich
das Kastell, eine große hohle Citronatschalc.
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