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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Gesänge zu bezaubcr". -- Sie sind ein Schmeichler, Doctor; "0, ich reise nicht
nach Wien, nur "ach Reiße bei Bring, wo man mich erwartet. Die Wiener
haben Geschmack an Musik verloren, der Kanonendonner und die Flintenschüsse
haben betäubt ihre Ohre", die Wiener sind jetzt schlechte Musikanten. -- Also
doch gute Bürger, dachte ich bei mir, sagte aber laut: Sie haben also Wien in
der Letztzcit besucht und keine vollen Häuser gehabt? -- Ko, Kir, ich habe
Briefe von meinen iriLiul" in Wien erhalten, sie schreiben, die große "Kaiser-
stadt sehe aus wie ein großes Haus mit Soldaten, ^ bim-adel > und die
gemüthlichen Wiener wären ganz ans Art geschlagen und sprechen jetzt nur von
Ungarn und Politik, und schimpfen auf die Russen sehr disharmonisch. --
Da müssen aber Ihre Landsleute keine Ader von der Mustk haben, Miß, denn
die beschäftigen sich schon seit gar lange mit der Politik. -- Hin, das ist aber
ello in-edler of ki.et. Wir haben für Alles eine bestimmte Zeit, wir können Alles
thun, uns für Alles interessiren, ohne aufzuhören wir selbst zu sein. June, is,
tuo Lu^Iisnmim ist ein reifer, besonnener Mann, der Wiener bleibt illo-^s ein
unmündiges Kind.

Ich wurde mäuschenstille und betrachtete mit Achtung das freundliche,
volle Gesicht meiner Gesellschafterin, die mich so verständig anlächelte und dabei
eine so schöne Reihe weißer, gesunder Zähne zeigte, wobei mir, ich weiß nicht
warum, grade jetzt einfiel, irgendwo gelesen zu haben, daß gesunde, feste Zähne
als Beweis für das Borherrschen des Verstandes über das Gemüth gelten. Ich
wollte jedes weitere Gespräch vermeiden, ich bin kein Freund von allzu klugen
Frauen, und drückte mich in einen Winkel, um mit geschlossenen Augen an das
geliebte Wien zu denken.

Und ich wandelte im Geist in den Prater, auf die Basteien, um die hohe
Kirche Se. Stephan. Aber ein böser Traumgeist kam über mich, wie sich meine
Augen schlössen; den Prater fand ich voll von Nothmäntlern, auf den Basteien
nichts als Kroate", um die Kirche Se. Stephan ginge" Kuica"i"'s Freischärler
i" gelbe" Paiitvffel", die Hand am Malaga". Nothmäittler, Kroaten und Ser¬
ben zeigten lachend ihre große", blanken, gesunden Zähne und fragten: Was
meinst Du, kluger Wandrer; seit wir hier siud, was waltet vor i" Wien: Ver¬
stand oder Gemüth? --




Gesänge zu bezaubcr». — Sie sind ein Schmeichler, Doctor; »0, ich reise nicht
nach Wien, nur »ach Reiße bei Bring, wo man mich erwartet. Die Wiener
haben Geschmack an Musik verloren, der Kanonendonner und die Flintenschüsse
haben betäubt ihre Ohre«, die Wiener sind jetzt schlechte Musikanten. -- Also
doch gute Bürger, dachte ich bei mir, sagte aber laut: Sie haben also Wien in
der Letztzcit besucht und keine vollen Häuser gehabt? — Ko, Kir, ich habe
Briefe von meinen iriLiul» in Wien erhalten, sie schreiben, die große "Kaiser-
stadt sehe aus wie ein großes Haus mit Soldaten, ^ bim-adel > und die
gemüthlichen Wiener wären ganz ans Art geschlagen und sprechen jetzt nur von
Ungarn und Politik, und schimpfen auf die Russen sehr disharmonisch. —
Da müssen aber Ihre Landsleute keine Ader von der Mustk haben, Miß, denn
die beschäftigen sich schon seit gar lange mit der Politik. — Hin, das ist aber
ello in-edler of ki.et. Wir haben für Alles eine bestimmte Zeit, wir können Alles
thun, uns für Alles interessiren, ohne aufzuhören wir selbst zu sein. June, is,
tuo Lu^Iisnmim ist ein reifer, besonnener Mann, der Wiener bleibt illo-^s ein
unmündiges Kind.

Ich wurde mäuschenstille und betrachtete mit Achtung das freundliche,
volle Gesicht meiner Gesellschafterin, die mich so verständig anlächelte und dabei
eine so schöne Reihe weißer, gesunder Zähne zeigte, wobei mir, ich weiß nicht
warum, grade jetzt einfiel, irgendwo gelesen zu haben, daß gesunde, feste Zähne
als Beweis für das Borherrschen des Verstandes über das Gemüth gelten. Ich
wollte jedes weitere Gespräch vermeiden, ich bin kein Freund von allzu klugen
Frauen, und drückte mich in einen Winkel, um mit geschlossenen Augen an das
geliebte Wien zu denken.

Und ich wandelte im Geist in den Prater, auf die Basteien, um die hohe
Kirche Se. Stephan. Aber ein böser Traumgeist kam über mich, wie sich meine
Augen schlössen; den Prater fand ich voll von Nothmäntlern, auf den Basteien
nichts als Kroate», um die Kirche Se. Stephan ginge» Kuica»i»'s Freischärler
i» gelbe» Paiitvffel», die Hand am Malaga». Nothmäittler, Kroaten und Ser¬
ben zeigten lachend ihre große», blanken, gesunden Zähne und fragten: Was
meinst Du, kluger Wandrer; seit wir hier siud, was waltet vor i» Wien: Ver¬
stand oder Gemüth? —




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[0445] Gesänge zu bezaubcr». — Sie sind ein Schmeichler, Doctor; »0, ich reise nicht nach Wien, nur »ach Reiße bei Bring, wo man mich erwartet. Die Wiener haben Geschmack an Musik verloren, der Kanonendonner und die Flintenschüsse haben betäubt ihre Ohre«, die Wiener sind jetzt schlechte Musikanten. -- Also doch gute Bürger, dachte ich bei mir, sagte aber laut: Sie haben also Wien in der Letztzcit besucht und keine vollen Häuser gehabt? — Ko, Kir, ich habe Briefe von meinen iriLiul» in Wien erhalten, sie schreiben, die große "Kaiser- stadt sehe aus wie ein großes Haus mit Soldaten, ^ bim-adel > und die gemüthlichen Wiener wären ganz ans Art geschlagen und sprechen jetzt nur von Ungarn und Politik, und schimpfen auf die Russen sehr disharmonisch. — Da müssen aber Ihre Landsleute keine Ader von der Mustk haben, Miß, denn die beschäftigen sich schon seit gar lange mit der Politik. — Hin, das ist aber ello in-edler of ki.et. Wir haben für Alles eine bestimmte Zeit, wir können Alles thun, uns für Alles interessiren, ohne aufzuhören wir selbst zu sein. June, is, tuo Lu^Iisnmim ist ein reifer, besonnener Mann, der Wiener bleibt illo-^s ein unmündiges Kind. Ich wurde mäuschenstille und betrachtete mit Achtung das freundliche, volle Gesicht meiner Gesellschafterin, die mich so verständig anlächelte und dabei eine so schöne Reihe weißer, gesunder Zähne zeigte, wobei mir, ich weiß nicht warum, grade jetzt einfiel, irgendwo gelesen zu haben, daß gesunde, feste Zähne als Beweis für das Borherrschen des Verstandes über das Gemüth gelten. Ich wollte jedes weitere Gespräch vermeiden, ich bin kein Freund von allzu klugen Frauen, und drückte mich in einen Winkel, um mit geschlossenen Augen an das geliebte Wien zu denken. Und ich wandelte im Geist in den Prater, auf die Basteien, um die hohe Kirche Se. Stephan. Aber ein böser Traumgeist kam über mich, wie sich meine Augen schlössen; den Prater fand ich voll von Nothmäntlern, auf den Basteien nichts als Kroate», um die Kirche Se. Stephan ginge» Kuica»i»'s Freischärler i» gelbe» Paiitvffel», die Hand am Malaga». Nothmäittler, Kroaten und Ser¬ ben zeigten lachend ihre große», blanken, gesunden Zähne und fragten: Was meinst Du, kluger Wandrer; seit wir hier siud, was waltet vor i» Wien: Ver¬ stand oder Gemüth? —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/445>, abgerufen am 15.01.2025.