Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.Sehen Sie, meine Herrn, bemerkte eine schalkhafte Blondine, mit einer et¬ Ich bedauere, Ihnen auch diesen Zufluchtsort der Gleichheit zu rauben, er¬ Eine ganz aus Steinsalz gehauene Kapelle mit einem Christusbilde, der Mut¬ Von da an hatte sich die Feuchtigkeit verloren, die Wände waren trocken, die Sehen Sie, meine Herrn, bemerkte eine schalkhafte Blondine, mit einer et¬ Ich bedauere, Ihnen auch diesen Zufluchtsort der Gleichheit zu rauben, er¬ Eine ganz aus Steinsalz gehauene Kapelle mit einem Christusbilde, der Mut¬ Von da an hatte sich die Feuchtigkeit verloren, die Wände waren trocken, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0443" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279991"/> <p xml:id="ID_1555"> Sehen Sie, meine Herrn, bemerkte eine schalkhafte Blondine, mit einer et¬<lb/> was länglichen Nase, die, wie sie selbst sagte, ihr dazu diene, die menschlichen<lb/> Charaktere zu sondiren und ihre Beobachtungsgabe bedeutend unterstütze, hier<lb/> fallen alle Standesunterschiede weg, hier ist man noch unparteiischer als im Grabe.<lb/> Selbst uach dem Tode wird man in prächtige Gewänder gehüllt und auf deu mit<lb/> Sammet überzogenen Sarg dürfen das Wappen und die Orden nicht fehlen.<lb/> Hier bekömmt jeder einen schlichten Kittel und ein Grubenlicht, das in der schauer¬<lb/> lichen Tiefe die Größe der Natur und die menschliche Kleinheit beleuchtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> Ich bedauere, Ihnen auch diesen Zufluchtsort der Gleichheit zu rauben, er¬<lb/> widerte der Gras lächelnd. Sehen Sie diesen Schrank, aus dessen Glasthüren<lb/> Ihnen reiche Seidenstoffe zuwinken. Sie erzählen Ihnen dnrch meinen Mund,<lb/> daß sie gekrönten Häuptern und fürstlichen Personen beim Besuche der Salinen<lb/> als Mäntel gedient und zum Andenken hier aufbewahrt werden. Betrachten Sie<lb/> anch dieses dicke Buch. Es enthält die Namen aller Besucher des Bergwerkes<lb/> und es fehlt, wie Sie bemerken wollen, nicht an einer besondern Rubrik für<lb/> Stand, Rang oder Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1557"> Eine ganz aus Steinsalz gehauene Kapelle mit einem Christusbilde, der Mut¬<lb/> ter Gottes mit dem Jesuskinde, heiligen und knieenden Betern, alles aus Salz,<lb/> empfing uns zuerst, um uns die Weihe zu ertheilen, bevor wir die andern Wun¬<lb/> der in Augenschein nahmen. Sie brachte, von bengalischen Feuer beleuchtet, die<lb/> Katakomben der ersten Christen in Erinnerung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1558" next="#ID_1559"> Von da an hatte sich die Feuchtigkeit verloren, die Wände waren trocken, die<lb/> Stufen in Salz gehauen, die Decke eine mächtige Salzwölbung, deren Kristalle wie<lb/> Sterne funkelten. Wir stiegen vonSchacht zu Schacht und fanden eine Stadt mit Stra¬<lb/> ßen und Gassen, die, um auch hier der Erdeusitte treu zu bleiben, nach Kaisern und<lb/> Fürsten benannt siud. Es fehlt auch nicht an geräumigen Plätzen mit aus Steinsalz ge¬<lb/> hauenen Monumenten, ebenfalls wie auf der Oberwelt zum Andenken an einen<lb/> fürstlichen Besuch oder ein stattgefundcnes Ereigniß, das freilich hier keine blu¬<lb/> tigen Erinnerungen mit sich führt. Auch der Tand der Welt ist durch Tauzsäle<lb/> mit Gallerien vertreten, und wer weiß, ob nicht in der Mitternachtstnnde die<lb/> Geister der Salinen hier ihre half p-u-of geben oder gar demokratische Versamm¬<lb/> lungen halten, während in einem andern Schachte die Bergleute unbekümmert ob<lb/> der wüthenden Gnvmenrcdcn und deö beschlossenen passiven Widerstandes ihr Hab<lb/> und Gut, riesige Stcinsalzquaderu, ruhig in die Höhe fördern. Sogar die Prä-<lb/> tension eine Seemacht vorzustellen, fanden wir in dieser Tiefe des Kaiscrstaats.<lb/> Ein Salzsee und ein süßes Wasser ertheilen dem unterirdische» Reiche die volle<lb/> Berechtigung auf die Gründung einer Flotte bedacht zu seju, die gegenwärtig<lb/> allerdings erst in einer jungfräulichen Fähre besteht, die der des alten Charon nur<lb/> allzuähnlich ist. Doch das düstere Gewölbe, dessen Dunkelheit die wenigen Gru-<lb/> benlichter uoch mehr hervorhoben, das schwarze Wasser, aus dem die sich dar-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0443]
Sehen Sie, meine Herrn, bemerkte eine schalkhafte Blondine, mit einer et¬
was länglichen Nase, die, wie sie selbst sagte, ihr dazu diene, die menschlichen
Charaktere zu sondiren und ihre Beobachtungsgabe bedeutend unterstütze, hier
fallen alle Standesunterschiede weg, hier ist man noch unparteiischer als im Grabe.
Selbst uach dem Tode wird man in prächtige Gewänder gehüllt und auf deu mit
Sammet überzogenen Sarg dürfen das Wappen und die Orden nicht fehlen.
Hier bekömmt jeder einen schlichten Kittel und ein Grubenlicht, das in der schauer¬
lichen Tiefe die Größe der Natur und die menschliche Kleinheit beleuchtet.
Ich bedauere, Ihnen auch diesen Zufluchtsort der Gleichheit zu rauben, er¬
widerte der Gras lächelnd. Sehen Sie diesen Schrank, aus dessen Glasthüren
Ihnen reiche Seidenstoffe zuwinken. Sie erzählen Ihnen dnrch meinen Mund,
daß sie gekrönten Häuptern und fürstlichen Personen beim Besuche der Salinen
als Mäntel gedient und zum Andenken hier aufbewahrt werden. Betrachten Sie
anch dieses dicke Buch. Es enthält die Namen aller Besucher des Bergwerkes
und es fehlt, wie Sie bemerken wollen, nicht an einer besondern Rubrik für
Stand, Rang oder Charakter.
Eine ganz aus Steinsalz gehauene Kapelle mit einem Christusbilde, der Mut¬
ter Gottes mit dem Jesuskinde, heiligen und knieenden Betern, alles aus Salz,
empfing uns zuerst, um uns die Weihe zu ertheilen, bevor wir die andern Wun¬
der in Augenschein nahmen. Sie brachte, von bengalischen Feuer beleuchtet, die
Katakomben der ersten Christen in Erinnerung.
Von da an hatte sich die Feuchtigkeit verloren, die Wände waren trocken, die
Stufen in Salz gehauen, die Decke eine mächtige Salzwölbung, deren Kristalle wie
Sterne funkelten. Wir stiegen vonSchacht zu Schacht und fanden eine Stadt mit Stra¬
ßen und Gassen, die, um auch hier der Erdeusitte treu zu bleiben, nach Kaisern und
Fürsten benannt siud. Es fehlt auch nicht an geräumigen Plätzen mit aus Steinsalz ge¬
hauenen Monumenten, ebenfalls wie auf der Oberwelt zum Andenken an einen
fürstlichen Besuch oder ein stattgefundcnes Ereigniß, das freilich hier keine blu¬
tigen Erinnerungen mit sich führt. Auch der Tand der Welt ist durch Tauzsäle
mit Gallerien vertreten, und wer weiß, ob nicht in der Mitternachtstnnde die
Geister der Salinen hier ihre half p-u-of geben oder gar demokratische Versamm¬
lungen halten, während in einem andern Schachte die Bergleute unbekümmert ob
der wüthenden Gnvmenrcdcn und deö beschlossenen passiven Widerstandes ihr Hab
und Gut, riesige Stcinsalzquaderu, ruhig in die Höhe fördern. Sogar die Prä-
tension eine Seemacht vorzustellen, fanden wir in dieser Tiefe des Kaiscrstaats.
Ein Salzsee und ein süßes Wasser ertheilen dem unterirdische» Reiche die volle
Berechtigung auf die Gründung einer Flotte bedacht zu seju, die gegenwärtig
allerdings erst in einer jungfräulichen Fähre besteht, die der des alten Charon nur
allzuähnlich ist. Doch das düstere Gewölbe, dessen Dunkelheit die wenigen Gru-
benlichter uoch mehr hervorhoben, das schwarze Wasser, aus dem die sich dar-
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