Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

den, dem ersten Paragraphen der östreichischen Magna charta vom 4. März.
Hier, waren es aber die conservativen Philister, welche den Sieg davon trugen,
die Juden wurden nicht mit Eselskinubacken, Gott behüte uns vor solcher Ironie,
sondern nur durch einen obrigkeitlichen Erlaß zu den Schmutzkloakeu deö Kazi-
mir zurückgewiesen. Das Bestehende ist gerettet, und alle verschnupfte" Anti¬
quare siud hiemit eingeladen, auf dem intakten, vor schädlichen Neuerungen be¬
wahrten Boden ihre Forschungen fortzusetzen.

Krakau, glaube ich, ist noch nicht in Forsters Reisehandbuch durch Deutsch¬
land aufgenommen. Es war vielleicht, als die letzte Auflage erschien, non!; nicht
östreichisch und von einem Großdeutschland mit Masuren und Slovaken, Kroaten
und Pandureu war damals gewiß noch nicht die Rede. Ich könnte mir also ein
Verdienst um das Touristenvölkchen erwerben, wenn ich hier den Merkwürdigkei¬
ten Krakaus mit deutscher Gründlichkeit ein paar Seiten widmete, die Höhe des
Krakus- und KoszciuSkohügels anzugeben mich bemühte, dem alten
Schloß und dem Grabe Thaddens KoSzciuskos meine besondere Aufmerksamkeit
schenkte. Aber es gibt gewisse Dinge, vor denen ich einen gewaltigen Respect
habe. Darunter stehen Kanonenläufe, russische Umformen nud östreichische Poli¬
zeisoldaten oben an, denn die Ersten und Zweiten können, die Letzter" wollen
keine Vernunft annehmen. Ich entsagte daher mit leichtem Herzen dem weltlichen
Ruhme, um nur nicht mit all diesen überall aufgepflanzten unvernünftigen Dingen
in allzunahe Berührung zu kommen. Doch von einem Hauptbestandtheile Krakans
und Polens überhaupt muß ich sprechen, von dem polnischen Adel. Nur geht
es mir damit, wie dem reisenden, englischen Touristen, der in unserm Jahre des
Heils oder Unheils auf seiner Reise durch Italien Rom nicht berühren wollte,
damit man ihm nicht vorwerfe, ".I'-lveu' vtv a R"in" "im" von- le n-ep"'. Ich
habe mich in Krakau auf allen Straßen nach dem polnischen Adel umgesehen, aber
fast nur seine leeren Paläste gefunden. Der hochmüthige polnische Adel, der
Todfeind der Austriaken und Moskowiter, lebt auf seinen Gütern oder im Aus¬
lande, besonders in Dresden, für welche Stadt er eine besondere Vorliebe hat;
wahrscheinlich noch ein Ueberrest aus den Zeiten der sächsisch-polnischen Auguste,
welche die Magnaten an ihre glänzenden Hoflager zogen.

Wie kömmt's, daß die polnischen Edelleute jetzt so wenig in der Stadt woh¬
nen, frug ich einen jungen polnischen Grafen. Ich dächte, sie würden jetzt ihre
Salons öffnen und alle Klassen der Gesellschaft an sich ziehen, um sich einen An¬
hang zu schaffen, damit die Regierungspartei ihnen nicht über den Kopf
wachse. -- "Sie kennen unsern Adel nicht. Der bringt eher alles aus der Welt
als seine Exklusivität zinn Opfer. Er haßt die Oestreicher und Russen nicht
allein, weil sie Polen unterjochten, sondern weil sie ihm die Superiorität M
Lande raubten." -- Der polnische Adel hat sich in der Letztzeit doch zu demokra¬
tischen Gesinnungen bekannt. Wie lassen sich nun die mit einer so exklusiven


den, dem ersten Paragraphen der östreichischen Magna charta vom 4. März.
Hier, waren es aber die conservativen Philister, welche den Sieg davon trugen,
die Juden wurden nicht mit Eselskinubacken, Gott behüte uns vor solcher Ironie,
sondern nur durch einen obrigkeitlichen Erlaß zu den Schmutzkloakeu deö Kazi-
mir zurückgewiesen. Das Bestehende ist gerettet, und alle verschnupfte» Anti¬
quare siud hiemit eingeladen, auf dem intakten, vor schädlichen Neuerungen be¬
wahrten Boden ihre Forschungen fortzusetzen.

Krakau, glaube ich, ist noch nicht in Forsters Reisehandbuch durch Deutsch¬
land aufgenommen. Es war vielleicht, als die letzte Auflage erschien, non!; nicht
östreichisch und von einem Großdeutschland mit Masuren und Slovaken, Kroaten
und Pandureu war damals gewiß noch nicht die Rede. Ich könnte mir also ein
Verdienst um das Touristenvölkchen erwerben, wenn ich hier den Merkwürdigkei¬
ten Krakaus mit deutscher Gründlichkeit ein paar Seiten widmete, die Höhe des
Krakus- und KoszciuSkohügels anzugeben mich bemühte, dem alten
Schloß und dem Grabe Thaddens KoSzciuskos meine besondere Aufmerksamkeit
schenkte. Aber es gibt gewisse Dinge, vor denen ich einen gewaltigen Respect
habe. Darunter stehen Kanonenläufe, russische Umformen nud östreichische Poli¬
zeisoldaten oben an, denn die Ersten und Zweiten können, die Letzter» wollen
keine Vernunft annehmen. Ich entsagte daher mit leichtem Herzen dem weltlichen
Ruhme, um nur nicht mit all diesen überall aufgepflanzten unvernünftigen Dingen
in allzunahe Berührung zu kommen. Doch von einem Hauptbestandtheile Krakans
und Polens überhaupt muß ich sprechen, von dem polnischen Adel. Nur geht
es mir damit, wie dem reisenden, englischen Touristen, der in unserm Jahre des
Heils oder Unheils auf seiner Reise durch Italien Rom nicht berühren wollte,
damit man ihm nicht vorwerfe, «.I'-lveu' vtv a R»in« «im« von- le n-ep«'. Ich
habe mich in Krakau auf allen Straßen nach dem polnischen Adel umgesehen, aber
fast nur seine leeren Paläste gefunden. Der hochmüthige polnische Adel, der
Todfeind der Austriaken und Moskowiter, lebt auf seinen Gütern oder im Aus¬
lande, besonders in Dresden, für welche Stadt er eine besondere Vorliebe hat;
wahrscheinlich noch ein Ueberrest aus den Zeiten der sächsisch-polnischen Auguste,
welche die Magnaten an ihre glänzenden Hoflager zogen.

Wie kömmt's, daß die polnischen Edelleute jetzt so wenig in der Stadt woh¬
nen, frug ich einen jungen polnischen Grafen. Ich dächte, sie würden jetzt ihre
Salons öffnen und alle Klassen der Gesellschaft an sich ziehen, um sich einen An¬
hang zu schaffen, damit die Regierungspartei ihnen nicht über den Kopf
wachse. — „Sie kennen unsern Adel nicht. Der bringt eher alles aus der Welt
als seine Exklusivität zinn Opfer. Er haßt die Oestreicher und Russen nicht
allein, weil sie Polen unterjochten, sondern weil sie ihm die Superiorität M
Lande raubten." — Der polnische Adel hat sich in der Letztzeit doch zu demokra¬
tischen Gesinnungen bekannt. Wie lassen sich nun die mit einer so exklusiven


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279989"/>
            <p xml:id="ID_1546" prev="#ID_1545"> den, dem ersten Paragraphen der östreichischen Magna charta vom 4. März.<lb/>
Hier, waren es aber die conservativen Philister, welche den Sieg davon trugen,<lb/>
die Juden wurden nicht mit Eselskinubacken, Gott behüte uns vor solcher Ironie,<lb/>
sondern nur durch einen obrigkeitlichen Erlaß zu den Schmutzkloakeu deö Kazi-<lb/>
mir zurückgewiesen. Das Bestehende ist gerettet, und alle verschnupfte» Anti¬<lb/>
quare siud hiemit eingeladen, auf dem intakten, vor schädlichen Neuerungen be¬<lb/>
wahrten Boden ihre Forschungen fortzusetzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1547"> Krakau, glaube ich, ist noch nicht in Forsters Reisehandbuch durch Deutsch¬<lb/>
land aufgenommen. Es war vielleicht, als die letzte Auflage erschien, non!; nicht<lb/>
östreichisch und von einem Großdeutschland mit Masuren und Slovaken, Kroaten<lb/>
und Pandureu war damals gewiß noch nicht die Rede. Ich könnte mir also ein<lb/>
Verdienst um das Touristenvölkchen erwerben, wenn ich hier den Merkwürdigkei¬<lb/>
ten Krakaus mit deutscher Gründlichkeit ein paar Seiten widmete, die Höhe des<lb/>
Krakus- und KoszciuSkohügels anzugeben mich bemühte, dem alten<lb/>
Schloß und dem Grabe Thaddens KoSzciuskos meine besondere Aufmerksamkeit<lb/>
schenkte. Aber es gibt gewisse Dinge, vor denen ich einen gewaltigen Respect<lb/>
habe. Darunter stehen Kanonenläufe, russische Umformen nud östreichische Poli¬<lb/>
zeisoldaten oben an, denn die Ersten und Zweiten können, die Letzter» wollen<lb/>
keine Vernunft annehmen. Ich entsagte daher mit leichtem Herzen dem weltlichen<lb/>
Ruhme, um nur nicht mit all diesen überall aufgepflanzten unvernünftigen Dingen<lb/>
in allzunahe Berührung zu kommen. Doch von einem Hauptbestandtheile Krakans<lb/>
und Polens überhaupt muß ich sprechen, von dem polnischen Adel. Nur geht<lb/>
es mir damit, wie dem reisenden, englischen Touristen, der in unserm Jahre des<lb/>
Heils oder Unheils auf seiner Reise durch Italien Rom nicht berühren wollte,<lb/>
damit man ihm nicht vorwerfe, «.I'-lveu' vtv a R»in« «im« von- le n-ep«'. Ich<lb/>
habe mich in Krakau auf allen Straßen nach dem polnischen Adel umgesehen, aber<lb/>
fast nur seine leeren Paläste gefunden. Der hochmüthige polnische Adel, der<lb/>
Todfeind der Austriaken und Moskowiter, lebt auf seinen Gütern oder im Aus¬<lb/>
lande, besonders in Dresden, für welche Stadt er eine besondere Vorliebe hat;<lb/>
wahrscheinlich noch ein Ueberrest aus den Zeiten der sächsisch-polnischen Auguste,<lb/>
welche die Magnaten an ihre glänzenden Hoflager zogen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1548" next="#ID_1549"> Wie kömmt's, daß die polnischen Edelleute jetzt so wenig in der Stadt woh¬<lb/>
nen, frug ich einen jungen polnischen Grafen. Ich dächte, sie würden jetzt ihre<lb/>
Salons öffnen und alle Klassen der Gesellschaft an sich ziehen, um sich einen An¬<lb/>
hang zu schaffen, damit die Regierungspartei ihnen nicht über den Kopf<lb/>
wachse. &#x2014; &#x201E;Sie kennen unsern Adel nicht. Der bringt eher alles aus der Welt<lb/>
als seine Exklusivität zinn Opfer. Er haßt die Oestreicher und Russen nicht<lb/>
allein, weil sie Polen unterjochten, sondern weil sie ihm die Superiorität M<lb/>
Lande raubten." &#x2014; Der polnische Adel hat sich in der Letztzeit doch zu demokra¬<lb/>
tischen Gesinnungen bekannt.  Wie lassen sich nun die mit einer so exklusiven</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0441] den, dem ersten Paragraphen der östreichischen Magna charta vom 4. März. Hier, waren es aber die conservativen Philister, welche den Sieg davon trugen, die Juden wurden nicht mit Eselskinubacken, Gott behüte uns vor solcher Ironie, sondern nur durch einen obrigkeitlichen Erlaß zu den Schmutzkloakeu deö Kazi- mir zurückgewiesen. Das Bestehende ist gerettet, und alle verschnupfte» Anti¬ quare siud hiemit eingeladen, auf dem intakten, vor schädlichen Neuerungen be¬ wahrten Boden ihre Forschungen fortzusetzen. Krakau, glaube ich, ist noch nicht in Forsters Reisehandbuch durch Deutsch¬ land aufgenommen. Es war vielleicht, als die letzte Auflage erschien, non!; nicht östreichisch und von einem Großdeutschland mit Masuren und Slovaken, Kroaten und Pandureu war damals gewiß noch nicht die Rede. Ich könnte mir also ein Verdienst um das Touristenvölkchen erwerben, wenn ich hier den Merkwürdigkei¬ ten Krakaus mit deutscher Gründlichkeit ein paar Seiten widmete, die Höhe des Krakus- und KoszciuSkohügels anzugeben mich bemühte, dem alten Schloß und dem Grabe Thaddens KoSzciuskos meine besondere Aufmerksamkeit schenkte. Aber es gibt gewisse Dinge, vor denen ich einen gewaltigen Respect habe. Darunter stehen Kanonenläufe, russische Umformen nud östreichische Poli¬ zeisoldaten oben an, denn die Ersten und Zweiten können, die Letzter» wollen keine Vernunft annehmen. Ich entsagte daher mit leichtem Herzen dem weltlichen Ruhme, um nur nicht mit all diesen überall aufgepflanzten unvernünftigen Dingen in allzunahe Berührung zu kommen. Doch von einem Hauptbestandtheile Krakans und Polens überhaupt muß ich sprechen, von dem polnischen Adel. Nur geht es mir damit, wie dem reisenden, englischen Touristen, der in unserm Jahre des Heils oder Unheils auf seiner Reise durch Italien Rom nicht berühren wollte, damit man ihm nicht vorwerfe, «.I'-lveu' vtv a R»in« «im« von- le n-ep«'. Ich habe mich in Krakau auf allen Straßen nach dem polnischen Adel umgesehen, aber fast nur seine leeren Paläste gefunden. Der hochmüthige polnische Adel, der Todfeind der Austriaken und Moskowiter, lebt auf seinen Gütern oder im Aus¬ lande, besonders in Dresden, für welche Stadt er eine besondere Vorliebe hat; wahrscheinlich noch ein Ueberrest aus den Zeiten der sächsisch-polnischen Auguste, welche die Magnaten an ihre glänzenden Hoflager zogen. Wie kömmt's, daß die polnischen Edelleute jetzt so wenig in der Stadt woh¬ nen, frug ich einen jungen polnischen Grafen. Ich dächte, sie würden jetzt ihre Salons öffnen und alle Klassen der Gesellschaft an sich ziehen, um sich einen An¬ hang zu schaffen, damit die Regierungspartei ihnen nicht über den Kopf wachse. — „Sie kennen unsern Adel nicht. Der bringt eher alles aus der Welt als seine Exklusivität zinn Opfer. Er haßt die Oestreicher und Russen nicht allein, weil sie Polen unterjochten, sondern weil sie ihm die Superiorität M Lande raubten." — Der polnische Adel hat sich in der Letztzeit doch zu demokra¬ tischen Gesinnungen bekannt. Wie lassen sich nun die mit einer so exklusiven

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/441
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/441>, abgerufen am 15.01.2025.