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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Edelmann, ein Grundbesitzer, sich die Erlaubniß auswirken eine Jagdflinte zu
halten, so muß er erstens ein Zeugniß des Distriktscommissars (der gewöhnlich
ebenfalls ein Edelmann ist) dafür beibringen, daß sein Grundeigenthum groß
genug und die Jagd wegen der Raubthiere nothwendig ist, dieses Zeugniß muß
von dem Kommissar der Obwvdschast durch Unterschrift und Stempel bestätigt
sein; ferner ein Zeugniß des Criminal- und Preisgerichts, in welchem der Manu
als ein moralisch und politisch unbeflecktes Individuum dargestellt wird, dieses
Zeugniß soll von dem Gubernialgericht bestätigt sein; und drittens eine Beschei¬
nigung des Kriegsgubernators der Provinz, daß er (der Gubernator) ihm die Er-
laubniß ertheilt habe, beim Fürststatthalter um die Jagdflinte suppliciren zu dür¬
fen. Ist dieser fast unübersteigliche Damm vor der Kanzlei des Fürsten Paskie-
witsch überstiege", so hängt es noch durchaus von der Stimmung des Fürsten ab,
ob man seinen Zweck erreicht. Die Stimmung des Fürsten ist aber bei derglei¬
chen Anliegen gewöhnlich sehr schlecht. Nur die gelernten Jäger vom Gewerb er¬
halten die Erlaubniß fast immer, doch muß ihr Lehrbrief der Supplik beiliegeu;
andere Personen aber suppliciren fast immer vergeblich, ihr Bescheid ist gewöhnlich,
daß "noch keine Karte vacant sei." Daraus scheint hervorzugehen, daß nur eine
bestimmte Zahl von Jagdflinten geduldet werden soll, deshalb sind die Erlaub-
nißkarteu auch numerirt. Man hat diese Zahl zu erforschen gesucht und 300
gefunden. Und wären in der That nicht mehr als 300 Schießgewehre in den
Händen der Polen, so hätten die Russen neue Aufstände nicht sehr zu fürchten.
Allein es sind doch unendlich viel mehr vorhanden. Trotzdem daß die Büchsenschäf-
ter und Gewehrfabrikanten eidlich verpflichtet, nniformirt und in die Classe der
kaiserlichen Beamten aufgenommen sind, trotzdem daß sie auf jede Nummer der
Erlaubnißkarten nur ein Gewehr verabfolgen dürfen, werden selbst auf viele Er-
laubnißkarten mehr als ein Gewehr angeschafft, ich selbst weiß als Augenzeuge,
daß auf eine Nummer fünf Doppelflinte" in den Besitz des Karteninhabers (der
ein gelernter Jäger war) übergingen und durch ihn dritten Personell zu Theil
wurden.

Der unerlaubte Besitz von Gewehren bereitet eine ungeheure Gefahr, denn
er wird zu den politischen Verbrechen gerechnet, und diese werden mit Vermögens-
confiskation und Verbannung nach Sibirien bestraft. Allein ehe sich ein polni¬
scher Edelmann der Gefahr aussetzt, vergebens supplicirt und sich demüthig vor
dem Russen gebeugt zu haben, wagt er lieber das Gefährliche. Ohnehin kaun
er mit Zuversicht auf die Bestechlichkeit der russischen Beamten rechnen; freilich
mit eben so großer Zuversicht, daß sein Gcwehrgcbranch, und läge sein Jagdre¬
vier unter Gebirgen und Urwäldern begraben, bald genng entdeckt wird. Kosa¬
ken, Genöd'armenpatronillen, so wie Spione in allen Trachten, bald als zie¬
hende Zigeuner, bald als Handelsjuden, Bettler und reisende Edelleute, durch¬
spüren das Land bis in die dunkelsten Winkel und gehen dem Knall und Pulver-


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Edelmann, ein Grundbesitzer, sich die Erlaubniß auswirken eine Jagdflinte zu
halten, so muß er erstens ein Zeugniß des Distriktscommissars (der gewöhnlich
ebenfalls ein Edelmann ist) dafür beibringen, daß sein Grundeigenthum groß
genug und die Jagd wegen der Raubthiere nothwendig ist, dieses Zeugniß muß
von dem Kommissar der Obwvdschast durch Unterschrift und Stempel bestätigt
sein; ferner ein Zeugniß des Criminal- und Preisgerichts, in welchem der Manu
als ein moralisch und politisch unbeflecktes Individuum dargestellt wird, dieses
Zeugniß soll von dem Gubernialgericht bestätigt sein; und drittens eine Beschei¬
nigung des Kriegsgubernators der Provinz, daß er (der Gubernator) ihm die Er-
laubniß ertheilt habe, beim Fürststatthalter um die Jagdflinte suppliciren zu dür¬
fen. Ist dieser fast unübersteigliche Damm vor der Kanzlei des Fürsten Paskie-
witsch überstiege», so hängt es noch durchaus von der Stimmung des Fürsten ab,
ob man seinen Zweck erreicht. Die Stimmung des Fürsten ist aber bei derglei¬
chen Anliegen gewöhnlich sehr schlecht. Nur die gelernten Jäger vom Gewerb er¬
halten die Erlaubniß fast immer, doch muß ihr Lehrbrief der Supplik beiliegeu;
andere Personen aber suppliciren fast immer vergeblich, ihr Bescheid ist gewöhnlich,
daß „noch keine Karte vacant sei." Daraus scheint hervorzugehen, daß nur eine
bestimmte Zahl von Jagdflinten geduldet werden soll, deshalb sind die Erlaub-
nißkarteu auch numerirt. Man hat diese Zahl zu erforschen gesucht und 300
gefunden. Und wären in der That nicht mehr als 300 Schießgewehre in den
Händen der Polen, so hätten die Russen neue Aufstände nicht sehr zu fürchten.
Allein es sind doch unendlich viel mehr vorhanden. Trotzdem daß die Büchsenschäf-
ter und Gewehrfabrikanten eidlich verpflichtet, nniformirt und in die Classe der
kaiserlichen Beamten aufgenommen sind, trotzdem daß sie auf jede Nummer der
Erlaubnißkarten nur ein Gewehr verabfolgen dürfen, werden selbst auf viele Er-
laubnißkarten mehr als ein Gewehr angeschafft, ich selbst weiß als Augenzeuge,
daß auf eine Nummer fünf Doppelflinte» in den Besitz des Karteninhabers (der
ein gelernter Jäger war) übergingen und durch ihn dritten Personell zu Theil
wurden.

Der unerlaubte Besitz von Gewehren bereitet eine ungeheure Gefahr, denn
er wird zu den politischen Verbrechen gerechnet, und diese werden mit Vermögens-
confiskation und Verbannung nach Sibirien bestraft. Allein ehe sich ein polni¬
scher Edelmann der Gefahr aussetzt, vergebens supplicirt und sich demüthig vor
dem Russen gebeugt zu haben, wagt er lieber das Gefährliche. Ohnehin kaun
er mit Zuversicht auf die Bestechlichkeit der russischen Beamten rechnen; freilich
mit eben so großer Zuversicht, daß sein Gcwehrgcbranch, und läge sein Jagdre¬
vier unter Gebirgen und Urwäldern begraben, bald genng entdeckt wird. Kosa¬
ken, Genöd'armenpatronillen, so wie Spione in allen Trachten, bald als zie¬
hende Zigeuner, bald als Handelsjuden, Bettler und reisende Edelleute, durch¬
spüren das Land bis in die dunkelsten Winkel und gehen dem Knall und Pulver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/366>, abgerufen am 15.01.2025.