Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.geruch mit Begierde und Geschick nach. Ost trifft man dergleichen Leute in Si¬ So traf ich ein Mal drei Kosaken auf einem hohen Eichbaum am Nande des Bisweilen bekommt solchen Spürern ihre Mühe schlechter als hier, wenigstens Unter diesen Umständen ist die Bestechlichkeit der Beamten in der That für geruch mit Begierde und Geschick nach. Ost trifft man dergleichen Leute in Si¬ So traf ich ein Mal drei Kosaken auf einem hohen Eichbaum am Nande des Bisweilen bekommt solchen Spürern ihre Mühe schlechter als hier, wenigstens Unter diesen Umständen ist die Bestechlichkeit der Beamten in der That für <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279915"/> <p xml:id="ID_1312" prev="#ID_1311"> geruch mit Begierde und Geschick nach. Ost trifft man dergleichen Leute in Si¬<lb/> tuationen, welche von einiger Erfindungskraft und vieler Naivität zeugen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1313"> So traf ich ein Mal drei Kosaken auf einem hohen Eichbaum am Nande des<lb/> Waldes. Der Gutsbesitzer nämlich, auf dessen Besitzung ich gerade lebte, hielt<lb/> Teichfischen, ein Fest, das nach polnischer Sitte stets sehr fröhlich und originell<lb/> gefeiert wird. Er hatte dazu eine Menge befreundeter Edelleute aus der Umge¬<lb/> gend eingeladen und nach dem Fischzug eine große Fuchshetze angekündigt. Dies<lb/> mochte dem Gubernator zu Ohren gekommen und ihm die Hoffnung auf unerlaubte<lb/> Jagdgewehre erweckt haben. Der Fischzug war noch nicht vollendet, als ich mich<lb/> auf mein Pferd warf, und begleitet von einem Sohn meines Gastfreundes,<lb/> in den Wald ritt, der die kreisförmige Feldmark des Dorfes umgibt. Plötzlich<lb/> vernahm ich ein Pserdegcwieher, wir machten Halt. Mein Begleiter hielt die<lb/> Pferde, ich schlich dem Orte zu und fand in dichtem Gebüsch drei angebundene<lb/> Kosakengaule versteckt. Und siehe, zur Seiten saßen, wie riesenhafte Eichhörnchen,<lb/> drei Kosaken hoch in dem Wipfel eines EichbaumS, von dem sie die Feldflächc<lb/> überblicken. Ich sprang zurück, wir ritten zur Gesellschaft und erzählten lachend<lb/> unsere Endeckung. Sie war uicht unnütz, denn zwei Gäste hatten Doppelflinten<lb/> zur Fuchsjagd mitgebracht, beide nicht berechtigt Gewehre zu führen, der eine hatte<lb/> sogar einst an dem Revolutionskämpfe Antheil gehabt und drei Jahre in Sibirien<lb/> gesessen. Die Gewehre wurden zurückgelassen, der Festgeber nahm sie sogar in<lb/> seine geheimste Verwahrung und die Fuchshetze wurde mit dem einzigen Jagdge-<lb/> räth, welches den polnischen Gutsbesitzern geblieben ist, mit Windhunden, ausge¬<lb/> führt. Nach der Jagd führten wir die Gesellschaft zu dem Baum, wo die Lauscher<lb/> geduldig saßen. Die ganze vom Wein übermüthig gewordene Gesellschaft sprengte<lb/> im Gallop an die Eiche, begrüßte die drei spionirenden Russen mit einem<lb/> spöttischen Gntenmvrgen und begab sich vergnügt in den Pallast zurück. Charak¬<lb/> teristisch für die Russen aber war, daß der Kosakenunteroffizier sogleich vom Baume<lb/> stieg und den Grundherrn bat, ihm und seinen Genossen einen Schnaps zu ver¬<lb/> abreichen. Er begleitete uns auf dem Rückweg, um ihn in Empfang zu nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1314"> Bisweilen bekommt solchen Spürern ihre Mühe schlechter als hier, wenigstens<lb/> ist mir erzählt worden, daß unsern Tykoczyn zwei russische Militärs von einem<lb/> Polen, den sie seines Gewehres halber in seinem Walde überfallen und festneh¬<lb/> men wollten, niedergeschossen wurden. Die Nähe der preußische» Grenze und die<lb/> damaligen Differenzen zwischen Rußland und Preußen wegen des Kartells sollen<lb/> den Thäter vor der Bestrafung, die fürchterlich gewesen wäre, bewahrt haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1315" next="#ID_1316"> Unter diesen Umständen ist die Bestechlichkeit der Beamten in der That für<lb/> Viele ein Glückj, denn oft drängt die Noth den Landwirth, das Gewehrverbot<lb/> zu übertreten. Die Raubthiere haben sich in Polen, Lithauen, Podolien und<lb/> Wolynien seit der Einführung des strengen Gesetzes ans eine so drohende Weise<lb/> vermehrt, daß die Landwirthschaften den empfindlichsten Schaden leiden. In</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0367]
geruch mit Begierde und Geschick nach. Ost trifft man dergleichen Leute in Si¬
tuationen, welche von einiger Erfindungskraft und vieler Naivität zeugen.
So traf ich ein Mal drei Kosaken auf einem hohen Eichbaum am Nande des
Waldes. Der Gutsbesitzer nämlich, auf dessen Besitzung ich gerade lebte, hielt
Teichfischen, ein Fest, das nach polnischer Sitte stets sehr fröhlich und originell
gefeiert wird. Er hatte dazu eine Menge befreundeter Edelleute aus der Umge¬
gend eingeladen und nach dem Fischzug eine große Fuchshetze angekündigt. Dies
mochte dem Gubernator zu Ohren gekommen und ihm die Hoffnung auf unerlaubte
Jagdgewehre erweckt haben. Der Fischzug war noch nicht vollendet, als ich mich
auf mein Pferd warf, und begleitet von einem Sohn meines Gastfreundes,
in den Wald ritt, der die kreisförmige Feldmark des Dorfes umgibt. Plötzlich
vernahm ich ein Pserdegcwieher, wir machten Halt. Mein Begleiter hielt die
Pferde, ich schlich dem Orte zu und fand in dichtem Gebüsch drei angebundene
Kosakengaule versteckt. Und siehe, zur Seiten saßen, wie riesenhafte Eichhörnchen,
drei Kosaken hoch in dem Wipfel eines EichbaumS, von dem sie die Feldflächc
überblicken. Ich sprang zurück, wir ritten zur Gesellschaft und erzählten lachend
unsere Endeckung. Sie war uicht unnütz, denn zwei Gäste hatten Doppelflinten
zur Fuchsjagd mitgebracht, beide nicht berechtigt Gewehre zu führen, der eine hatte
sogar einst an dem Revolutionskämpfe Antheil gehabt und drei Jahre in Sibirien
gesessen. Die Gewehre wurden zurückgelassen, der Festgeber nahm sie sogar in
seine geheimste Verwahrung und die Fuchshetze wurde mit dem einzigen Jagdge-
räth, welches den polnischen Gutsbesitzern geblieben ist, mit Windhunden, ausge¬
führt. Nach der Jagd führten wir die Gesellschaft zu dem Baum, wo die Lauscher
geduldig saßen. Die ganze vom Wein übermüthig gewordene Gesellschaft sprengte
im Gallop an die Eiche, begrüßte die drei spionirenden Russen mit einem
spöttischen Gntenmvrgen und begab sich vergnügt in den Pallast zurück. Charak¬
teristisch für die Russen aber war, daß der Kosakenunteroffizier sogleich vom Baume
stieg und den Grundherrn bat, ihm und seinen Genossen einen Schnaps zu ver¬
abreichen. Er begleitete uns auf dem Rückweg, um ihn in Empfang zu nehmen.
Bisweilen bekommt solchen Spürern ihre Mühe schlechter als hier, wenigstens
ist mir erzählt worden, daß unsern Tykoczyn zwei russische Militärs von einem
Polen, den sie seines Gewehres halber in seinem Walde überfallen und festneh¬
men wollten, niedergeschossen wurden. Die Nähe der preußische» Grenze und die
damaligen Differenzen zwischen Rußland und Preußen wegen des Kartells sollen
den Thäter vor der Bestrafung, die fürchterlich gewesen wäre, bewahrt haben.
Unter diesen Umständen ist die Bestechlichkeit der Beamten in der That für
Viele ein Glückj, denn oft drängt die Noth den Landwirth, das Gewehrverbot
zu übertreten. Die Raubthiere haben sich in Polen, Lithauen, Podolien und
Wolynien seit der Einführung des strengen Gesetzes ans eine so drohende Weise
vermehrt, daß die Landwirthschaften den empfindlichsten Schaden leiden. In
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