weder zu lesen noch zu schreiben, und schriftliche Verordnungen können daher nie bei uns erlassen werden -- in Flecken und Dörfern erneuert und in frisches An¬ denken gebracht worden, während des Aufstandes in Krakau und Galizien und wieder im vorigen Jahre. Doch lautete die Verordnung niemals in einem Gu- bernium wie in dem andern, woraus hervorzugehen scheint, daß sich die Laune der Herren Gubcrnatorcn an derselben geltend gemacht hat.
Im sandomirer Gubernium z. B. zählte man die Sporen unter die Waffen, welche zu fürchten sind. Ein junger Edelmann mußte es sich in Kleine gefallen lassen, auf die Hauptwache geführt, seiner Sporen beraubt und einige Tage aus Befehl des Gubcruators eingesperrt zu werde". Die Erklärung, welche man ihm machte, bestand in den wenigen Worten: "N. möge wissen, daß alle Arten von kriegerischen Geräthen verboten sind." Ich selbst hatte zwei Mal das Schicksal meiner Sporen wegen in Händel zu gerathen. Einmal nahm mir ein zufällig in dem Hotel anwesender Kosak ein Paar ueusilbcrue Sporen beim Auspacken meiner Effekten mit dem Bemerken: "das find verbotene Waffen" weg und entfernte sich damit wie ein Flüchtling oder Dieb. Ein anderes Mal wurde ich, als ich durch die kleine hübsche Stadt Warka ritt, vou drei Gensdarmen angefallen. Sie for¬ derten mir ebenfalls kraft des Gcwehrvcrbvts meine Sporen ab. Doch meine Erklärung, daß ich ein Deutscher und nicht daran gewöhnt sei, das Pferd mit einer Knute zu dirigiren, schwächte ihren Amtscifer und ich behielt meinen Nitter- schmuck. --
Auch in Nußland bestehen Verordnungen gegen den Besitz von Waffen, allein sie sind außer in einigen größeren Städten Kleinrußlands in neuerer Zeit uicht publizirt worden. Wohl die wenigsten Nüssen wissen, daß sie keine Waffen be¬ sitzen sollen; sie besitze" ohnedies keine, denn sie haben kein Interesse an dergleichen Dingen. Ganz anders dagegen ist es in Polen. Wohl keine andere russische Maßregel hat den Polen so tief in der Seele verletzt und gedemüthigt. Als Herr von Morawski nach dem Erlaß des furchtbaren Waffenverboteö von seiner Schwester gedrängt wurde, die krummen Säbel seiner Ahnen, die unter ihren Bildnissen hingen, zu verstecken, verfiel er in Ticfsi"", und i" dem Augenblicke, als er endlich der drohenden Gefahr und den Bitten der Schwester nachgab und die Säbel von der Wand nahm, um sie in einer Nische des Kellers einzumauern, übermannte ihn so das Gefühl der nationalen Erniedrigung, daß er eine Pistole von der Wand riß und sich eine Kugel durch das Haupt schoß.
Allerdings ist's Jedermann gestattet, sich beim Fürststatthalter die Erlaubniß für den Gebrauch gewisser bei seinem Geschäft nöthiger Waffen auszuwirken, allein nur Wenige mögen sich zu einer Petition entschließen, die, in ihrer Form sehr demüthigend, oft ohne Erfolg und mit vielen Umständen verbunden ist. Sie muß z. B. von eiuer Menge von Zeugnissen begleitet sei". Will ein polnischer
weder zu lesen noch zu schreiben, und schriftliche Verordnungen können daher nie bei uns erlassen werden — in Flecken und Dörfern erneuert und in frisches An¬ denken gebracht worden, während des Aufstandes in Krakau und Galizien und wieder im vorigen Jahre. Doch lautete die Verordnung niemals in einem Gu- bernium wie in dem andern, woraus hervorzugehen scheint, daß sich die Laune der Herren Gubcrnatorcn an derselben geltend gemacht hat.
Im sandomirer Gubernium z. B. zählte man die Sporen unter die Waffen, welche zu fürchten sind. Ein junger Edelmann mußte es sich in Kleine gefallen lassen, auf die Hauptwache geführt, seiner Sporen beraubt und einige Tage aus Befehl des Gubcruators eingesperrt zu werde». Die Erklärung, welche man ihm machte, bestand in den wenigen Worten: „N. möge wissen, daß alle Arten von kriegerischen Geräthen verboten sind." Ich selbst hatte zwei Mal das Schicksal meiner Sporen wegen in Händel zu gerathen. Einmal nahm mir ein zufällig in dem Hotel anwesender Kosak ein Paar ueusilbcrue Sporen beim Auspacken meiner Effekten mit dem Bemerken: „das find verbotene Waffen" weg und entfernte sich damit wie ein Flüchtling oder Dieb. Ein anderes Mal wurde ich, als ich durch die kleine hübsche Stadt Warka ritt, vou drei Gensdarmen angefallen. Sie for¬ derten mir ebenfalls kraft des Gcwehrvcrbvts meine Sporen ab. Doch meine Erklärung, daß ich ein Deutscher und nicht daran gewöhnt sei, das Pferd mit einer Knute zu dirigiren, schwächte ihren Amtscifer und ich behielt meinen Nitter- schmuck. —
Auch in Nußland bestehen Verordnungen gegen den Besitz von Waffen, allein sie sind außer in einigen größeren Städten Kleinrußlands in neuerer Zeit uicht publizirt worden. Wohl die wenigsten Nüssen wissen, daß sie keine Waffen be¬ sitzen sollen; sie besitze» ohnedies keine, denn sie haben kein Interesse an dergleichen Dingen. Ganz anders dagegen ist es in Polen. Wohl keine andere russische Maßregel hat den Polen so tief in der Seele verletzt und gedemüthigt. Als Herr von Morawski nach dem Erlaß des furchtbaren Waffenverboteö von seiner Schwester gedrängt wurde, die krummen Säbel seiner Ahnen, die unter ihren Bildnissen hingen, zu verstecken, verfiel er in Ticfsi»», und i» dem Augenblicke, als er endlich der drohenden Gefahr und den Bitten der Schwester nachgab und die Säbel von der Wand nahm, um sie in einer Nische des Kellers einzumauern, übermannte ihn so das Gefühl der nationalen Erniedrigung, daß er eine Pistole von der Wand riß und sich eine Kugel durch das Haupt schoß.
Allerdings ist's Jedermann gestattet, sich beim Fürststatthalter die Erlaubniß für den Gebrauch gewisser bei seinem Geschäft nöthiger Waffen auszuwirken, allein nur Wenige mögen sich zu einer Petition entschließen, die, in ihrer Form sehr demüthigend, oft ohne Erfolg und mit vielen Umständen verbunden ist. Sie muß z. B. von eiuer Menge von Zeugnissen begleitet sei». Will ein polnischer
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bei uns erlassen werden — in Flecken und Dörfern erneuert und in frisches An¬
denken gebracht worden, während des Aufstandes in Krakau und Galizien und
wieder im vorigen Jahre. Doch lautete die Verordnung niemals in einem Gu-
bernium wie in dem andern, woraus hervorzugehen scheint, daß sich die Laune
der Herren Gubcrnatorcn an derselben geltend gemacht hat.
Im sandomirer Gubernium z. B. zählte man die Sporen unter die Waffen,
welche zu fürchten sind. Ein junger Edelmann mußte es sich in Kleine gefallen
lassen, auf die Hauptwache geführt, seiner Sporen beraubt und einige Tage aus
Befehl des Gubcruators eingesperrt zu werde». Die Erklärung, welche man ihm
machte, bestand in den wenigen Worten: „N. möge wissen, daß alle Arten
von kriegerischen Geräthen verboten sind." Ich selbst hatte zwei Mal das Schicksal
meiner Sporen wegen in Händel zu gerathen. Einmal nahm mir ein zufällig in
dem Hotel anwesender Kosak ein Paar ueusilbcrue Sporen beim Auspacken meiner
Effekten mit dem Bemerken: „das find verbotene Waffen" weg und entfernte sich
damit wie ein Flüchtling oder Dieb. Ein anderes Mal wurde ich, als ich durch
die kleine hübsche Stadt Warka ritt, vou drei Gensdarmen angefallen. Sie for¬
derten mir ebenfalls kraft des Gcwehrvcrbvts meine Sporen ab. Doch meine
Erklärung, daß ich ein Deutscher und nicht daran gewöhnt sei, das Pferd mit
einer Knute zu dirigiren, schwächte ihren Amtscifer und ich behielt meinen Nitter-
schmuck. —
Auch in Nußland bestehen Verordnungen gegen den Besitz von Waffen, allein
sie sind außer in einigen größeren Städten Kleinrußlands in neuerer Zeit uicht
publizirt worden. Wohl die wenigsten Nüssen wissen, daß sie keine Waffen be¬
sitzen sollen; sie besitze» ohnedies keine, denn sie haben kein Interesse an dergleichen
Dingen. Ganz anders dagegen ist es in Polen. Wohl keine andere russische
Maßregel hat den Polen so tief in der Seele verletzt und gedemüthigt. Als
Herr von Morawski nach dem Erlaß des furchtbaren Waffenverboteö von seiner
Schwester gedrängt wurde, die krummen Säbel seiner Ahnen, die unter ihren
Bildnissen hingen, zu verstecken, verfiel er in Ticfsi»», und i» dem Augenblicke,
als er endlich der drohenden Gefahr und den Bitten der Schwester nachgab und
die Säbel von der Wand nahm, um sie in einer Nische des Kellers einzumauern,
übermannte ihn so das Gefühl der nationalen Erniedrigung, daß er eine Pistole
von der Wand riß und sich eine Kugel durch das Haupt schoß.
Allerdings ist's Jedermann gestattet, sich beim Fürststatthalter die Erlaubniß
für den Gebrauch gewisser bei seinem Geschäft nöthiger Waffen auszuwirken,
allein nur Wenige mögen sich zu einer Petition entschließen, die, in ihrer Form
sehr demüthigend, oft ohne Erfolg und mit vielen Umständen verbunden ist. Sie
muß z. B. von eiuer Menge von Zeugnissen begleitet sei». Will ein polnischer
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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/365>, abgerufen am 23.01.2025.
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