Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.so verzerrt ne^mit und Gähnen ihre Züge, und achselzuckend erfolgt die Antwort: Einen Beleg für die Richtigkeit dieses Ausspruches lieferten die Verhandlungen Aber so abgestumpft ist der Berliner, daß ihn nicht einmal mehr eine Frage in- so verzerrt ne^mit und Gähnen ihre Züge, und achselzuckend erfolgt die Antwort: Einen Beleg für die Richtigkeit dieses Ausspruches lieferten die Verhandlungen Aber so abgestumpft ist der Berliner, daß ihn nicht einmal mehr eine Frage in- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279789"/> <p xml:id="ID_835" prev="#ID_834"> so verzerrt ne^mit und Gähnen ihre Züge, und achselzuckend erfolgt die Antwort:<lb/> Nur nichts von Politik! Dieser Klasse gegenüber könnte das alte i'v-;im» unbesorgt<lb/> seinen Thron wieder errichten; nicht einen einzigen Fußstoß hätte es von ihm zu be¬<lb/> fürchten. Der Demokratie ist sie abgeneigter, aber auch nicht aus Prinzip, sondern<lb/> lediglich aus Besorgnis? vor Tumult, aus banger Furcht vor abermaliger Stockung<lb/> des Handels, aus zärtlicher Sorgfalt ^our >.!r lmutUjuv! Bedenken wir, welche Aufregung<lb/> vor einem Jahre der Stcinschc Antrag in der großen Masse der Bevölkerung er¬<lb/> zeugte, wie ihr lärmendes Votum bis in das innerste Heiligthum der Nationalversamm¬<lb/> lung drang, wie, nach errungenen Siege der bedrängte Held des Tages seine, in einen<lb/> Triumphwagen changirte, Droschke bestieg, und, statt des Gaules, von der Volkssouve-<lb/> rainität gezogen, unter den Acclamationen der, bis zur höchsten Exaltation gesteigerten<lb/> Menge aus dem Straßenpflaster aus und nieder klapperte — und vergleichen mir damit<lb/> die jetzige Haltung der Bevölkerung bei der Abstimmung über die Eidesleistung des<lb/> Heeres aus die Verfassung, wie sich da keine Freude, kein Verdruß, kein Enthusiasmus<lb/> und keine Entrüstung zeigte, wie man nirgends auch nur ein leises hingeworfenes<lb/> Wörtchen der Beistimmung oder Abneigung vernahm, — so wissen wir »us in Art,<lb/> Zeit und Charakter der Einwohner nicht zu finden, und können diese stemm ne Regungs¬<lb/> losigkeit mit nichts als dem Ausdrucke des Ultraindifserentismus bezeichnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_836"> Einen Beleg für die Richtigkeit dieses Ausspruches lieferten die Verhandlungen<lb/> über das Bürgerwchrgesetz. Welche Aufregung bei der vorjährigen Snspcndirung der<lb/> Bürgerwehr; welche Theilnahmlosigkeit bei der diesjährigen Entscheidung der Frage.<lb/> Von allen Seiten liefen Adressen um gänzliche Aufhebung dieser vorjährigen „ersten<lb/> Garantie der Volksfreiheit" ein. Der Bürger sieht jetzt in diesem Rechte nichts mehr<lb/> als eine lästige Pflicht, er bemißt die Würde dieses Berufs nach der, auf dem Posten<lb/> ruinirten Uniform, die Freiheit seiner Mitbürger nach den, beim Patrouillircn zerrisse¬<lb/> nen Stiefeln, die Erhaltung seiner bürgerlichen Rechte nach den Unkosten der Wacht-<lb/> st»be und der Versäumniß seines Gewerks; der Besorgnis; für seine gvaden Glieder gar<lb/> uicht zu gedenken, und nach genauer Abwägung aller pres- und cmitrii,« gelangt er<lb/> zu dem christlichen Schluß: ein jeder sorge für sich und Gott für uns Alle. Der Ein¬<lb/> fluß des schönen Geschlechts mochte hiebei anch von einiger Bedeutuug sei», denn in<lb/> den Ideen der Weiber identificirten sich, nach Revision der Börse des Mannes, wenn<lb/> ^' Morgens vom Dienst heimkehrte, die Begriffe vou Wachtstube und Tabagie so voll¬<lb/> kommen, daß beide ihnen bald denselben Gräuel einflößten, und so herzhaft auch der<lb/> berliner Bürgcrgardist der Revolte und der Kneipe gegenüber sein mag, — vis u vis<lb/> der Frau, kehrt er gern ans Bescheidenheit und Schonung die furchtsame Seite nach<lb/> "Ußen. Genug, die Bnrgerwehr gehört zu denjenigen „glorreichen Errungenschaften,"<lb/> die getrost zusammenstürzen können, ohne kindische Besorgnis;, daß die berliner Bonr-<lb/> Scoisie sie stütze.</p><lb/> <p xml:id="ID_837" next="#ID_838"> Aber so abgestumpft ist der Berliner, daß ihn nicht einmal mehr eine Frage in-<lb/> t"'Mr, die bei ihm zur eigentlichen Lebensfrage wird, denn sie betrifft den Magen,<lb/> ^'e Mahl- und Schlachtsteuer soll aufgehoben, und dafür, neben der bestehenden<lb/> blassen- eine Einkommensteuer von dem reinen Ertrage von l<>00 THU. an, welche<lb/> ^ vCt. zu belasten wäre, eingeführt werden. Gewiß eine höchst zweckmäßige<lb/> ^"'er, insofern das Prinzip ihr zu Grunde liegt, die erste» Lebensbedürfnisse des<lb/> ^pits ihm z» erleichtern; nnr steht zu fürchten, d.iß die Thcuniua durch den Ans-<lb/> Wag, den d^ Arbeiter zu seiner Entschädigung machen muß, im großen Maßstab?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
so verzerrt ne^mit und Gähnen ihre Züge, und achselzuckend erfolgt die Antwort:
Nur nichts von Politik! Dieser Klasse gegenüber könnte das alte i'v-;im» unbesorgt
seinen Thron wieder errichten; nicht einen einzigen Fußstoß hätte es von ihm zu be¬
fürchten. Der Demokratie ist sie abgeneigter, aber auch nicht aus Prinzip, sondern
lediglich aus Besorgnis? vor Tumult, aus banger Furcht vor abermaliger Stockung
des Handels, aus zärtlicher Sorgfalt ^our >.!r lmutUjuv! Bedenken wir, welche Aufregung
vor einem Jahre der Stcinschc Antrag in der großen Masse der Bevölkerung er¬
zeugte, wie ihr lärmendes Votum bis in das innerste Heiligthum der Nationalversamm¬
lung drang, wie, nach errungenen Siege der bedrängte Held des Tages seine, in einen
Triumphwagen changirte, Droschke bestieg, und, statt des Gaules, von der Volkssouve-
rainität gezogen, unter den Acclamationen der, bis zur höchsten Exaltation gesteigerten
Menge aus dem Straßenpflaster aus und nieder klapperte — und vergleichen mir damit
die jetzige Haltung der Bevölkerung bei der Abstimmung über die Eidesleistung des
Heeres aus die Verfassung, wie sich da keine Freude, kein Verdruß, kein Enthusiasmus
und keine Entrüstung zeigte, wie man nirgends auch nur ein leises hingeworfenes
Wörtchen der Beistimmung oder Abneigung vernahm, — so wissen wir »us in Art,
Zeit und Charakter der Einwohner nicht zu finden, und können diese stemm ne Regungs¬
losigkeit mit nichts als dem Ausdrucke des Ultraindifserentismus bezeichnen.
Einen Beleg für die Richtigkeit dieses Ausspruches lieferten die Verhandlungen
über das Bürgerwchrgesetz. Welche Aufregung bei der vorjährigen Snspcndirung der
Bürgerwehr; welche Theilnahmlosigkeit bei der diesjährigen Entscheidung der Frage.
Von allen Seiten liefen Adressen um gänzliche Aufhebung dieser vorjährigen „ersten
Garantie der Volksfreiheit" ein. Der Bürger sieht jetzt in diesem Rechte nichts mehr
als eine lästige Pflicht, er bemißt die Würde dieses Berufs nach der, auf dem Posten
ruinirten Uniform, die Freiheit seiner Mitbürger nach den, beim Patrouillircn zerrisse¬
nen Stiefeln, die Erhaltung seiner bürgerlichen Rechte nach den Unkosten der Wacht-
st»be und der Versäumniß seines Gewerks; der Besorgnis; für seine gvaden Glieder gar
uicht zu gedenken, und nach genauer Abwägung aller pres- und cmitrii,« gelangt er
zu dem christlichen Schluß: ein jeder sorge für sich und Gott für uns Alle. Der Ein¬
fluß des schönen Geschlechts mochte hiebei anch von einiger Bedeutuug sei», denn in
den Ideen der Weiber identificirten sich, nach Revision der Börse des Mannes, wenn
^' Morgens vom Dienst heimkehrte, die Begriffe vou Wachtstube und Tabagie so voll¬
kommen, daß beide ihnen bald denselben Gräuel einflößten, und so herzhaft auch der
berliner Bürgcrgardist der Revolte und der Kneipe gegenüber sein mag, — vis u vis
der Frau, kehrt er gern ans Bescheidenheit und Schonung die furchtsame Seite nach
"Ußen. Genug, die Bnrgerwehr gehört zu denjenigen „glorreichen Errungenschaften,"
die getrost zusammenstürzen können, ohne kindische Besorgnis;, daß die berliner Bonr-
Scoisie sie stütze.
Aber so abgestumpft ist der Berliner, daß ihn nicht einmal mehr eine Frage in-
t"'Mr, die bei ihm zur eigentlichen Lebensfrage wird, denn sie betrifft den Magen,
^'e Mahl- und Schlachtsteuer soll aufgehoben, und dafür, neben der bestehenden
blassen- eine Einkommensteuer von dem reinen Ertrage von l<>00 THU. an, welche
^ vCt. zu belasten wäre, eingeführt werden. Gewiß eine höchst zweckmäßige
^"'er, insofern das Prinzip ihr zu Grunde liegt, die erste» Lebensbedürfnisse des
^pits ihm z» erleichtern; nnr steht zu fürchten, d.iß die Thcuniua durch den Ans-
Wag, den d^ Arbeiter zu seiner Entschädigung machen muß, im großen Maßstab?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |