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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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an und schwieg. Von den Proceßakten war nach zwei Tagen keine Rede mehr.
Vielmehr sprachen die schwarzgelben von einem Standpunkt der höhern Politik,
von Rücksichten des Staatswohls (!). "Die politische Wirkung der Execution,"
flötete die Pesther Zeitung, "wird jedenfalls eine erschütternde, beugende sein; auch
wird sich dadurch die Meinung feststellen, daß die Regierung mit allen magya¬
rischen Sonderparteien gebrochen hat; eine Wendung, die wir durchaus nur als
eine vortheilhafte ansehen können." Eine Hinrichtung als Programm! Warum
nicht? Endlich schmunzelte eine andere schwarzgelbe Zeitung: Nun, die letzten Hin¬
richtungen werden hoffentlich dazu dienen, die Herren Houvcdofsiziere, die noch
immer in ihrer Uniform herumstolziren, bescheidener zu machen. -- Da haben wir
den pädagogischen Standpunkt. Man schlägt einem Schulbuben den Kopf ab, da¬
mit die andern ihn nicht zu hoch tragen. Das Wiener Volk aber verhöhnte die
rothmvnarchischen Schreiber und sagte: "Larifari! Den Batthyani hat ja Nie¬
mand anderer hinrichten lassen wie der Kraus Pascha, wegen der 7 Millionen.
Der Finanzminister Hai's gethan und der wird schon wissen, was er thun soll.
Wenn er ihn nur gleich in Sechser!, die eigentlich 4 Kreuzer werth sind, unge¬
münzt hätt!" Kurz, nach wenigen Tagen verschluckten die Kauderwälscher ihre
eigenen Geschichten von den 17 Zeugen, von den eingesandten Proceßakten und
stimmten in den Chorus ein, der aus dem andern Lager ertönte, zu welchem wir
sogleich übergehen werden.

Wir kommen also jetzt zu deu anrüchigen Böcken, welche zur Linken Schwar-
zenberg's sitzen. Dies sind die "Schand- und Brandblätter," die "Kloaken des
Republikanismus, ja sogar des Radikalismus," Organe, "deren ein jeder Artikel
eine politische Zote ist/") die nnter "hochdeutscher Phrasenblnme die Schlangen
des Umsturzes verbergen," kurz Journale, die so wüthend und blutdürstig sind,
"jetzt schon," um Amnestie zu bitte", Gnade zu verlangen, Versöhnung zu win¬
seln: Wanderer, Presse, Ostdeutsche Post n. s. w. Bereits im September ließ
die Gutmüthigkeit dieser Blätter einen kaiserlichen Courier mit dem weißen, Gnade
winkenden Schnupftuch nach Ungarn gallopiren. Richtig machten gleich darauf ei¬
nige Hinrichtungen, auf Abschlag, den Courier zur Mythe. Darauf ließen sie den
kaiserlichen Adjutanten, Grasen Grünne, mit einem Befehl zur Einstellung der
Executionen in der Tasche, abreisen. Diesmal war die Nachricht halbosfiziell, au¬
thentisch. Der 6. October brachte eine blutige Widerlegung. Schmerz, Schrecken
und Erbitterung bemächtigte sich der Gemüther. Die Schand- und Brandblätter,
gedrängt von der Aufregung des Publikums, falteten die Hände, flehten nochmals
um Gnade, baten um Klugheit und um Rücksicht aus die öffentliche Meinung,
auf die Stimmung des Volkes, die sie nur schüchtern ahnen lassen durften; die



Polemische Artigkeiten des "Courier," aus der Feder eines Ministerialbeamlen, v".
Wurzbach, welcher zum Ruhm und Heil des Baterlandes zugleich Mitarbeiter von Schwarzen-
Der Eins. berg und Bäucrle ist.

an und schwieg. Von den Proceßakten war nach zwei Tagen keine Rede mehr.
Vielmehr sprachen die schwarzgelben von einem Standpunkt der höhern Politik,
von Rücksichten des Staatswohls (!). „Die politische Wirkung der Execution,"
flötete die Pesther Zeitung, „wird jedenfalls eine erschütternde, beugende sein; auch
wird sich dadurch die Meinung feststellen, daß die Regierung mit allen magya¬
rischen Sonderparteien gebrochen hat; eine Wendung, die wir durchaus nur als
eine vortheilhafte ansehen können." Eine Hinrichtung als Programm! Warum
nicht? Endlich schmunzelte eine andere schwarzgelbe Zeitung: Nun, die letzten Hin¬
richtungen werden hoffentlich dazu dienen, die Herren Houvcdofsiziere, die noch
immer in ihrer Uniform herumstolziren, bescheidener zu machen. — Da haben wir
den pädagogischen Standpunkt. Man schlägt einem Schulbuben den Kopf ab, da¬
mit die andern ihn nicht zu hoch tragen. Das Wiener Volk aber verhöhnte die
rothmvnarchischen Schreiber und sagte: „Larifari! Den Batthyani hat ja Nie¬
mand anderer hinrichten lassen wie der Kraus Pascha, wegen der 7 Millionen.
Der Finanzminister Hai's gethan und der wird schon wissen, was er thun soll.
Wenn er ihn nur gleich in Sechser!, die eigentlich 4 Kreuzer werth sind, unge¬
münzt hätt!" Kurz, nach wenigen Tagen verschluckten die Kauderwälscher ihre
eigenen Geschichten von den 17 Zeugen, von den eingesandten Proceßakten und
stimmten in den Chorus ein, der aus dem andern Lager ertönte, zu welchem wir
sogleich übergehen werden.

Wir kommen also jetzt zu deu anrüchigen Böcken, welche zur Linken Schwar-
zenberg's sitzen. Dies sind die „Schand- und Brandblätter," die „Kloaken des
Republikanismus, ja sogar des Radikalismus," Organe, „deren ein jeder Artikel
eine politische Zote ist/") die nnter „hochdeutscher Phrasenblnme die Schlangen
des Umsturzes verbergen," kurz Journale, die so wüthend und blutdürstig sind,
„jetzt schon," um Amnestie zu bitte», Gnade zu verlangen, Versöhnung zu win¬
seln: Wanderer, Presse, Ostdeutsche Post n. s. w. Bereits im September ließ
die Gutmüthigkeit dieser Blätter einen kaiserlichen Courier mit dem weißen, Gnade
winkenden Schnupftuch nach Ungarn gallopiren. Richtig machten gleich darauf ei¬
nige Hinrichtungen, auf Abschlag, den Courier zur Mythe. Darauf ließen sie den
kaiserlichen Adjutanten, Grasen Grünne, mit einem Befehl zur Einstellung der
Executionen in der Tasche, abreisen. Diesmal war die Nachricht halbosfiziell, au¬
thentisch. Der 6. October brachte eine blutige Widerlegung. Schmerz, Schrecken
und Erbitterung bemächtigte sich der Gemüther. Die Schand- und Brandblätter,
gedrängt von der Aufregung des Publikums, falteten die Hände, flehten nochmals
um Gnade, baten um Klugheit und um Rücksicht aus die öffentliche Meinung,
auf die Stimmung des Volkes, die sie nur schüchtern ahnen lassen durften; die



Polemische Artigkeiten des „Courier," aus der Feder eines Ministerialbeamlen, v».
Wurzbach, welcher zum Ruhm und Heil des Baterlandes zugleich Mitarbeiter von Schwarzen-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/222>, abgerufen am 15.01.2025.