Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.knechts und halbem ihn noch einmal zum unverantwortlichen Herrn und Richter Wie viel Wahrheit, wie viel Dichtung dieser Auffassung zu Grunde liege, Es ist unglaublich, was in unsern großen Blättern fabnlirt wird. Wahr Am grellsten zeigte sich diese Taktik in den theils frauenhaften, theils senti¬ Grenzboten. IV. 184". 28
knechts und halbem ihn noch einmal zum unverantwortlichen Herrn und Richter Wie viel Wahrheit, wie viel Dichtung dieser Auffassung zu Grunde liege, Es ist unglaublich, was in unsern großen Blättern fabnlirt wird. Wahr Am grellsten zeigte sich diese Taktik in den theils frauenhaften, theils senti¬ Grenzboten. IV. 184». 28
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279769"/> <p xml:id="ID_742" prev="#ID_741"> knechts und halbem ihn noch einmal zum unverantwortlichen Herrn und Richter<lb/> auf unbestimmte Zeit. Zur Besiegelung des erneuten Contractes mit dem Er¬<lb/> barmungslosen wurden denn auch am 20. October in Pesth wieder drei unga¬<lb/> rische Stabsoffiziere, Havanconr, Girvn und Fürst Woronjecki, hingerichtet und<lb/> Zwar durch den Strang. Der letztere Umstand dient der allgemeinen Sage zur<lb/> Bestätigung. „Der Galgen." heißt es, — „ja das ist Haynau, das ist sein Arm,<lb/> seine Hand und Unterschrift!"</p><lb/> <p xml:id="ID_743"> Wie viel Wahrheit, wie viel Dichtung dieser Auffassung zu Grunde liege,<lb/> erräth mau leicht. Das Heer ist Dictator in Oestreich und Haynan ist in die¬<lb/> sem Augenblick das Heer. Er ist die sichtbare Verkörperung des herrschenden Sy¬<lb/> stems. Der Volksglaube macht ihn daher zum leiblichen Gottseibeiuns, zum al¬<lb/> leinige» Urheber aller Schrecke» in Oestreich. Obgleich die alte Naivität allmälig<lb/> zu schwinden anfängt, könnte es doch geschehen, daß Haynan nach vollbrachtem<lb/> Tagewerk ein gar nutzbarer Sündenbock würde; denn unsere Zeitungen suchen aus<lb/> Gründen der Loyalität die kindliche Anschauung früherer Zeiten festzuhalten und<lb/> mit schlechter Schminke neu aufzufrischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_744"> Es ist unglaublich, was in unsern großen Blättern fabnlirt wird. Wahr<lb/> sind blos die Ernennuugs-, Bcfördernngs- oder Hinnchtnngsanzcigcn. ES fehlt<lb/> nicht an geschäftigen Zu- und Zwischenträgern, Offizieren und Beamten, die aus<lb/> Wohldiencrei der Journalistik geheimnißvolle Mittheilungen zum Geschenk machen;<lb/> je uach der Farbe des Blattes bringe» sie Deuuuciativuc», Verschwärzungcn An¬<lb/> geklagter juud Verfolgter oder liberale Hofauekdvten und kaiserliche Genie- und<lb/> Kraftsprüche. Was nur irgend wie ein diplomatisches Kulissengcheimniß aussieht,<lb/> macht die Zeitungsschreiber glücklich; und sehr häufig gehen selbst die unabhängi¬<lb/> geren Blätter, halb unbewußt, in die Falle.</p><lb/> <p xml:id="ID_745" next="#ID_746"> Am grellsten zeigte sich diese Taktik in den theils frauenhaften, theils senti¬<lb/> mentalen Nandzeichnungen der hiesigen Journale zum jüngsten Auszug des unga¬<lb/> rischen Trauerspiels. Die fabelhaften Widersprüche und Albernheiten darin ver¬<lb/> dienen eine kurze Beleuchtung. Scheiden wir aber erst die Schreibcrwclt in zwei<lb/> Lager, und beginnen wir mit den gut- und bestgestnutcn Organen: Oestreichischer<lb/> ^»rrespondent, Courier, Geißel, Hans Jörgel u. s. w. Dies sind die Schafte<lb/> zur Rechten Schwarzeubergs sitzen, gemüthliche» Blutdurst predigen und aus<lb/> östreichischen Patriotismus kroatisches Deutsch kauderwälscheu. Lauge vor Bat-<lb/> rhyani's Tod flüsterte der östreichische Korrespondent von 17 Zeugen, die des Grafen<lb/> Mitschuld am Morde Latour's beschworen hätten. Im kriegsrechtlichen Urtheil<lb/> über Batthyani stand Nichts davon. Ferner, als die Nachricht vom 6. October<lb/> "^gemeine Bestürzung erregte, säuselte ein halboffizielles Blättchen: Haynau hat<lb/> ^r der Execution die Proceßakten ans Appellationsgericht geschickt und dieses be¬<lb/> stätigte Batthyani's Verurtheilung. — Das Appellationsgericht hielt den Athem</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 184». 28</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
knechts und halbem ihn noch einmal zum unverantwortlichen Herrn und Richter
auf unbestimmte Zeit. Zur Besiegelung des erneuten Contractes mit dem Er¬
barmungslosen wurden denn auch am 20. October in Pesth wieder drei unga¬
rische Stabsoffiziere, Havanconr, Girvn und Fürst Woronjecki, hingerichtet und
Zwar durch den Strang. Der letztere Umstand dient der allgemeinen Sage zur
Bestätigung. „Der Galgen." heißt es, — „ja das ist Haynau, das ist sein Arm,
seine Hand und Unterschrift!"
Wie viel Wahrheit, wie viel Dichtung dieser Auffassung zu Grunde liege,
erräth mau leicht. Das Heer ist Dictator in Oestreich und Haynan ist in die¬
sem Augenblick das Heer. Er ist die sichtbare Verkörperung des herrschenden Sy¬
stems. Der Volksglaube macht ihn daher zum leiblichen Gottseibeiuns, zum al¬
leinige» Urheber aller Schrecke» in Oestreich. Obgleich die alte Naivität allmälig
zu schwinden anfängt, könnte es doch geschehen, daß Haynan nach vollbrachtem
Tagewerk ein gar nutzbarer Sündenbock würde; denn unsere Zeitungen suchen aus
Gründen der Loyalität die kindliche Anschauung früherer Zeiten festzuhalten und
mit schlechter Schminke neu aufzufrischen.
Es ist unglaublich, was in unsern großen Blättern fabnlirt wird. Wahr
sind blos die Ernennuugs-, Bcfördernngs- oder Hinnchtnngsanzcigcn. ES fehlt
nicht an geschäftigen Zu- und Zwischenträgern, Offizieren und Beamten, die aus
Wohldiencrei der Journalistik geheimnißvolle Mittheilungen zum Geschenk machen;
je uach der Farbe des Blattes bringe» sie Deuuuciativuc», Verschwärzungcn An¬
geklagter juud Verfolgter oder liberale Hofauekdvten und kaiserliche Genie- und
Kraftsprüche. Was nur irgend wie ein diplomatisches Kulissengcheimniß aussieht,
macht die Zeitungsschreiber glücklich; und sehr häufig gehen selbst die unabhängi¬
geren Blätter, halb unbewußt, in die Falle.
Am grellsten zeigte sich diese Taktik in den theils frauenhaften, theils senti¬
mentalen Nandzeichnungen der hiesigen Journale zum jüngsten Auszug des unga¬
rischen Trauerspiels. Die fabelhaften Widersprüche und Albernheiten darin ver¬
dienen eine kurze Beleuchtung. Scheiden wir aber erst die Schreibcrwclt in zwei
Lager, und beginnen wir mit den gut- und bestgestnutcn Organen: Oestreichischer
^»rrespondent, Courier, Geißel, Hans Jörgel u. s. w. Dies sind die Schafte
zur Rechten Schwarzeubergs sitzen, gemüthliche» Blutdurst predigen und aus
östreichischen Patriotismus kroatisches Deutsch kauderwälscheu. Lauge vor Bat-
rhyani's Tod flüsterte der östreichische Korrespondent von 17 Zeugen, die des Grafen
Mitschuld am Morde Latour's beschworen hätten. Im kriegsrechtlichen Urtheil
über Batthyani stand Nichts davon. Ferner, als die Nachricht vom 6. October
"^gemeine Bestürzung erregte, säuselte ein halboffizielles Blättchen: Haynau hat
^r der Execution die Proceßakten ans Appellationsgericht geschickt und dieses be¬
stätigte Batthyani's Verurtheilung. — Das Appellationsgericht hielt den Athem
Grenzboten. IV. 184». 28
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