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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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"Presse" wagte sogar, in Sachen Batthyani's auf den Rechtspuukt anzuspielen.
Die Stellung der armen Schandblätter war bemitleidenswert!) und ihr Benehmen
so ehrenhaft als der Belagerungszustand es erlaubte. Nachdem sie den Anforde¬
rungen der Humanität genügt, erwachte ihre Sorge um die Monarchie und mit
einer Loyalität, die bessern Dank verdiente, als ihr werden wird, beeilten sich die
sentimentalen Wühler, die Tradition von der väterlichen Milde der Habsburger
zu retten, den jungen Kaiser in der Vorstellung des Volkes von Hayuau zu tren¬
nen; es entstände" mit einem Zauberschlag die kühnsten und hoffiumgörcichsten
Voraussetzungen, Vermuthungen und Gerüchte; Versicherungen aus bester Quelle
und von wohlunterrichteten Personen, die ein halboffizielles Ansehen hatten, wur¬
den ausgestreut: -- Graf Grünne hatte seine Botschaft falsch ausgerichtet und ist
von der Person des Kaisers entfernt worden! -- Wird ein Auftrag der Art der
mündlichen Mittheilung anvertraut? Ist er nicht wichtig genug, um ein Blatt Pa¬
pier darauf zu verwenden? -- Die Minister sind anßer sich -- CabinetSkrisiS --
Der Kaiser hat geweint, er hatte Nichts geahnt -- lebhafte Scene zwischen Va¬
ter Radetzky und Haynan -- Haynan hat Urlaub genommen, ist in Gnaden ent¬
lassen. -- Ein dritter, diesmal wahrhaftiger und wirklicher Gnadeucvurier ist nach
Ungarn geflogen! und richtig, am 20. October erheben sich in Pesth drei neue
Galgen und werfen ihre nächtigen Schatten bis in das Herz des Wiener Volkes.
Grünne avancirt zum Gesandten in England -- die Minister schreiben ruhig ihre
"allerunterthänigster Vorträge" weiter -- Bach lächelt und Schmerling bringt ei¬
nen Toast aus die Einheit Deutschlands ans -- Vater Nadchky schüttelt Haynan
die Hand -- Haynan kehrt auf seinen Posten zurück, - der Kaiser geht zur Pa¬
rade. Und das Volk? -- wird kalt, höhnisch und verlernt zu glauben. Hängt
zu! sagt es; meine Nerven sind abgestumpft. negiere, wer da wolle: Haynan,
der Kaiser, Sophie oder Schmerling: es ist Eins, Alles Eins!

So entsteht die im Anfang dieses Briefes erwähnte Sage. Haynau terrori-
sirt die Dynastie. Er führt das Schwert sammt dem Zepter, und die Schuld
des am 6. und 20. vergossenen Blutes trägt einzig und allein der Dichter Karl
Beck, der sein halb bittendes, halb warnendes Amnestielied


("Den Aerzten wie den Königen
Sind viel der Leichen eine Schande")

falsch adressirt hat. Er hätte es nicht "An Franz Joseph," sondern "An Baron
Haynan" überschreiben solle".

Aber ist die Sage von Haynau's Allmacht nicht eben so lächerlich wie ver¬
zweifelt? Er ist nichts als ein treuer Diener seines Herrn. Die ihm die Voll¬
macht gaben, kannte" den "Feldherrn Einhalt" von Brescia her, wußten deu
Gebrauch, den er von ihr machen würde, und habe" seine Thaten zu verantworte".
Seine angebliche Drohung wäre sie nicht eine Albernheit gewesen? Haynan ist nicht
unentbehrlich, sein militärisches Talent ist kein unerhörtes, und was sein Profoßen-


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„Presse" wagte sogar, in Sachen Batthyani's auf den Rechtspuukt anzuspielen.
Die Stellung der armen Schandblätter war bemitleidenswert!) und ihr Benehmen
so ehrenhaft als der Belagerungszustand es erlaubte. Nachdem sie den Anforde¬
rungen der Humanität genügt, erwachte ihre Sorge um die Monarchie und mit
einer Loyalität, die bessern Dank verdiente, als ihr werden wird, beeilten sich die
sentimentalen Wühler, die Tradition von der väterlichen Milde der Habsburger
zu retten, den jungen Kaiser in der Vorstellung des Volkes von Hayuau zu tren¬
nen; es entstände» mit einem Zauberschlag die kühnsten und hoffiumgörcichsten
Voraussetzungen, Vermuthungen und Gerüchte; Versicherungen aus bester Quelle
und von wohlunterrichteten Personen, die ein halboffizielles Ansehen hatten, wur¬
den ausgestreut: — Graf Grünne hatte seine Botschaft falsch ausgerichtet und ist
von der Person des Kaisers entfernt worden! — Wird ein Auftrag der Art der
mündlichen Mittheilung anvertraut? Ist er nicht wichtig genug, um ein Blatt Pa¬
pier darauf zu verwenden? — Die Minister sind anßer sich — CabinetSkrisiS —
Der Kaiser hat geweint, er hatte Nichts geahnt — lebhafte Scene zwischen Va¬
ter Radetzky und Haynan — Haynan hat Urlaub genommen, ist in Gnaden ent¬
lassen. — Ein dritter, diesmal wahrhaftiger und wirklicher Gnadeucvurier ist nach
Ungarn geflogen! und richtig, am 20. October erheben sich in Pesth drei neue
Galgen und werfen ihre nächtigen Schatten bis in das Herz des Wiener Volkes.
Grünne avancirt zum Gesandten in England — die Minister schreiben ruhig ihre
„allerunterthänigster Vorträge" weiter — Bach lächelt und Schmerling bringt ei¬
nen Toast aus die Einheit Deutschlands ans — Vater Nadchky schüttelt Haynan
die Hand — Haynan kehrt auf seinen Posten zurück, - der Kaiser geht zur Pa¬
rade. Und das Volk? — wird kalt, höhnisch und verlernt zu glauben. Hängt
zu! sagt es; meine Nerven sind abgestumpft. negiere, wer da wolle: Haynan,
der Kaiser, Sophie oder Schmerling: es ist Eins, Alles Eins!

So entsteht die im Anfang dieses Briefes erwähnte Sage. Haynau terrori-
sirt die Dynastie. Er führt das Schwert sammt dem Zepter, und die Schuld
des am 6. und 20. vergossenen Blutes trägt einzig und allein der Dichter Karl
Beck, der sein halb bittendes, halb warnendes Amnestielied


(„Den Aerzten wie den Königen
Sind viel der Leichen eine Schande")

falsch adressirt hat. Er hätte es nicht „An Franz Joseph," sondern „An Baron
Haynan" überschreiben solle».

Aber ist die Sage von Haynau's Allmacht nicht eben so lächerlich wie ver¬
zweifelt? Er ist nichts als ein treuer Diener seines Herrn. Die ihm die Voll¬
macht gaben, kannte» den „Feldherrn Einhalt" von Brescia her, wußten deu
Gebrauch, den er von ihr machen würde, und habe» seine Thaten zu verantworte».
Seine angebliche Drohung wäre sie nicht eine Albernheit gewesen? Haynan ist nicht
unentbehrlich, sein militärisches Talent ist kein unerhörtes, und was sein Profoßen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/223>, abgerufen am 15.01.2025.