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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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Staatsvoranschlag für 1850 entworfen werden kann, welches Verwaltnngsjcchr mit
1. November beginnt, noch weniger ist dessen Bedarf gedeckt.

Der Minister greift also neuerdings zu dem bequemen Mittel -- vierte Maßregel
zur Ordnung des Geldwesens -- Papier als Geld auszugeben; er legt eine Fabrik
von: Reichsschatzscheinen an. Unter diesem Titel wird eine schwebende Schuld
gegründet, die gegen den Umlauf der verschiedenen Anweisungen manche Vortheile
gewährt; sie ist, durch die Eisenbahnen, welche der Staat baute, wenigstens eini¬
germaßen fundirt. Diese NeichSschatzscheine sollen zinstragend sein, und die Bank¬
noten aus dem Verkehr verdrängen. Kein cultivirter Staat wagte es bisher,
ein solches Geldpapier zu creiren, die Finanzwissenschaft wird mit einem neuen Ex¬
periment bereichert. Vielleicht gelingt es sogar, denn der fette östreichische Boden
überwuchert selbst solches Unkraut. Ein solches zinstragende Geld ist der Ruin
des Privatcredits und aller auf geringer Procentuation berechneten Unternehmun-
gen. Niemand wird auf ein Haus Geld leihen, wenn das Geld selbst ihm eben
so viel Interessen trägt; noch weniger wird Jemand sein Capital in einer Speku¬
lation wagen, das ihm bei Müßiggang Zinsen abwirft und dennoch sicher bleibt.
Schon haben sich Stimmen gegen dieses Zinsgeld aus dem Kreise der Industriellen
und der Grundbesitzer erhoben, denen die Kapitalien gekündigt wurden, wofür die
Besitzer sich die leichtbeweglichen, schnellumsetzbaren, stets in der Hand bleibenden
NeichSschatzscheine anschaffen werden. Der Zinsfuß wird also hiedurch erhöht und
dem Wucher in die Hand gearbeitet.

Von anderer Seite droht diesen Reichsschatzscheinen, für deren Tilgung und
Zinsenzahlung durchaus kein genügender Fond ausgewiesen ist, die Agiotage. Die
Summe der Emission ist vom Minister nicht angegeben, eben so wenig die Ziffer
des Zinses; er kann die NeichSschatzscheine ins Unzählige vermehren und den Zins
nach Belieben herabsetzen oder ganz aufheben. Nirgend eine Gewähr gegen den
Mißbrauch. Der Minister überträgt die Controle über diese NeichSschatzscheine---
der Nationalbank! Man traut den Augen kaum. Ein Institut, welches das
allgemeine Mißtrauen des ganzen Reiches auf sich lud, wird als Wächter der
Finanzverwaltung aufgestellt; eine Direction, welche wie die Pagode wackelte zu
Allem, was der Minister verlangte, soll als Garantie für dieses Papiergeld be¬
trachtet werden!

Die Reichsschatzscheine werden, sobald der Zwangcvurs aufgehoben wird,
dem Börsencourse unterliegen, und die Schwankung der Geldverhältnisse irritirt
vielleicht ein Jahrzehend lang unsern ganzen Verkehr. Die Banknote, welche neben
diesem Geldpapier fortbesteht, wird entweder bessern oder schlechtem Credit haben,
als der Rcichsschatzschein, und die Verschiedenheit der Landeswährung dehnt sich
vom Silber auch auf die Papiere aus. Im Auslande aber wird sich dieses Pa¬
pier erst Credit erwerben müssen, und ehe das geschieht, zieht der Rest unserer
Metallmünzen für den Import über die Grenze.


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Staatsvoranschlag für 1850 entworfen werden kann, welches Verwaltnngsjcchr mit
1. November beginnt, noch weniger ist dessen Bedarf gedeckt.

Der Minister greift also neuerdings zu dem bequemen Mittel — vierte Maßregel
zur Ordnung des Geldwesens — Papier als Geld auszugeben; er legt eine Fabrik
von: Reichsschatzscheinen an. Unter diesem Titel wird eine schwebende Schuld
gegründet, die gegen den Umlauf der verschiedenen Anweisungen manche Vortheile
gewährt; sie ist, durch die Eisenbahnen, welche der Staat baute, wenigstens eini¬
germaßen fundirt. Diese NeichSschatzscheine sollen zinstragend sein, und die Bank¬
noten aus dem Verkehr verdrängen. Kein cultivirter Staat wagte es bisher,
ein solches Geldpapier zu creiren, die Finanzwissenschaft wird mit einem neuen Ex¬
periment bereichert. Vielleicht gelingt es sogar, denn der fette östreichische Boden
überwuchert selbst solches Unkraut. Ein solches zinstragende Geld ist der Ruin
des Privatcredits und aller auf geringer Procentuation berechneten Unternehmun-
gen. Niemand wird auf ein Haus Geld leihen, wenn das Geld selbst ihm eben
so viel Interessen trägt; noch weniger wird Jemand sein Capital in einer Speku¬
lation wagen, das ihm bei Müßiggang Zinsen abwirft und dennoch sicher bleibt.
Schon haben sich Stimmen gegen dieses Zinsgeld aus dem Kreise der Industriellen
und der Grundbesitzer erhoben, denen die Kapitalien gekündigt wurden, wofür die
Besitzer sich die leichtbeweglichen, schnellumsetzbaren, stets in der Hand bleibenden
NeichSschatzscheine anschaffen werden. Der Zinsfuß wird also hiedurch erhöht und
dem Wucher in die Hand gearbeitet.

Von anderer Seite droht diesen Reichsschatzscheinen, für deren Tilgung und
Zinsenzahlung durchaus kein genügender Fond ausgewiesen ist, die Agiotage. Die
Summe der Emission ist vom Minister nicht angegeben, eben so wenig die Ziffer
des Zinses; er kann die NeichSschatzscheine ins Unzählige vermehren und den Zins
nach Belieben herabsetzen oder ganz aufheben. Nirgend eine Gewähr gegen den
Mißbrauch. Der Minister überträgt die Controle über diese NeichSschatzscheine---
der Nationalbank! Man traut den Augen kaum. Ein Institut, welches das
allgemeine Mißtrauen des ganzen Reiches auf sich lud, wird als Wächter der
Finanzverwaltung aufgestellt; eine Direction, welche wie die Pagode wackelte zu
Allem, was der Minister verlangte, soll als Garantie für dieses Papiergeld be¬
trachtet werden!

Die Reichsschatzscheine werden, sobald der Zwangcvurs aufgehoben wird,
dem Börsencourse unterliegen, und die Schwankung der Geldverhältnisse irritirt
vielleicht ein Jahrzehend lang unsern ganzen Verkehr. Die Banknote, welche neben
diesem Geldpapier fortbesteht, wird entweder bessern oder schlechtem Credit haben,
als der Rcichsschatzschein, und die Verschiedenheit der Landeswährung dehnt sich
vom Silber auch auf die Papiere aus. Im Auslande aber wird sich dieses Pa¬
pier erst Credit erwerben müssen, und ehe das geschieht, zieht der Rest unserer
Metallmünzen für den Import über die Grenze.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/15>, abgerufen am 15.01.2025.