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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band.

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durch eine Abendmusik darzubringen, und eine zahllose Menschenmasse stimmte aus
vollem Herze" in das laute Lebehoch auf diesen edlen Fürsten mit ein. Auch dem
Ministerpräsidenten v. Lützow, auf den sich jetzt der ganze Haß seiner Stantzes-
genossen gewälzt hatte, ward eine Nachtmusik gebracht. Unser Landadel will jetzt
übrigens auf gerichtlichem Wege gegen diese neue Verfassung Protestiren und un¬
sern Großherzog wegen der Publikation derselben beim Bundesschiedsgericht ver¬
klagen. Ein Organ fand diese Partei in dem zu Rostock erscheinenden "Norddeutschen
Correspondenten." Als Redacteur desselben ist der bekannte Herr v. Florencourt aus
Naumburg verschrieben, der früher als "Ultraradikaler" die "hamburgischen kritischen
Blätter" redigirte, daun als Konstitutioneller viel an den Biedermann'schen Zeit¬
schriften mitarbeitete, und endlich die berüchtigte, Tippelskirchische "Wochen¬
schrift für Stadt und Land," eine Zeitung, die unter der Maske eines scheinhei¬
ligen Pietismus, ein planmäßiges Verdummungssystem verfolgt und daher an den
Herren Eichhorn, Gerlach, Leo und Konsorten kräftige Beschützer fand, redigirte.
Diese Gönner recommandirten ihn denn auch uach Mecklenburg, um auch hier jede
auftauchende freieie geistige Entwickelung niederzukämpfen, ein Bestreben, was
außer bei unseren Landjunkern und deren Anhängsel, bisher sehr wenig Erfolg
gehabt hat. Hatte dieser "norddeutsche Korrespondent" doch die Frechheit, die
Spalten, in denen er unsere neue Verfassung verkündete, mit einem breiten Trauer¬
rand zu versehen.

Befolgt man von Seiten unseres Ministeriums den einmal betretenen Weg
mit Festigkeit und bleibt nach wie vor, wie man es jetzt so schön begonnen, auf¬
richtig constitutionell gesinnt, geht Mecklenburg-Schwerin einer schönen Zukunft
entgegen. Vor dem Elend der Ueberbevölkerung, und der daraus entsprin¬
genden Armuth so vieler Landstriche Deutschlands, ist es bis jetzt noch bewahrt,
denn der reiche Boden desselben vermag mit Leichtigkeit noch die doppelte Zahl
von Bewohnern zu ernähren. Zwar herrscht jetzt in manchen weniger fruchtbaren
Theilen des Landes oft ein Mangel an Arbeit, und die Zahl der besitzlosen Fa¬
milien Mecklenburgs ist verhältnißmäßig groß. Allein der Uebelstand, durch den dies
hervorgerufen ward, die Anhäufung großer Landgüter zu Majoraten und Fideicom-
missen ist in Folge der neuen Gesetzgebung gehoben. Landstriche, die ihrer
Größe wegen, von einem Besitzer kaum gut bewirthschaftet werden konnten, wer¬
den künstig drei bis vier Familien und dadurch wieder eine Menge Arbeiter sehr
reichlich ernähren. Auch in städtischen Gewerben und in der Anlage industrieller
Unternehmungen, die Mecklenburg bisher noch gänzlich fehlten, wird durch den
bald bevorstehenden Anschluß an den Zollverein ein wohlthätiger Umschwung ge¬
schehen. Ebenso wird die Trennung der Verwaltung von der Justiz, die Aufhe¬
bung der Patrimonialgerichte, die Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlich¬
keit im Gerichtsverfahren und der Geschwornengerichte, die Achtung vor dem Gc-


Grenzboten. IV. 184g. 18

durch eine Abendmusik darzubringen, und eine zahllose Menschenmasse stimmte aus
vollem Herze» in das laute Lebehoch auf diesen edlen Fürsten mit ein. Auch dem
Ministerpräsidenten v. Lützow, auf den sich jetzt der ganze Haß seiner Stantzes-
genossen gewälzt hatte, ward eine Nachtmusik gebracht. Unser Landadel will jetzt
übrigens auf gerichtlichem Wege gegen diese neue Verfassung Protestiren und un¬
sern Großherzog wegen der Publikation derselben beim Bundesschiedsgericht ver¬
klagen. Ein Organ fand diese Partei in dem zu Rostock erscheinenden „Norddeutschen
Correspondenten." Als Redacteur desselben ist der bekannte Herr v. Florencourt aus
Naumburg verschrieben, der früher als „Ultraradikaler" die „hamburgischen kritischen
Blätter" redigirte, daun als Konstitutioneller viel an den Biedermann'schen Zeit¬
schriften mitarbeitete, und endlich die berüchtigte, Tippelskirchische „Wochen¬
schrift für Stadt und Land," eine Zeitung, die unter der Maske eines scheinhei¬
ligen Pietismus, ein planmäßiges Verdummungssystem verfolgt und daher an den
Herren Eichhorn, Gerlach, Leo und Konsorten kräftige Beschützer fand, redigirte.
Diese Gönner recommandirten ihn denn auch uach Mecklenburg, um auch hier jede
auftauchende freieie geistige Entwickelung niederzukämpfen, ein Bestreben, was
außer bei unseren Landjunkern und deren Anhängsel, bisher sehr wenig Erfolg
gehabt hat. Hatte dieser „norddeutsche Korrespondent" doch die Frechheit, die
Spalten, in denen er unsere neue Verfassung verkündete, mit einem breiten Trauer¬
rand zu versehen.

Befolgt man von Seiten unseres Ministeriums den einmal betretenen Weg
mit Festigkeit und bleibt nach wie vor, wie man es jetzt so schön begonnen, auf¬
richtig constitutionell gesinnt, geht Mecklenburg-Schwerin einer schönen Zukunft
entgegen. Vor dem Elend der Ueberbevölkerung, und der daraus entsprin¬
genden Armuth so vieler Landstriche Deutschlands, ist es bis jetzt noch bewahrt,
denn der reiche Boden desselben vermag mit Leichtigkeit noch die doppelte Zahl
von Bewohnern zu ernähren. Zwar herrscht jetzt in manchen weniger fruchtbaren
Theilen des Landes oft ein Mangel an Arbeit, und die Zahl der besitzlosen Fa¬
milien Mecklenburgs ist verhältnißmäßig groß. Allein der Uebelstand, durch den dies
hervorgerufen ward, die Anhäufung großer Landgüter zu Majoraten und Fideicom-
missen ist in Folge der neuen Gesetzgebung gehoben. Landstriche, die ihrer
Größe wegen, von einem Besitzer kaum gut bewirthschaftet werden konnten, wer¬
den künstig drei bis vier Familien und dadurch wieder eine Menge Arbeiter sehr
reichlich ernähren. Auch in städtischen Gewerben und in der Anlage industrieller
Unternehmungen, die Mecklenburg bisher noch gänzlich fehlten, wird durch den
bald bevorstehenden Anschluß an den Zollverein ein wohlthätiger Umschwung ge¬
schehen. Ebenso wird die Trennung der Verwaltung von der Justiz, die Aufhe¬
bung der Patrimonialgerichte, die Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlich¬
keit im Gerichtsverfahren und der Geschwornengerichte, die Achtung vor dem Gc-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279547/141>, abgerufen am 15.01.2025.