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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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waren zum großen Theil eben so gediegen in ihrem Inhalt, als musterhaft in
der Form.

Wenn die deutsche Reform bis zu ihrer Krisis (im Ende April) ein Ausdruck
der allen Whigpartei gewesen war -- des liberalen Grundbesitzes mit etwas idealisti¬
schen Anseres -, so wurde sie nach dieser Zeit ein Organ der gemäßigten Tones,
der altpreußischen Bureaukraten, die eigentlich von der ganzen constttutiouellen
Wirthschaft nicht viel wissen wollten, sich aber nun darein zu schicken suchten, so gut ,
es gehn wollte, und die im Uebngen aus Preußen etwas hielten, auf den alten
Fritz und die historische Nummer der Regimenter, sehr im Gegensatz zu den Hoch-
tories der Neuen Preußischen, denen eben so wie den humanistischen Radicalen,
die Partei über das Vaterland ging. In dem Unterschied der beiden Phasen
dieser Zeitung hat man auch den Unterschied der Regierungen, die sie repräsentiren.
Der neuen Reform ist es um Logik, um Gründlichkeit, um Geist, um schöne
Worte nicht zu thun; sie steift sich auf das Nechtsprincip eben so wenig als auf
höhere Ideen, sie mag das Räsonniren nicht leiden, und wenn sie selber räsonnirt,
so ist es immer mit sehr handgreiflichen Gründen. Aber es ist etwas von der
alrpreußlsch - militärischen Derbheit in ihr, und es unterscheidet sie von der Diplo¬
matie der Staatszeitung, von dem pietistischen Doctrinarismus des politischen
Wochenblatts und der Gemeinheit der Kreuzzeitung. Sie hat die Haltung eines
Preußischen gedienten Polizeicvmmissarius, dem das Gebot der Treue das höchste
ist, der aber selbst, wenn er eS seiner Stellung für angemessen findet, brutal zu
sein, einen gewissen Anstand bewahrt.

In der letzten Zeit ist die Reaction so weit gediehen, daß die deutsche Reform,
wenn sie in ihrer Weise fortführe, die extremste Opposition bilden würde. Schon
daß sie sich mit dem Christenthum nicht genug zu thun macht, daß sie ihre Gegner
blos als Anarchisten, nicht aber auch als Gottesleugner und Juden verflucht, ist
schlimm; die Angriffe aber, die sie in der letzten Zeit gegen das heilige Oestreich
richtet -- verdeckt selbst gegen das noch heiligere Nußland, die höchst skandalöse An¬
erkennung, die sie den wüsten Demokraten von Gotha gezollt hat -- während
jeder Gutgesinnte aus der Art, wie der Dreikönigsentwurf in dieser Versamm¬
lung ausgenommen wurde, deutlich erkennen mußte, daß derselbe eigentlich auch
noch höchst ultra-revolutionär und gotteslästerlich ist -- das Alles ist aus die
Länge eben so wenig zu ertragen, als die Art, wie sie die fortwährend kühnen
Griffe des Ministeriums rechtfertigt. Sie gesteht zu, daß sie formelle Rechtsver¬
letzung enthalten, und macht nur die höhere geschichtliche Nothwendigkeit dem av-
straclen Nechtspriucip gegenüber geltend. Rechtsverletzung! Recht ist, was Se.
Majestät der König befiehlt, und waS den weisen Absichten des Monarchen im
Wege steht, ist Communismus und Anarchie. Rechtsverletzung! Ruhig im Ge¬
wehr! Der Soldat soll gehorchen, nicht räsonniren, und jeder preußische Unter¬
than ist geborner Soldat.


waren zum großen Theil eben so gediegen in ihrem Inhalt, als musterhaft in
der Form.

Wenn die deutsche Reform bis zu ihrer Krisis (im Ende April) ein Ausdruck
der allen Whigpartei gewesen war — des liberalen Grundbesitzes mit etwas idealisti¬
schen Anseres -, so wurde sie nach dieser Zeit ein Organ der gemäßigten Tones,
der altpreußischen Bureaukraten, die eigentlich von der ganzen constttutiouellen
Wirthschaft nicht viel wissen wollten, sich aber nun darein zu schicken suchten, so gut ,
es gehn wollte, und die im Uebngen aus Preußen etwas hielten, auf den alten
Fritz und die historische Nummer der Regimenter, sehr im Gegensatz zu den Hoch-
tories der Neuen Preußischen, denen eben so wie den humanistischen Radicalen,
die Partei über das Vaterland ging. In dem Unterschied der beiden Phasen
dieser Zeitung hat man auch den Unterschied der Regierungen, die sie repräsentiren.
Der neuen Reform ist es um Logik, um Gründlichkeit, um Geist, um schöne
Worte nicht zu thun; sie steift sich auf das Nechtsprincip eben so wenig als auf
höhere Ideen, sie mag das Räsonniren nicht leiden, und wenn sie selber räsonnirt,
so ist es immer mit sehr handgreiflichen Gründen. Aber es ist etwas von der
alrpreußlsch - militärischen Derbheit in ihr, und es unterscheidet sie von der Diplo¬
matie der Staatszeitung, von dem pietistischen Doctrinarismus des politischen
Wochenblatts und der Gemeinheit der Kreuzzeitung. Sie hat die Haltung eines
Preußischen gedienten Polizeicvmmissarius, dem das Gebot der Treue das höchste
ist, der aber selbst, wenn er eS seiner Stellung für angemessen findet, brutal zu
sein, einen gewissen Anstand bewahrt.

In der letzten Zeit ist die Reaction so weit gediehen, daß die deutsche Reform,
wenn sie in ihrer Weise fortführe, die extremste Opposition bilden würde. Schon
daß sie sich mit dem Christenthum nicht genug zu thun macht, daß sie ihre Gegner
blos als Anarchisten, nicht aber auch als Gottesleugner und Juden verflucht, ist
schlimm; die Angriffe aber, die sie in der letzten Zeit gegen das heilige Oestreich
richtet — verdeckt selbst gegen das noch heiligere Nußland, die höchst skandalöse An¬
erkennung, die sie den wüsten Demokraten von Gotha gezollt hat — während
jeder Gutgesinnte aus der Art, wie der Dreikönigsentwurf in dieser Versamm¬
lung ausgenommen wurde, deutlich erkennen mußte, daß derselbe eigentlich auch
noch höchst ultra-revolutionär und gotteslästerlich ist — das Alles ist aus die
Länge eben so wenig zu ertragen, als die Art, wie sie die fortwährend kühnen
Griffe des Ministeriums rechtfertigt. Sie gesteht zu, daß sie formelle Rechtsver¬
letzung enthalten, und macht nur die höhere geschichtliche Nothwendigkeit dem av-
straclen Nechtspriucip gegenüber geltend. Rechtsverletzung! Recht ist, was Se.
Majestät der König befiehlt, und waS den weisen Absichten des Monarchen im
Wege steht, ist Communismus und Anarchie. Rechtsverletzung! Ruhig im Ge¬
wehr! Der Soldat soll gehorchen, nicht räsonniren, und jeder preußische Unter¬
than ist geborner Soldat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/98>, abgerufen am 05.02.2025.