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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Vollständigkeit wegen erwähnen wir, daß Hanka auch Gedichte geschrieben hat *). Seine
Lieder erschienen wohl in fünf eleganten Auflagen und sind in einige slavische
Sprachen und durch John Bowring auch in's Englische übersetzt. Es weht in
denselben ein frischer, volksthümlicher Geist, doch sind sie zu ungefüge und ent¬
behren jeden höhern Schwunges. Poesie ist Hanka'S Achillesverse.


2. Safärik.

In der zweiten Bibliothek Prags im Clcmeutino finden Sie einen audern
Koryphäe" der böhmischen Literatur l),'. Paul Safarik, gegenwärtig ohne Frage
den Stern erster Größe am slavischen Gelehrtenhimmel. Seine äußere Erscheinung
ist einfach zwar, aber imponirend. Eine schlichte, ""gesuchte Toilette, durchweg
in dunkeln Farben bis ans die weiße Halsbinde, nichts Auffälliges daran, als etwa
der schwarze, breitkrämpige Filzhut. Der Kopf gleicht den antiken Büste", welche
den Namen Cato's von nella führen, von ernster, strenger, ächt römischer Schön¬
heit; schlichtes schwarzes Haar und markirte Züge.

Safarik kam am in. Mai 1795 zu Kobelarow in Oberungarn zur Welt,
wo sein Vater slovakischer Prediger war. Im Jahre 1815 hatte er bereits das
gesammte Studium der Theologie und Jurisprudenz an den heimischen Lehran¬
stalten vollendet und ging nach Jena, um daselbst uoch einige philosophische und
theologische Kollegien zu hören. Heinigekehrt warf er sich mit aller Kraft seines
Niesengeistcs aus da" Se"dium der slavischen Philologie und Archäologie, in wel¬
chen beiden Fächer" Safarik die bedeutendsten Männer aller Schwesternationen --
den berühmten Dobrowsky nicht ausgenommen -- weit hinter sich zurückgelassen
hat. Der Beginn seiner literarischen Thätigkeit schreibt sich eigentlich von, Jahre
1818; damals trat er als Reformator der czcchische" Prosodie auf. Von 1820
bis I8:n war Safarik Professor, eine Zeit auch Director des serbischen Gymna¬
sium zu Neusatz, in einer Stadt, welche sich wie wenige andere zum Wohnsitze
eiues slavische" Sprach- und Alterthumsforschers eignet. Die Umgebung ist reich
an archäologischen Schätzen und in der Nähe leben drei slavische Hauptmundarten
mit mehren Dialekten! die serbisch-kroatische, die czecho-slowakische und die bul¬
garische! -- Im Jahr 183!! gab Safarik sein Lehramt ans; es zog ihn nach der
Metropole der czechvslvvakis.hen Bewegung, nach Prag. Hier redigirte er durch
mehre Jahre das gediegene Organ des Nationalmuseums (^so^s coskcili" in".
so"",), erhielt dann die Stelle eines außerordentlichen Kustos an der k. Umver-
sitätsbibliothek, und im vorigen Jahre das Oberbiblivthekariat. Bis 1847 war
Safarik durch einige Jahre Censor gewesen und ward als solcher -- was unendlich



*) Darunter das älteste böhmische Gedicht: Qiliusin son-I, die wunderschöne epische Dich¬
tung der Altrussen Igor Swatoslavic, die Brunsviksage, den t"xt suers von Rheims, die
Vvsi-Ka des Johann Huß, die Papiere über den Passauer Einfall, das Leben Karl IV. von
Lupac v. Hlavoczov, die Psalmen des Georg Strcycz, Dobrowsky's nachgelassene Schriften,
namentlich seine böhmische Gramatik und sein Slavin u. a. in.
Grenzbvte". in. 1849. 10

Vollständigkeit wegen erwähnen wir, daß Hanka auch Gedichte geschrieben hat *). Seine
Lieder erschienen wohl in fünf eleganten Auflagen und sind in einige slavische
Sprachen und durch John Bowring auch in's Englische übersetzt. Es weht in
denselben ein frischer, volksthümlicher Geist, doch sind sie zu ungefüge und ent¬
behren jeden höhern Schwunges. Poesie ist Hanka'S Achillesverse.


2. Safärik.

In der zweiten Bibliothek Prags im Clcmeutino finden Sie einen audern
Koryphäe» der böhmischen Literatur l),'. Paul Safarik, gegenwärtig ohne Frage
den Stern erster Größe am slavischen Gelehrtenhimmel. Seine äußere Erscheinung
ist einfach zwar, aber imponirend. Eine schlichte, »»gesuchte Toilette, durchweg
in dunkeln Farben bis ans die weiße Halsbinde, nichts Auffälliges daran, als etwa
der schwarze, breitkrämpige Filzhut. Der Kopf gleicht den antiken Büste», welche
den Namen Cato's von nella führen, von ernster, strenger, ächt römischer Schön¬
heit; schlichtes schwarzes Haar und markirte Züge.

Safarik kam am in. Mai 1795 zu Kobelarow in Oberungarn zur Welt,
wo sein Vater slovakischer Prediger war. Im Jahre 1815 hatte er bereits das
gesammte Studium der Theologie und Jurisprudenz an den heimischen Lehran¬
stalten vollendet und ging nach Jena, um daselbst uoch einige philosophische und
theologische Kollegien zu hören. Heinigekehrt warf er sich mit aller Kraft seines
Niesengeistcs aus da« Se»dium der slavischen Philologie und Archäologie, in wel¬
chen beiden Fächer» Safarik die bedeutendsten Männer aller Schwesternationen --
den berühmten Dobrowsky nicht ausgenommen — weit hinter sich zurückgelassen
hat. Der Beginn seiner literarischen Thätigkeit schreibt sich eigentlich von, Jahre
1818; damals trat er als Reformator der czcchische» Prosodie auf. Von 1820
bis I8:n war Safarik Professor, eine Zeit auch Director des serbischen Gymna¬
sium zu Neusatz, in einer Stadt, welche sich wie wenige andere zum Wohnsitze
eiues slavische» Sprach- und Alterthumsforschers eignet. Die Umgebung ist reich
an archäologischen Schätzen und in der Nähe leben drei slavische Hauptmundarten
mit mehren Dialekten! die serbisch-kroatische, die czecho-slowakische und die bul¬
garische! — Im Jahr 183!! gab Safarik sein Lehramt ans; es zog ihn nach der
Metropole der czechvslvvakis.hen Bewegung, nach Prag. Hier redigirte er durch
mehre Jahre das gediegene Organ des Nationalmuseums (^so^s coskcili» in».
so»»,), erhielt dann die Stelle eines außerordentlichen Kustos an der k. Umver-
sitätsbibliothek, und im vorigen Jahre das Oberbiblivthekariat. Bis 1847 war
Safarik durch einige Jahre Censor gewesen und ward als solcher — was unendlich



*) Darunter das älteste böhmische Gedicht: Qiliusin son-I, die wunderschöne epische Dich¬
tung der Altrussen Igor Swatoslavic, die Brunsviksage, den t«xt suers von Rheims, die
Vvsi-Ka des Johann Huß, die Papiere über den Passauer Einfall, das Leben Karl IV. von
Lupac v. Hlavoczov, die Psalmen des Georg Strcycz, Dobrowsky's nachgelassene Schriften,
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[0081] Vollständigkeit wegen erwähnen wir, daß Hanka auch Gedichte geschrieben hat *). Seine Lieder erschienen wohl in fünf eleganten Auflagen und sind in einige slavische Sprachen und durch John Bowring auch in's Englische übersetzt. Es weht in denselben ein frischer, volksthümlicher Geist, doch sind sie zu ungefüge und ent¬ behren jeden höhern Schwunges. Poesie ist Hanka'S Achillesverse. 2. Safärik. In der zweiten Bibliothek Prags im Clcmeutino finden Sie einen audern Koryphäe» der böhmischen Literatur l),'. Paul Safarik, gegenwärtig ohne Frage den Stern erster Größe am slavischen Gelehrtenhimmel. Seine äußere Erscheinung ist einfach zwar, aber imponirend. Eine schlichte, »»gesuchte Toilette, durchweg in dunkeln Farben bis ans die weiße Halsbinde, nichts Auffälliges daran, als etwa der schwarze, breitkrämpige Filzhut. Der Kopf gleicht den antiken Büste», welche den Namen Cato's von nella führen, von ernster, strenger, ächt römischer Schön¬ heit; schlichtes schwarzes Haar und markirte Züge. Safarik kam am in. Mai 1795 zu Kobelarow in Oberungarn zur Welt, wo sein Vater slovakischer Prediger war. Im Jahre 1815 hatte er bereits das gesammte Studium der Theologie und Jurisprudenz an den heimischen Lehran¬ stalten vollendet und ging nach Jena, um daselbst uoch einige philosophische und theologische Kollegien zu hören. Heinigekehrt warf er sich mit aller Kraft seines Niesengeistcs aus da« Se»dium der slavischen Philologie und Archäologie, in wel¬ chen beiden Fächer» Safarik die bedeutendsten Männer aller Schwesternationen -- den berühmten Dobrowsky nicht ausgenommen — weit hinter sich zurückgelassen hat. Der Beginn seiner literarischen Thätigkeit schreibt sich eigentlich von, Jahre 1818; damals trat er als Reformator der czcchische» Prosodie auf. Von 1820 bis I8:n war Safarik Professor, eine Zeit auch Director des serbischen Gymna¬ sium zu Neusatz, in einer Stadt, welche sich wie wenige andere zum Wohnsitze eiues slavische» Sprach- und Alterthumsforschers eignet. Die Umgebung ist reich an archäologischen Schätzen und in der Nähe leben drei slavische Hauptmundarten mit mehren Dialekten! die serbisch-kroatische, die czecho-slowakische und die bul¬ garische! — Im Jahr 183!! gab Safarik sein Lehramt ans; es zog ihn nach der Metropole der czechvslvvakis.hen Bewegung, nach Prag. Hier redigirte er durch mehre Jahre das gediegene Organ des Nationalmuseums (^so^s coskcili» in». so»»,), erhielt dann die Stelle eines außerordentlichen Kustos an der k. Umver- sitätsbibliothek, und im vorigen Jahre das Oberbiblivthekariat. Bis 1847 war Safarik durch einige Jahre Censor gewesen und ward als solcher — was unendlich *) Darunter das älteste böhmische Gedicht: Qiliusin son-I, die wunderschöne epische Dich¬ tung der Altrussen Igor Swatoslavic, die Brunsviksage, den t«xt suers von Rheims, die Vvsi-Ka des Johann Huß, die Papiere über den Passauer Einfall, das Leben Karl IV. von Lupac v. Hlavoczov, die Psalmen des Georg Strcycz, Dobrowsky's nachgelassene Schriften, namentlich seine böhmische Gramatik und sein Slavin u. a. in. Grenzbvte». in. 1849. 10

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/81>, abgerufen am 05.02.2025.