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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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viel sagen will -- hochgeschätzt, wie sonst keiner seiner rothstiftbewaffneten Collegen.
Daß ein Mann wie Safarik dies Amt übernahm, pries man allgemein als eine
ehrenhafte und edle Aufopferung. Safarik hat als Censor viel gethan für die
freiere Entwicklung der czechischen Presse, welche eine vor dem März im absolutistischen
Oestreich noch gar nicht da gewesene frische und freie Sprache führte. Und da¬
mals brauchte es eines Mannes von solchem Ansehn, von solchem Takt, voll
Wahrheitsliebe und hochherziger Resignation um die Masse mißliebiger Artikel,
welche besonders die I'i.^sKv ""vin"; und die Vcelci brachten, durchzulassen und
sie mit fester Stirn einem Sedlnitzkh gegenüber zu vertheidigen. Safariks politi¬
sches Wirken nach den Umwälzungen des vorigen März beschränkte sich auf seine
Thätigkeit als Mitglied des vvrberatheuden Ausschusses beim Slavencongreß, und
beim Kongreß selbst auf seine wackere Haltung als Präsident der böhmischen Zunge
(der Section für Böhmen, Mähren, Schlesien und die Slovakei). Als solcher
hielt er bei der großen öffentlichen Sitzung im Sophiensaale eine vorzügliche,
energische Rede (böhmisch), über welche eben jetzt die "Wiener Boten" eben so
unrichtig als parteiisch referirten. Für den constituirenden Reichstag war Safarik
von mehr als einem Wahlbezirk zum Deputaten gewählt worden, lehnte jedoch
die Abgeordnetenstelle entschieden ab. -- Die Schriften Safarik's erfreuen sich
mit Recht eines europäischen Rufs, die bekanntesten davon sind seine slavischen
Alterthümer (8Ioviui"I<o "tiur7.it"o8ti) seine "Geschichte der slavischen Sprache
und Literatur," -- die "serbischen Lesekörner," -- "die ältesten Denkmale der
böhmischen Sprache," -- und das Buch der slovakischen Volkslieder (?i8"<;
kuku "too-msliollovv HI>"^cIi). Weniger bekannt dürfte Ihnen sein, daß aus Sa¬
farik's Feder eine meisterliche, czechische Uebersetzung von Schillers Marie Stuart
gedruckt vorliegt (Prag bei K. Gerzabek I8ÜI. VIII. 222 Seiten). Safarik besitzt,
der Einzige unter Oestreichs Gelehrten, den preußischen Orden pmir les merites,
doch Niemand sah ihn bis zur Stunde irgendwo mit der Dekoration desselben er¬
scheinen. Im Umgange ist Safarik der liebenswürdigste, anspruchloseste Manu,
Jedem freundlich entgegen kommend, jünger" Schriftstellern ein väterlicher Freund
und Rather, ohne irgend einen Anstrich vornehmer Herablassung.

Safarik's Schriften charakteristrt außer der großen Masse seines Wissens, die
Tiefe des Gedankens, die Energie und Schärfe des Ausdrucks. Er ist ohne Frage
der gelehrteste, gründlichste und geistvollste Slavist der Jetztzeit.


3. Palacky.

Palacky kennen Sie wohl aus deu Reichstagssälen von Wien und Kremsier
persönlich. Wenn nicht, werden Sie ihm wohl manchmal in Prag begegnet sein,
wenn er Mittags, ein dickes Schriftenfaszikel unter dem Arm ans dem Landesar¬
chiv von der Kleinscite über die Moldaubrücke nach der Altstadt wanderte. Sein
markirtes Aeußere muß Ihnen ausgefallen sein. Die mittelgroße Statur, der


viel sagen will — hochgeschätzt, wie sonst keiner seiner rothstiftbewaffneten Collegen.
Daß ein Mann wie Safarik dies Amt übernahm, pries man allgemein als eine
ehrenhafte und edle Aufopferung. Safarik hat als Censor viel gethan für die
freiere Entwicklung der czechischen Presse, welche eine vor dem März im absolutistischen
Oestreich noch gar nicht da gewesene frische und freie Sprache führte. Und da¬
mals brauchte es eines Mannes von solchem Ansehn, von solchem Takt, voll
Wahrheitsliebe und hochherziger Resignation um die Masse mißliebiger Artikel,
welche besonders die I'i.^sKv »»vin«; und die Vcelci brachten, durchzulassen und
sie mit fester Stirn einem Sedlnitzkh gegenüber zu vertheidigen. Safariks politi¬
sches Wirken nach den Umwälzungen des vorigen März beschränkte sich auf seine
Thätigkeit als Mitglied des vvrberatheuden Ausschusses beim Slavencongreß, und
beim Kongreß selbst auf seine wackere Haltung als Präsident der böhmischen Zunge
(der Section für Böhmen, Mähren, Schlesien und die Slovakei). Als solcher
hielt er bei der großen öffentlichen Sitzung im Sophiensaale eine vorzügliche,
energische Rede (böhmisch), über welche eben jetzt die „Wiener Boten" eben so
unrichtig als parteiisch referirten. Für den constituirenden Reichstag war Safarik
von mehr als einem Wahlbezirk zum Deputaten gewählt worden, lehnte jedoch
die Abgeordnetenstelle entschieden ab. — Die Schriften Safarik's erfreuen sich
mit Recht eines europäischen Rufs, die bekanntesten davon sind seine slavischen
Alterthümer (8Ioviui«I<o «tiur7.it»o8ti) seine „Geschichte der slavischen Sprache
und Literatur," — die „serbischen Lesekörner," — „die ältesten Denkmale der
böhmischen Sprache," — und das Buch der slovakischen Volkslieder (?i8»<;
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farik's Feder eine meisterliche, czechische Uebersetzung von Schillers Marie Stuart
gedruckt vorliegt (Prag bei K. Gerzabek I8ÜI. VIII. 222 Seiten). Safarik besitzt,
der Einzige unter Oestreichs Gelehrten, den preußischen Orden pmir les merites,
doch Niemand sah ihn bis zur Stunde irgendwo mit der Dekoration desselben er¬
scheinen. Im Umgange ist Safarik der liebenswürdigste, anspruchloseste Manu,
Jedem freundlich entgegen kommend, jünger» Schriftstellern ein väterlicher Freund
und Rather, ohne irgend einen Anstrich vornehmer Herablassung.

Safarik's Schriften charakteristrt außer der großen Masse seines Wissens, die
Tiefe des Gedankens, die Energie und Schärfe des Ausdrucks. Er ist ohne Frage
der gelehrteste, gründlichste und geistvollste Slavist der Jetztzeit.


3. Palacky.

Palacky kennen Sie wohl aus deu Reichstagssälen von Wien und Kremsier
persönlich. Wenn nicht, werden Sie ihm wohl manchmal in Prag begegnet sein,
wenn er Mittags, ein dickes Schriftenfaszikel unter dem Arm ans dem Landesar¬
chiv von der Kleinscite über die Moldaubrücke nach der Altstadt wanderte. Sein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/82>, abgerufen am 05.02.2025.