Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.ein andauernder Sieg der Volkssache noch zu unwahrscheinlich. Aber die Pflich¬ Fragen wir aber unsere jetzigen Staatslenker, die Vertheidiger des einigen Grenzboten. "I- 1849. 64
ein andauernder Sieg der Volkssache noch zu unwahrscheinlich. Aber die Pflich¬ Fragen wir aber unsere jetzigen Staatslenker, die Vertheidiger des einigen Grenzboten. "I- 1849. 64
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279531"/> <p xml:id="ID_1734" prev="#ID_1733"> ein andauernder Sieg der Volkssache noch zu unwahrscheinlich. Aber die Pflich¬<lb/> ten und deu Zweck eines Staates, und seit dem März 1848 die eines consti-<lb/> tutionellen Staates muß Oestreich in vollem Maße erfüllen, wenn seine<lb/> Regierung auch fernerhin hinreichende moralische Stützen finden soll, um sich gegen<lb/> die nationalen Stürme zu erhalten. In die verschiedenen Ideen und Interessen,<lb/> die sich an das alte Oestreich knüpfen, muß daher Einheit gebracht werden,<lb/> welche der speciellen Bestimmung Oestreichs, die Cultur nach dem Osten zu<lb/> tragen, zu entspreche» hat. Sowie Oestreich auch seine Aufgabe als Cultur,<lb/> Staat nur im Mindesten aufgibt oder verletzt, so fällt eine Bedingung seines<lb/> Werthes nach der anderen, bis mit der sinkenden Cultur die Monarchie verröchelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1735" next="#ID_1736"> Fragen wir aber unsere jetzigen Staatslenker, die Vertheidiger des einigen<lb/> „Oestreichs," die k. r. Generäle, — denn die Minister sind in den Principien<lb/> der Regierung für jetzt beinahe unzurechnungsfähig —, fragen wir sie, ob in die¬<lb/> sem Augenblicke das Rechtsgesetz — der erste und Hauptzweck eines Staa¬<lb/> tes — in Oestreich gehandhabt werde; fragen wir selbst die Minister, ob. eine<lb/> Regierung wirklich stark zu nennen sei, die ihre Befehle, wenn auch geheim, von<lb/> ihren Dienern erwartet? Auf diese Fragen werden sie schweigen müssen. Es ist<lb/> »och nicht sehr lange Zeit, als ein k. k. Soldat im Wirthshaus einer Provinzial«<lb/> stadt einen Studenten, weil er lange Haare trug, meuchlings und muthwillig den<lb/> Säbel in's Herz stieß. Was ist bisher diesem Meuchelmörder für Strafe wider¬<lb/> fahren, im Vergleich zu jenen Civilpersonen, welche wegen Beleidigung eines<lb/> Militärs stand- oder kriegsrechtlich behandelt wurden? Der Bürger, der in<lb/> Oestreich einen Soldaten unfreundlich ansieht, oder ihn unsanft berührt, kann,<lb/> wenn dieser boshaft genug ist, nach dem neuesten Militärcodex der Willkür, er-<lb/> schossen oder eingekerkert werden; denn der unfreundliche Blick ist Beleidigung des<lb/> Militärs, also Hochverrath. So hängt das Leben des constitutionellen Bürgers<lb/> lediglich von der Laune eines gemeinen Soldaten ab. Der Soldat hingegen, der<lb/> aus bloßem Zeitvertreib einen demokratisch aussehenden Menschen ermordet, gilt<lb/> offiziell als berauscht, also als Verbrecher imputabel, und seine Obern trösten ihn<lb/> allenfalls noch obendrein wegen seines Untersuchungsarrestes, oder schicken ihm<lb/> sogar Speise und Trank in's Gefängniß, erwägend, daß das Leben eines Demo<lb/> traten ja eigentlich kein Menschenleben sei, und — die Disciplin bleibt so in<lb/> Ehren. Was geschah, um noch ein Beispiel anzuführen, mit jenen Kürassierer,<lb/> welche den Redacteur eines Grätzer Volksblattes, weil er an dem strategische»<lb/> Talente des „Bombardirers" zu zweifeln sich erlaubte, eben so grausam als feig<lb/> in seinem Hause überraschte» und mißhandelten? Sie waren ebenfalls nicht<lb/> Zurechnungsfähig — was wir übrigens glaubwürdig finden — und die mili¬<lb/> tärische Gerechtigkeit durfte schonen. Dagegen lese man die Urtheile der<lb/> militärischen Inquisitionen über Civilpei hören, und man wird den berausch-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. "I- 1849. 64</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
ein andauernder Sieg der Volkssache noch zu unwahrscheinlich. Aber die Pflich¬
ten und deu Zweck eines Staates, und seit dem März 1848 die eines consti-
tutionellen Staates muß Oestreich in vollem Maße erfüllen, wenn seine
Regierung auch fernerhin hinreichende moralische Stützen finden soll, um sich gegen
die nationalen Stürme zu erhalten. In die verschiedenen Ideen und Interessen,
die sich an das alte Oestreich knüpfen, muß daher Einheit gebracht werden,
welche der speciellen Bestimmung Oestreichs, die Cultur nach dem Osten zu
tragen, zu entspreche» hat. Sowie Oestreich auch seine Aufgabe als Cultur,
Staat nur im Mindesten aufgibt oder verletzt, so fällt eine Bedingung seines
Werthes nach der anderen, bis mit der sinkenden Cultur die Monarchie verröchelt.
Fragen wir aber unsere jetzigen Staatslenker, die Vertheidiger des einigen
„Oestreichs," die k. r. Generäle, — denn die Minister sind in den Principien
der Regierung für jetzt beinahe unzurechnungsfähig —, fragen wir sie, ob in die¬
sem Augenblicke das Rechtsgesetz — der erste und Hauptzweck eines Staa¬
tes — in Oestreich gehandhabt werde; fragen wir selbst die Minister, ob. eine
Regierung wirklich stark zu nennen sei, die ihre Befehle, wenn auch geheim, von
ihren Dienern erwartet? Auf diese Fragen werden sie schweigen müssen. Es ist
»och nicht sehr lange Zeit, als ein k. k. Soldat im Wirthshaus einer Provinzial«
stadt einen Studenten, weil er lange Haare trug, meuchlings und muthwillig den
Säbel in's Herz stieß. Was ist bisher diesem Meuchelmörder für Strafe wider¬
fahren, im Vergleich zu jenen Civilpersonen, welche wegen Beleidigung eines
Militärs stand- oder kriegsrechtlich behandelt wurden? Der Bürger, der in
Oestreich einen Soldaten unfreundlich ansieht, oder ihn unsanft berührt, kann,
wenn dieser boshaft genug ist, nach dem neuesten Militärcodex der Willkür, er-
schossen oder eingekerkert werden; denn der unfreundliche Blick ist Beleidigung des
Militärs, also Hochverrath. So hängt das Leben des constitutionellen Bürgers
lediglich von der Laune eines gemeinen Soldaten ab. Der Soldat hingegen, der
aus bloßem Zeitvertreib einen demokratisch aussehenden Menschen ermordet, gilt
offiziell als berauscht, also als Verbrecher imputabel, und seine Obern trösten ihn
allenfalls noch obendrein wegen seines Untersuchungsarrestes, oder schicken ihm
sogar Speise und Trank in's Gefängniß, erwägend, daß das Leben eines Demo
traten ja eigentlich kein Menschenleben sei, und — die Disciplin bleibt so in
Ehren. Was geschah, um noch ein Beispiel anzuführen, mit jenen Kürassierer,
welche den Redacteur eines Grätzer Volksblattes, weil er an dem strategische»
Talente des „Bombardirers" zu zweifeln sich erlaubte, eben so grausam als feig
in seinem Hause überraschte» und mißhandelten? Sie waren ebenfalls nicht
Zurechnungsfähig — was wir übrigens glaubwürdig finden — und die mili¬
tärische Gerechtigkeit durfte schonen. Dagegen lese man die Urtheile der
militärischen Inquisitionen über Civilpei hören, und man wird den berausch-
Grenzboten. "I- 1849. 64
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