Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.ten Zustand eines Compromittirten nur in so weit als Milderungsumstand Hört diese Salven, sie verkünden ein bedeutungsvolles Fest. Wem gilt's? ten Zustand eines Compromittirten nur in so weit als Milderungsumstand Hört diese Salven, sie verkünden ein bedeutungsvolles Fest. Wem gilt's? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279532"/> <p xml:id="ID_1736" prev="#ID_1735"> ten Zustand eines Compromittirten nur in so weit als Milderungsumstand<lb/> finden, daß der Unglückliche um einige Jahre oder Monate weniger die Kerker¬<lb/> lust zu empfinden begnadigt wurde. Wer sich über die juridische Tüchtig¬<lb/> keit der Militärgerichte bei uns spezieller aufklären will, der lese jene Reihe<lb/> von Aufsätzen, die in mäßiger, klarer Sprache von der „Ostdeutschen Post" über<lb/> denselben Gegenstand geliefert wurden. Aus diese Weise erfüllt also Oestreich bet<lb/> seinem allgemeinen Ausnahmszustande, der doch in keinem Falle das Recht tödten<lb/> darf, seinen ersten Staatszweck nicht, und der „Rechtsstaat" wird bei seiner<lb/> militärischen Gestalt, wie es die jetzige ist, durch das östreichische Bewußtsein nicht<lb/> begründet werden. Gehen wir weiter. Wenn wir uns ans cultivirten Boden<lb/> wagen und Oestreich überschauen wollten, so ist diese Aussicht auch wenig reizend.<lb/> Die Säbelherrschaft kann eben so wenig geeignet sein, die Oestreich-Idee vor¬<lb/> theilhaft in die Seelen zu pflanzen, als derselben vor Gott und der Welt Ehre<lb/> zu machen. Gar mancher fühlende Oestreicher muß erröthen, wenn man ihn im<lb/> Auslande nach seiner Heimath fragt, wo das neunzehnte Jahrhundert unvertilgbare<lb/> Spuren des schmählichsten Wandalismus hinterlassen wird. Die Solidarität, wo¬<lb/> mit ein Wütherich eines einzigen Verbrechers wegen ganze Ortschaften einäschert<lb/> und dem Boden gleichmacht, die rohe mittelalterliche Manier, womit das Faust¬<lb/> recht ganze Gemeinden eines Einzigen halber plündert und beraubt, erinnert uns<lb/> an das Gebet des alten Patriarchen für Sodom und Gomorrha, und wir sind<lb/> überzeugt, daß solcher Widerspruch mit den göttlichen Principien nicht religiös und<lb/> auch unmöglich das Attribut von „Gottes Gnaden" an sich trägt. Diese unver¬<lb/> antwortliche Regierungsweise schändet das Reich und das Jahrhundert und wird<lb/> nie Sympathien in den Herzen der Völker gewinnen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1737" next="#ID_1738"> Hört diese Salven, sie verkünden ein bedeutungsvolles Fest. Wem gilt's?<lb/> Doch nicht etwa die Säcularfeier des deutschen Dichterfürsten, dessen Riesengeist<lb/> in tausend Städten so geräuschvoll verehrt wird? O nein, in Oestreich flieht die<lb/> Muse vor dem Portvpve des Soldaten, die Kunst kann keine Triumphe feiern,<lb/> wo der Krieger alle für sich in Anspruch nimmt. Nein, es ist Größeres. —<lb/> Italien ist bezwungen, in den leeren Staatsschatz des Kaiserreichs fällt ein leichter<lb/> Tropfen in das Schuldenmeer, die Geldbuße des besiegten Sardenkönigs, und da<lb/> donnert es in alle Welt: Der Ruhm der östreichischen Waffen, die Einheit und<lb/> Stärke der Monarchie ist gerettet! Wohl, und wir danken dem greisen Sieger<lb/> Radetzky, aber blickt hin nach dem Castell von Mailand und sagt, ob auch dieser<lb/> Wahlplatz des Siegers würdig ist? Hört das klägliche Wimmern der Gemarter¬<lb/> ten, seht, wie zarte Jungfrauen erliegen unter barbarischen Streichen, seht die<lb/> Geknickten noch sterbend erröthen, und sagt dann, ob die militärische Ehre mit<lb/> der menschlichen identisch sei? — Und bei dem Allen exerziren sich die Herren in<lb/> Paris in schönen, philosophischen und philantropischen Reden und predigen den<lb/> Weltfrieden und die allgemeine Entwaffnung! O ihr herzlich guten Quäker,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
ten Zustand eines Compromittirten nur in so weit als Milderungsumstand
finden, daß der Unglückliche um einige Jahre oder Monate weniger die Kerker¬
lust zu empfinden begnadigt wurde. Wer sich über die juridische Tüchtig¬
keit der Militärgerichte bei uns spezieller aufklären will, der lese jene Reihe
von Aufsätzen, die in mäßiger, klarer Sprache von der „Ostdeutschen Post" über
denselben Gegenstand geliefert wurden. Aus diese Weise erfüllt also Oestreich bet
seinem allgemeinen Ausnahmszustande, der doch in keinem Falle das Recht tödten
darf, seinen ersten Staatszweck nicht, und der „Rechtsstaat" wird bei seiner
militärischen Gestalt, wie es die jetzige ist, durch das östreichische Bewußtsein nicht
begründet werden. Gehen wir weiter. Wenn wir uns ans cultivirten Boden
wagen und Oestreich überschauen wollten, so ist diese Aussicht auch wenig reizend.
Die Säbelherrschaft kann eben so wenig geeignet sein, die Oestreich-Idee vor¬
theilhaft in die Seelen zu pflanzen, als derselben vor Gott und der Welt Ehre
zu machen. Gar mancher fühlende Oestreicher muß erröthen, wenn man ihn im
Auslande nach seiner Heimath fragt, wo das neunzehnte Jahrhundert unvertilgbare
Spuren des schmählichsten Wandalismus hinterlassen wird. Die Solidarität, wo¬
mit ein Wütherich eines einzigen Verbrechers wegen ganze Ortschaften einäschert
und dem Boden gleichmacht, die rohe mittelalterliche Manier, womit das Faust¬
recht ganze Gemeinden eines Einzigen halber plündert und beraubt, erinnert uns
an das Gebet des alten Patriarchen für Sodom und Gomorrha, und wir sind
überzeugt, daß solcher Widerspruch mit den göttlichen Principien nicht religiös und
auch unmöglich das Attribut von „Gottes Gnaden" an sich trägt. Diese unver¬
antwortliche Regierungsweise schändet das Reich und das Jahrhundert und wird
nie Sympathien in den Herzen der Völker gewinnen können.
Hört diese Salven, sie verkünden ein bedeutungsvolles Fest. Wem gilt's?
Doch nicht etwa die Säcularfeier des deutschen Dichterfürsten, dessen Riesengeist
in tausend Städten so geräuschvoll verehrt wird? O nein, in Oestreich flieht die
Muse vor dem Portvpve des Soldaten, die Kunst kann keine Triumphe feiern,
wo der Krieger alle für sich in Anspruch nimmt. Nein, es ist Größeres. —
Italien ist bezwungen, in den leeren Staatsschatz des Kaiserreichs fällt ein leichter
Tropfen in das Schuldenmeer, die Geldbuße des besiegten Sardenkönigs, und da
donnert es in alle Welt: Der Ruhm der östreichischen Waffen, die Einheit und
Stärke der Monarchie ist gerettet! Wohl, und wir danken dem greisen Sieger
Radetzky, aber blickt hin nach dem Castell von Mailand und sagt, ob auch dieser
Wahlplatz des Siegers würdig ist? Hört das klägliche Wimmern der Gemarter¬
ten, seht, wie zarte Jungfrauen erliegen unter barbarischen Streichen, seht die
Geknickten noch sterbend erröthen, und sagt dann, ob die militärische Ehre mit
der menschlichen identisch sei? — Und bei dem Allen exerziren sich die Herren in
Paris in schönen, philosophischen und philantropischen Reden und predigen den
Weltfrieden und die allgemeine Entwaffnung! O ihr herzlich guten Quäker,
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