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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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als im verheerenden Erze, welches zwar tyrannisirt, aber nicht regiert, zwar ver¬
letzt, aber nicht beglückt.

Blicken wir auf den Kampf der Parteien zurück, wie er noch vor wenig
Monden sich vor unserer Anschauung offen entfaltete, indem wir das Einst und
Jetzt prüfend vergleichen, so äußerten sich damals " Centralstaat" und "Födera¬
tivstaat" als die Losungsworte zweier Parteien, deren jede sich rühmte, ein freies,
starkes, einiges Oestreich zu wollen. Beide behaupteten, von gleich wahrem Eifer
für die Monarchie beseelt zu sein und doch waren die Ansichten beider einander
schroff entgegen.

Wem sind z. B. die Forderungen nicht bekannt, welche die verschiedenen
Nationen Oestreichs, Deutsche, Slaven und Magyaren theils schon erfüllt glaub¬
ten, theils durch Petitionen an die Negierung stellten, theils untereinander vor¬
bereiteten. Durch die Unabhängigkeit der Magyaren ist jetzt ein blutiger Strich
gemacht worden; die Mähren (d. h. ein Theil der mährischen Slaven, keineswegs
aber die Mehrheit des Landes, welche einem solchen Ansinnen geradezu entgegen
war) wollten mit Böhmen gemeinschaftliche Centralbehörden, wodurch diese beiden
Kronländer, im Widerspruche mit andern von ihnen gehegten, gerade ans Sepa¬
ration hinzielenden Bestrebnissen, zu Einem Lande vereinigt werden sollten; die
Polen und Ruthenen in Galizien forderten ebenfalls eigene verantwortliche Cen¬
tralbehörden und nationales Beamtenwesen; die Slovaken und Ruthenen, welche
von diesen jenseits im Lande der Ungarn lebten, verlangten Gleichberechtigung
mit den Magyaren des Kossnthschen Regimes und selbstständige Nationalcongresse;
die Serben in der Woywodina baten um die Bestätigung der Carlowitzer Be¬
schlüsse; die Kroaten bestanden ans die Erfüllung der Landtagsbeschlüsse der drei¬
einigen Königreiche Slavonien, Kroatien und Dalmatien, die Slovenen in Steyer-
mark und Jllyrien wollten ein neues Königreich Slovenien mit der Hauptstadt
Laibach; die Czechen wollten dies Alles und als Hanptwuusch die vollkommene
Slavisiruug Oestreichs und Böhmens, während wieder die Deutsch-Oestreicher
aus leicht erklärlichen Gründen in solcher Gestaltung Gefahr für sich erblickten
und z. B. in Böhmen eben deshalb eine Theilung dieses Landes nach den Natio¬
nalitäten anstrebten. Und dennoch war das Losungswort aller dieser Petenten:
"Oestreich über Alles"!? Ob solche Forderungen durchgehends auf einer
gesunden und ehrlichen Politik beruhten, wollen wir hier nicht entscheiden; genug,
das Föderativsystem liegt jetzt in Einem Sarge mit dem Panslavismus; das Ministe¬
rium Schwarzenberg aber hat darauf sein centralistisches Reichspanier aufgepflanzt
und nennt sich eine starke Regierung. Die Völker geben sich allmälig damit zu¬
frieden. In Oestreich haben wir ja ohnehin keine Stimme mehr, alle Staats¬
weisheit ist in die Haubitzen gefahren und in einem jede" Vormeister steckt ein
kleiner Völkerbeglücker. In einem neuen nationalen Kampf zwischen plan- und
bedachtlosen Völkern einerseits und intriguanten, mächtigen Höfen andererseits, ist


als im verheerenden Erze, welches zwar tyrannisirt, aber nicht regiert, zwar ver¬
letzt, aber nicht beglückt.

Blicken wir auf den Kampf der Parteien zurück, wie er noch vor wenig
Monden sich vor unserer Anschauung offen entfaltete, indem wir das Einst und
Jetzt prüfend vergleichen, so äußerten sich damals „ Centralstaat" und „Födera¬
tivstaat" als die Losungsworte zweier Parteien, deren jede sich rühmte, ein freies,
starkes, einiges Oestreich zu wollen. Beide behaupteten, von gleich wahrem Eifer
für die Monarchie beseelt zu sein und doch waren die Ansichten beider einander
schroff entgegen.

Wem sind z. B. die Forderungen nicht bekannt, welche die verschiedenen
Nationen Oestreichs, Deutsche, Slaven und Magyaren theils schon erfüllt glaub¬
ten, theils durch Petitionen an die Negierung stellten, theils untereinander vor¬
bereiteten. Durch die Unabhängigkeit der Magyaren ist jetzt ein blutiger Strich
gemacht worden; die Mähren (d. h. ein Theil der mährischen Slaven, keineswegs
aber die Mehrheit des Landes, welche einem solchen Ansinnen geradezu entgegen
war) wollten mit Böhmen gemeinschaftliche Centralbehörden, wodurch diese beiden
Kronländer, im Widerspruche mit andern von ihnen gehegten, gerade ans Sepa¬
ration hinzielenden Bestrebnissen, zu Einem Lande vereinigt werden sollten; die
Polen und Ruthenen in Galizien forderten ebenfalls eigene verantwortliche Cen¬
tralbehörden und nationales Beamtenwesen; die Slovaken und Ruthenen, welche
von diesen jenseits im Lande der Ungarn lebten, verlangten Gleichberechtigung
mit den Magyaren des Kossnthschen Regimes und selbstständige Nationalcongresse;
die Serben in der Woywodina baten um die Bestätigung der Carlowitzer Be¬
schlüsse; die Kroaten bestanden ans die Erfüllung der Landtagsbeschlüsse der drei¬
einigen Königreiche Slavonien, Kroatien und Dalmatien, die Slovenen in Steyer-
mark und Jllyrien wollten ein neues Königreich Slovenien mit der Hauptstadt
Laibach; die Czechen wollten dies Alles und als Hanptwuusch die vollkommene
Slavisiruug Oestreichs und Böhmens, während wieder die Deutsch-Oestreicher
aus leicht erklärlichen Gründen in solcher Gestaltung Gefahr für sich erblickten
und z. B. in Böhmen eben deshalb eine Theilung dieses Landes nach den Natio¬
nalitäten anstrebten. Und dennoch war das Losungswort aller dieser Petenten:
„Oestreich über Alles"!? Ob solche Forderungen durchgehends auf einer
gesunden und ehrlichen Politik beruhten, wollen wir hier nicht entscheiden; genug,
das Föderativsystem liegt jetzt in Einem Sarge mit dem Panslavismus; das Ministe¬
rium Schwarzenberg aber hat darauf sein centralistisches Reichspanier aufgepflanzt
und nennt sich eine starke Regierung. Die Völker geben sich allmälig damit zu¬
frieden. In Oestreich haben wir ja ohnehin keine Stimme mehr, alle Staats¬
weisheit ist in die Haubitzen gefahren und in einem jede» Vormeister steckt ein
kleiner Völkerbeglücker. In einem neuen nationalen Kampf zwischen plan- und
bedachtlosen Völkern einerseits und intriguanten, mächtigen Höfen andererseits, ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/504>, abgerufen am 10.02.2025.