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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Süden, er will ein Oestreich, weil er in diesem allein seine nationale Existenz
gesichert glaubt, und um ein Oestreich wollen zu können, verkauft er sich unbe¬
wußt, bei allem Freiheitstriebe der ihn beseelt, dennoch dynastischem Doppelspiele,
zu willkommenen Werkzeug, um vernichtet zu werden, ist er benutzt.

Wir hören im Geiste das Sprachengewirre, den Kampf mit dem Deutschen,
der kalt, und im Besitze alterworbenen Vorrechts sie alle soll beherrschen und lei¬
ten, dessen Sprache ihnen allen die gemeinsame werden soll, ja werden muß, soll
ein Parlement, und in diesem die Freiheit, ein Oestreich sich begründen.

Ein Staat aber, den seine eigenen Völker negiren, ist kein Staat mehr, er
kann nur als Domaine bestehen, so lange dem Herrn die Mittel nicht fehlen sein
Eigenthum zu schützen gegen den äußern und innern Feind. Bis hente hat diese
Domaine den Kampf zwar bestanden, doch wer verbürgt, daß dieser Kampf der
letzte gewesen, daß dem innern Feinde sich der äußern viele nicht beigesellen, seit
man die klaffenden Wunden Oestreichs erkannt, wer besonders verbürgt der heu¬
tigen Freundschaft Dauer und Bestand? jener Freundschaft, von der es vor
wenig Monden noch abhing, ob ein Oestreich noch ferner bestehen solle, ob nicht.
Eine Habsburgsdomaiue Oestreich geben wir zu, ein wirklich constitutioneller
Staat Oestreich aber ist ein unhaltbares Traumgebilde, ein Phantom, eine große
Lüge, man wollte denn jede Föderationsidee als letzten Versuch ins Leben tragen,
welche in den Einzelländern so viele Anhänger zählt.

Doch auch diese ist nnr die friedliche Vorbereitung des allmäligen Zerfallens
deS heutigen Oestreichs.

Das eben fühlen die dynastischen Regicnmgsvrgane und kämpfen darum an
gegen die Föderation, ob mit Recht? wir möchten's bezweifeln.

Ein Oestreich zerfällt, ein Ostreich aber ersteht, ein neues, ein anderes;
es ist zu erwägen, welche Maxime den Zerfall beschleunigt, welche ihn gewaltsam
herbeiführt --^ welche dagegen ihn allmälig friedlich vorbereitend vermittelt.

Die Centralisation, identisch mit schneller unvermeidlicher Rückkehr zu starrem
Absolutismus, legt selber die Lunte in die geladene Mine, und Oestreich stürzt in
Bankbruch, Revolution und Vernichtung zusammen; vorbereitenden Uebergang zu
volksthümlicher Gestaltung dagegen erwarten wir entschieden von der Föderation,
von einer Form, welche einem Reichstag ganz unpassend, in den Einzellandtagen
die zweite Kammer, durch eigenthümliche Normen zu ersetzen sucht und blos durch
einen Senat die Vereinigung zu einem Ganzen vermittelt.

Das Homogene wird sich dann finden und einen, und später einst trennen
sich die deutschen von den slavischen Landen, jene fallen an Dentschland zurück,
dem sie entstammen, diese verstärken sich im Osten und bilden ein Oestreich, wenn
die Bildung, die mildere Sitte im heute uichtöstreichischen slavischen Osten heimisch
geworden, wenn dieser dnrch vorausgegangenen civilen Absolutismus herangebildet
sein wird.


Süden, er will ein Oestreich, weil er in diesem allein seine nationale Existenz
gesichert glaubt, und um ein Oestreich wollen zu können, verkauft er sich unbe¬
wußt, bei allem Freiheitstriebe der ihn beseelt, dennoch dynastischem Doppelspiele,
zu willkommenen Werkzeug, um vernichtet zu werden, ist er benutzt.

Wir hören im Geiste das Sprachengewirre, den Kampf mit dem Deutschen,
der kalt, und im Besitze alterworbenen Vorrechts sie alle soll beherrschen und lei¬
ten, dessen Sprache ihnen allen die gemeinsame werden soll, ja werden muß, soll
ein Parlement, und in diesem die Freiheit, ein Oestreich sich begründen.

Ein Staat aber, den seine eigenen Völker negiren, ist kein Staat mehr, er
kann nur als Domaine bestehen, so lange dem Herrn die Mittel nicht fehlen sein
Eigenthum zu schützen gegen den äußern und innern Feind. Bis hente hat diese
Domaine den Kampf zwar bestanden, doch wer verbürgt, daß dieser Kampf der
letzte gewesen, daß dem innern Feinde sich der äußern viele nicht beigesellen, seit
man die klaffenden Wunden Oestreichs erkannt, wer besonders verbürgt der heu¬
tigen Freundschaft Dauer und Bestand? jener Freundschaft, von der es vor
wenig Monden noch abhing, ob ein Oestreich noch ferner bestehen solle, ob nicht.
Eine Habsburgsdomaiue Oestreich geben wir zu, ein wirklich constitutioneller
Staat Oestreich aber ist ein unhaltbares Traumgebilde, ein Phantom, eine große
Lüge, man wollte denn jede Föderationsidee als letzten Versuch ins Leben tragen,
welche in den Einzelländern so viele Anhänger zählt.

Doch auch diese ist nnr die friedliche Vorbereitung des allmäligen Zerfallens
deS heutigen Oestreichs.

Das eben fühlen die dynastischen Regicnmgsvrgane und kämpfen darum an
gegen die Föderation, ob mit Recht? wir möchten's bezweifeln.

Ein Oestreich zerfällt, ein Ostreich aber ersteht, ein neues, ein anderes;
es ist zu erwägen, welche Maxime den Zerfall beschleunigt, welche ihn gewaltsam
herbeiführt —^ welche dagegen ihn allmälig friedlich vorbereitend vermittelt.

Die Centralisation, identisch mit schneller unvermeidlicher Rückkehr zu starrem
Absolutismus, legt selber die Lunte in die geladene Mine, und Oestreich stürzt in
Bankbruch, Revolution und Vernichtung zusammen; vorbereitenden Uebergang zu
volksthümlicher Gestaltung dagegen erwarten wir entschieden von der Föderation,
von einer Form, welche einem Reichstag ganz unpassend, in den Einzellandtagen
die zweite Kammer, durch eigenthümliche Normen zu ersetzen sucht und blos durch
einen Senat die Vereinigung zu einem Ganzen vermittelt.

Das Homogene wird sich dann finden und einen, und später einst trennen
sich die deutschen von den slavischen Landen, jene fallen an Dentschland zurück,
dem sie entstammen, diese verstärken sich im Osten und bilden ein Oestreich, wenn
die Bildung, die mildere Sitte im heute uichtöstreichischen slavischen Osten heimisch
geworden, wenn dieser dnrch vorausgegangenen civilen Absolutismus herangebildet
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/500>, abgerufen am 10.02.2025.