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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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nicht blos der rothe Streifen am Rock, der beide Heerestheile trennt, der Geist
der Landwehroffiziere ist ein anderer als der der Linie; die Erziehung der Ka-
dettenhäuser, wenn gleich in mancher Beziehung verbessert, doch immer einseitig,
gilt auch heut noch als die beste Vorbereitung für die militärische Laufbahn, und
sie steht, wenn auch anderen Ständen nicht gerade verschlossen -- vorzugsweise
nur Offizierssöhnen offen, denn diese uur nehmen an den bedeutenden Vergün¬
stigungen Theil, wodurch die Erziehung in jenen Anstalten erleichtert wird. Erst
um längerer Krieg, und die damit nothwendig verbundene Vermischung wird die
Kluft zwischen Landwehr und Linie ausfüllen können, uur Pulver ist der Kitt,
der sie zu schließen vermag. Bis dahin gilt -- gleichviel ob es mit Recht oder
Unrecht -- die Linie für die Stütze der Reaktion, die Landwehr für die Beschü-
herin der Volksrechte. Daher entschloß man sich ungern, die Landwehr unter die
Waffen zu rufen, daher schrieb man die Ungeschicklichkeit mancher Führer auf
Rechnung des wiedersetzlicheu Geistes, den die Landwehr in sich aufgenommen
habe, und that ihr einen Augenblick lang manches Unrecht. -- Daß min die März¬
ereignisse das Heer uicht populär machen konnten, begreift sich leicht, daß aber
Maßlose Schmähsucht mit ihren wiederlieben Geifer, die Gesinnung, die Ehrenhaf¬
tigkeit eines Heeres besudeln dürfte, welches stets seinem König tren ergeben ge¬
wesen war, und welches vom alten Zopf eben auch nicht mehr behalten hat, als
der Held auf der Bierbank, wird stets den Vaterlandsfrenud mit Wehmuth, viel¬
leicht, mit bitterm Grolle erfüllen.

Der lange Frieden hat nicht verfehlt auch für die Cultureutwicklnng Schlesiens
wohlthätige Früchte zu tragen. Preußen und die mit ihm durch eine verständige Ver¬
einbarung verbundenen Zollvereinsstaaten haben nicht unrühmlichen Antheil an den
industriellen Bestrebungen genommen, durch welche mau sich von England zu eman-
cipiren hoffte. Die preußischen Finanzen bewähren sich selbst in der Zeit der Noth.
Der Bergbau war wieder aufgeblüht, und beschäftigte, wenn gleich um kärglichen
Lohn, Tausende von Arbeitern; die Wollen-, ja selbst die Baumwollenindustrie,
bietet den englischen Mitbewerbern auf deutscheu oder andern Märkten die Spitze,
und dem Hütteubetrieb und Maschinenbauwesen gelingt es immer mehr, den Triumph
Moderner Industrie, die Eisenbahnen, von dem Auslande frei zu machen. Große
Kapitalien haben sich in den Händen reicher Kaufherrn oder Grubenbesitzer ange¬
häuft, der Zinsfuß war in Folge dieser Kapitalansammlungcn herunter gegangen,
und hatte die Reduktion der Zinsen der Staatsschulden, so wie der Pfandbriefe
Möglich gemacht, und wenn gleich es eine Zeit lang.schien, als wolle ein immer
nu größeren Ausschweifungen hinneigender Papier- und Effektenhandel, die rasch
gewonnenen Reichthümer andern gewerblichen Zwecken entziehen, so fehlte es doch
den collossalsten Bauwerken unserer Zeit, den Eisenbahnen, weder an Geld, noch
an Unternehmern, städtische und ländliche Grundstücke stiegen zu immer höheren
Preisen, und überall hatte sich Glanz und Wohlhabenheit, oft zum schwelgerische"


nicht blos der rothe Streifen am Rock, der beide Heerestheile trennt, der Geist
der Landwehroffiziere ist ein anderer als der der Linie; die Erziehung der Ka-
dettenhäuser, wenn gleich in mancher Beziehung verbessert, doch immer einseitig,
gilt auch heut noch als die beste Vorbereitung für die militärische Laufbahn, und
sie steht, wenn auch anderen Ständen nicht gerade verschlossen — vorzugsweise
nur Offizierssöhnen offen, denn diese uur nehmen an den bedeutenden Vergün¬
stigungen Theil, wodurch die Erziehung in jenen Anstalten erleichtert wird. Erst
um längerer Krieg, und die damit nothwendig verbundene Vermischung wird die
Kluft zwischen Landwehr und Linie ausfüllen können, uur Pulver ist der Kitt,
der sie zu schließen vermag. Bis dahin gilt — gleichviel ob es mit Recht oder
Unrecht — die Linie für die Stütze der Reaktion, die Landwehr für die Beschü-
herin der Volksrechte. Daher entschloß man sich ungern, die Landwehr unter die
Waffen zu rufen, daher schrieb man die Ungeschicklichkeit mancher Führer auf
Rechnung des wiedersetzlicheu Geistes, den die Landwehr in sich aufgenommen
habe, und that ihr einen Augenblick lang manches Unrecht. — Daß min die März¬
ereignisse das Heer uicht populär machen konnten, begreift sich leicht, daß aber
Maßlose Schmähsucht mit ihren wiederlieben Geifer, die Gesinnung, die Ehrenhaf¬
tigkeit eines Heeres besudeln dürfte, welches stets seinem König tren ergeben ge¬
wesen war, und welches vom alten Zopf eben auch nicht mehr behalten hat, als
der Held auf der Bierbank, wird stets den Vaterlandsfrenud mit Wehmuth, viel¬
leicht, mit bitterm Grolle erfüllen.

Der lange Frieden hat nicht verfehlt auch für die Cultureutwicklnng Schlesiens
wohlthätige Früchte zu tragen. Preußen und die mit ihm durch eine verständige Ver¬
einbarung verbundenen Zollvereinsstaaten haben nicht unrühmlichen Antheil an den
industriellen Bestrebungen genommen, durch welche mau sich von England zu eman-
cipiren hoffte. Die preußischen Finanzen bewähren sich selbst in der Zeit der Noth.
Der Bergbau war wieder aufgeblüht, und beschäftigte, wenn gleich um kärglichen
Lohn, Tausende von Arbeitern; die Wollen-, ja selbst die Baumwollenindustrie,
bietet den englischen Mitbewerbern auf deutscheu oder andern Märkten die Spitze,
und dem Hütteubetrieb und Maschinenbauwesen gelingt es immer mehr, den Triumph
Moderner Industrie, die Eisenbahnen, von dem Auslande frei zu machen. Große
Kapitalien haben sich in den Händen reicher Kaufherrn oder Grubenbesitzer ange¬
häuft, der Zinsfuß war in Folge dieser Kapitalansammlungcn herunter gegangen,
und hatte die Reduktion der Zinsen der Staatsschulden, so wie der Pfandbriefe
Möglich gemacht, und wenn gleich es eine Zeit lang.schien, als wolle ein immer
nu größeren Ausschweifungen hinneigender Papier- und Effektenhandel, die rasch
gewonnenen Reichthümer andern gewerblichen Zwecken entziehen, so fehlte es doch
den collossalsten Bauwerken unserer Zeit, den Eisenbahnen, weder an Geld, noch
an Unternehmern, städtische und ländliche Grundstücke stiegen zu immer höheren
Preisen, und überall hatte sich Glanz und Wohlhabenheit, oft zum schwelgerische»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/461>, abgerufen am 05.02.2025.