Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.führung der Provinzialstände, wie unbedeutend diese auch auftraten, hat sich nach Das steheude Heer ist in Schlesien, etwa mit Ausnahme der Befreiungskriege führung der Provinzialstände, wie unbedeutend diese auch auftraten, hat sich nach Das steheude Heer ist in Schlesien, etwa mit Ausnahme der Befreiungskriege <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279486"/> <p xml:id="ID_1549" prev="#ID_1548"> führung der Provinzialstände, wie unbedeutend diese auch auftraten, hat sich nach<lb/> und nach eine genauere Kenntniß des Verwaltungswesens in immer weiteren Kreisen ver¬<lb/> breitet. War die Stimme der Provinzialstände auch nur eine berathende, und selten beach¬<lb/> tete, so mußte ihnen nichts desto weniger zuweilen Einsicht in den Verwaltungs¬<lb/> mechanismus gestattet werden, und für befähigte Köpfe, an denen es nicht fehlte,<lb/> wurde es uicht schwer, so manche schwache Seite des Verwaltnngswcsens zu er¬<lb/> kennen. Da es aber in der Regel nicht darauf ankam, es besser zu machen, und<lb/> Halbwisserei immer unduldsam ist, so pflegte man mit wenig Schonung die be¬<lb/> merkten Fehler aufzudecken, und es gehörte zu den beliebtesten Schlagwörtern der<lb/> neuen Senatoren, „daß man die Fesseln der Bureaukratie nicht länger ertragen,<lb/> die Verwaltung strenger controlliren, dies und jenes Geschäft selbst in die Hand<lb/> nehmen müsse, u. s. w." Natürlich wurde das Beamtenthum hierdurch mißliebig<lb/> und mißgestimmt, und die Allgewalt, mit welcher das immer weiter ausgebildete<lb/> Ccntralisativnsprincip die höchsten Verwaltungsstellen (Ministerien) den Local- und<lb/> Provinzialbehörden gegenüber bekleidete, konnte nichts dazu beitragen, Mißliebig¬<lb/> keit und Mißstimmung derselben zu mindern. Ueber die unbedeutendsten Dinge<lb/> muß in Berlin angefragt werden, und oft ereignet es sich, daß die Entscheidung<lb/> den Loe^lverhältnissen schnurstracks entgegen ist. Dadurch ist ein langsamer und<lb/> schleppender Geschäftsgang unvermeidlich geworden, der sich besonders in allen<lb/> Ablösungs-, Dismembrations - und ähnlichen Geschäften sehr lästig erweiset. Wo<lb/> der Privatmann nicht Anstand nimmt, dem Belasteten gegenüber, keine Zugeständ¬<lb/> nisse zu machen, recnrrirt Alimtl-re-liius llsci auf richterliche Entscheidung; der<lb/> leichteste Weg sich gegen Verantwortung, oder doch gegen Nasen des Hohen Mi¬<lb/> nistern zu schützen. Dadurch aber wird die Gegenpartei oft ohne allen Noth er-'<lb/> bittere. — Was Wunder, daß ein so von allen Seiten verdächtigtes und einge¬<lb/> schüchtertes Beamtenthum sich nach den Märzereignissen rathlos nach Information<lb/> in Berlin umsah, daß der erste Beamte der Provinz Schlesien ihr den Rücken<lb/> kehrte, als er den herannahenden Sturm nicht mehr glaubte beschwören zu<lb/> können! —</p><lb/> <p xml:id="ID_1550" next="#ID_1551"> Das steheude Heer ist in Schlesien, etwa mit Ausnahme der Befreiungskriege<lb/> wohl niemals populär gewesen. Auch die ihrem Wesen nach so volksthümliche<lb/> Landwehreinrichtung hat es nicht populärer gemacht. Der Linienosfizier belächelt<lb/> gern die mangelhafte technische Ausbildung seines Landwehrkameraden, und der<lb/> letztere — an allgemeinem Wissen wie an Jahren dem Linienosfizier oft überlegen,<lb/> klagt gern über Zurücksetzung und Anmaßung der Kameraden der Linie. Ohne<lb/> sonderliche Mühe erlangt der einjährige Freiwillige die Qualifikation zum Land¬<lb/> wehroffizier, doch fast unübersteigbar ist die Kluft, die ihn von der Linie trennt,<lb/> wenn seine Verhältnisse es vielleicht wünschenswerth machen, die Löwenhaut nicht<lb/> wieder abzulegen, oder wenn der Freiwilligendienst ihn zum Soldatenstande nn-<lb/> wiederstehlich hinzog. Daher ist die Linie nicht eins mit der Landwehr, es ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0460]
führung der Provinzialstände, wie unbedeutend diese auch auftraten, hat sich nach
und nach eine genauere Kenntniß des Verwaltungswesens in immer weiteren Kreisen ver¬
breitet. War die Stimme der Provinzialstände auch nur eine berathende, und selten beach¬
tete, so mußte ihnen nichts desto weniger zuweilen Einsicht in den Verwaltungs¬
mechanismus gestattet werden, und für befähigte Köpfe, an denen es nicht fehlte,
wurde es uicht schwer, so manche schwache Seite des Verwaltnngswcsens zu er¬
kennen. Da es aber in der Regel nicht darauf ankam, es besser zu machen, und
Halbwisserei immer unduldsam ist, so pflegte man mit wenig Schonung die be¬
merkten Fehler aufzudecken, und es gehörte zu den beliebtesten Schlagwörtern der
neuen Senatoren, „daß man die Fesseln der Bureaukratie nicht länger ertragen,
die Verwaltung strenger controlliren, dies und jenes Geschäft selbst in die Hand
nehmen müsse, u. s. w." Natürlich wurde das Beamtenthum hierdurch mißliebig
und mißgestimmt, und die Allgewalt, mit welcher das immer weiter ausgebildete
Ccntralisativnsprincip die höchsten Verwaltungsstellen (Ministerien) den Local- und
Provinzialbehörden gegenüber bekleidete, konnte nichts dazu beitragen, Mißliebig¬
keit und Mißstimmung derselben zu mindern. Ueber die unbedeutendsten Dinge
muß in Berlin angefragt werden, und oft ereignet es sich, daß die Entscheidung
den Loe^lverhältnissen schnurstracks entgegen ist. Dadurch ist ein langsamer und
schleppender Geschäftsgang unvermeidlich geworden, der sich besonders in allen
Ablösungs-, Dismembrations - und ähnlichen Geschäften sehr lästig erweiset. Wo
der Privatmann nicht Anstand nimmt, dem Belasteten gegenüber, keine Zugeständ¬
nisse zu machen, recnrrirt Alimtl-re-liius llsci auf richterliche Entscheidung; der
leichteste Weg sich gegen Verantwortung, oder doch gegen Nasen des Hohen Mi¬
nistern zu schützen. Dadurch aber wird die Gegenpartei oft ohne allen Noth er-'
bittere. — Was Wunder, daß ein so von allen Seiten verdächtigtes und einge¬
schüchtertes Beamtenthum sich nach den Märzereignissen rathlos nach Information
in Berlin umsah, daß der erste Beamte der Provinz Schlesien ihr den Rücken
kehrte, als er den herannahenden Sturm nicht mehr glaubte beschwören zu
können! —
Das steheude Heer ist in Schlesien, etwa mit Ausnahme der Befreiungskriege
wohl niemals populär gewesen. Auch die ihrem Wesen nach so volksthümliche
Landwehreinrichtung hat es nicht populärer gemacht. Der Linienosfizier belächelt
gern die mangelhafte technische Ausbildung seines Landwehrkameraden, und der
letztere — an allgemeinem Wissen wie an Jahren dem Linienosfizier oft überlegen,
klagt gern über Zurücksetzung und Anmaßung der Kameraden der Linie. Ohne
sonderliche Mühe erlangt der einjährige Freiwillige die Qualifikation zum Land¬
wehroffizier, doch fast unübersteigbar ist die Kluft, die ihn von der Linie trennt,
wenn seine Verhältnisse es vielleicht wünschenswerth machen, die Löwenhaut nicht
wieder abzulegen, oder wenn der Freiwilligendienst ihn zum Soldatenstande nn-
wiederstehlich hinzog. Daher ist die Linie nicht eins mit der Landwehr, es ist
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