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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Das Beamtenthum des preußischen Staates hatte immer etwas gegolten, der
Richterstand erfreute sich einer genügenden Unabhängigkeit, und auch den Vcrwal-
tnngsl'cantem schichte das Herkommen in den meisten Fällen gegen Willkür von
Oben. Die freisinnige Gesetzgebung Friedrich Wilhelms III. war nicht von Volks¬
repräsentanten, sondern von dem Landesherrn und seinen Beamten in's Leben ge¬
rufen, und an den Ereignisse" von >8U!-l'> gebührt dem Beamtcnstande kein
unrühmlicher Antheil. - - Eine ziemlich umständliche Rangordnung weiset einem
jeden Staatsdiener seinen Platz, so wie Stickerei und Abzeichen seines Dieust-
klcideü mit großer Genauigkeit an; abgesehen von der Unzahl der geheimen, wirk¬
lichen, und Titularräthe aller Art herrscht jedoch in der gesammten Beamten-
Hierarchie eine ziemlich unübersteigliche Kluft zwischen dein höheren und dem sub¬
alternen oder niederen Staatsdienst. Zum ersteren befähigen in der Regel nur
"cademische, d. h. juristische Studien, und die bekannten 3 Staatsprüfungen; zum
zweiten theils Prüfungen, theils anerkannte Brauchbarkeit und Dienstzeit. Tritt
ausnahmsweise ein Individuum der letzten Kategorie, welches blos seine Brauch¬
barkeit und keine Staatsprüfungen vorzuweisen hat, in die Reihen des höheren
Staatsdienstes, so wird es gern nicht recht für voll angesehen, und mit dein
Subalternen verkehrt das Mitglied des Kollegiums nur in Dienstaugclegcnhciteu.
Daher sucht der zurückgesetzte und oft schlecht bezahlte Subalterne die Fehler sei¬
nes Vorgesetzten gern aufzudecken, und oft genug trieb ihn das Gefühl ungerech¬
ter Zurücksetzung, oder kränkender Anmaßung in die Reihen der Demokraten. --
Viele haben dies den Zopf des Beamtenthums genannt; mag sein! kurz, bis zur
provinzialständischen Verfassung leistete der Beamtenstand manches Gute, er er¬
freute sich der nicht unverdienten Achtung des Publikums, und galt unangefochten
als der Repräsentant staatswirthschaftlicher Bildung, was ihm durch die Heimlich¬
keit, in welche seine Thätigkeit sich hüllte, durch die Unverletzlichkeit des AmtS-
eides, und vor Allem, durch die unglaubliche Unkenntnis) des Publikums in allen
Verwaltnugssachcn sehr erleichtert wurde.

Ob der Beamtenstand auch in neuester Zeit mit den allgemeinen Fortschritten
geistiger Bildung gleichen Schritt gehalten, d. h. ob mit Bezug ans allgemeine
oder philosophische Bildung, auf wissenschaftliche Errungenschaft, der Beamten¬
stand anch heut "och eine eben so hervorragende Stellung zu beanspruchen berech¬
tigt sei, als dies früher der Fall war, mögen wir nicht entscheiden. Die immer
strenger überwachten Studien der gelehrten, sowie der Hochschulen, die immer
"nerläßlicher gewordene" 3 Staatsprüfungen selbst da, wo sie früher nicht erfor¬
derlich, lassen es glauben, mauche andre Erscheinungen machen es zweifelhaft.
Gewiß ist es, daß man den Natur- und Staatswissenschaften, so wie den techni¬
schen Fachstudien, bei der Ausbildung der Verwaltungsbeamten nicht die erforder¬
liche Aufmerksamkeit schenkt, und oft die juristische Bildung für den Prüfstein
allseitiger Brauchbarkeit hält. Das aber ist nicht gut, denn schon durch die Ein-


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Das Beamtenthum des preußischen Staates hatte immer etwas gegolten, der
Richterstand erfreute sich einer genügenden Unabhängigkeit, und auch den Vcrwal-
tnngsl'cantem schichte das Herkommen in den meisten Fällen gegen Willkür von
Oben. Die freisinnige Gesetzgebung Friedrich Wilhelms III. war nicht von Volks¬
repräsentanten, sondern von dem Landesherrn und seinen Beamten in's Leben ge¬
rufen, und an den Ereignisse» von >8U!-l'> gebührt dem Beamtcnstande kein
unrühmlicher Antheil. - - Eine ziemlich umständliche Rangordnung weiset einem
jeden Staatsdiener seinen Platz, so wie Stickerei und Abzeichen seines Dieust-
klcideü mit großer Genauigkeit an; abgesehen von der Unzahl der geheimen, wirk¬
lichen, und Titularräthe aller Art herrscht jedoch in der gesammten Beamten-
Hierarchie eine ziemlich unübersteigliche Kluft zwischen dein höheren und dem sub¬
alternen oder niederen Staatsdienst. Zum ersteren befähigen in der Regel nur
«cademische, d. h. juristische Studien, und die bekannten 3 Staatsprüfungen; zum
zweiten theils Prüfungen, theils anerkannte Brauchbarkeit und Dienstzeit. Tritt
ausnahmsweise ein Individuum der letzten Kategorie, welches blos seine Brauch¬
barkeit und keine Staatsprüfungen vorzuweisen hat, in die Reihen des höheren
Staatsdienstes, so wird es gern nicht recht für voll angesehen, und mit dein
Subalternen verkehrt das Mitglied des Kollegiums nur in Dienstaugclegcnhciteu.
Daher sucht der zurückgesetzte und oft schlecht bezahlte Subalterne die Fehler sei¬
nes Vorgesetzten gern aufzudecken, und oft genug trieb ihn das Gefühl ungerech¬
ter Zurücksetzung, oder kränkender Anmaßung in die Reihen der Demokraten. —
Viele haben dies den Zopf des Beamtenthums genannt; mag sein! kurz, bis zur
provinzialständischen Verfassung leistete der Beamtenstand manches Gute, er er¬
freute sich der nicht unverdienten Achtung des Publikums, und galt unangefochten
als der Repräsentant staatswirthschaftlicher Bildung, was ihm durch die Heimlich¬
keit, in welche seine Thätigkeit sich hüllte, durch die Unverletzlichkeit des AmtS-
eides, und vor Allem, durch die unglaubliche Unkenntnis) des Publikums in allen
Verwaltnugssachcn sehr erleichtert wurde.

Ob der Beamtenstand auch in neuester Zeit mit den allgemeinen Fortschritten
geistiger Bildung gleichen Schritt gehalten, d. h. ob mit Bezug ans allgemeine
oder philosophische Bildung, auf wissenschaftliche Errungenschaft, der Beamten¬
stand anch heut «och eine eben so hervorragende Stellung zu beanspruchen berech¬
tigt sei, als dies früher der Fall war, mögen wir nicht entscheiden. Die immer
strenger überwachten Studien der gelehrten, sowie der Hochschulen, die immer
"nerläßlicher gewordene» 3 Staatsprüfungen selbst da, wo sie früher nicht erfor¬
derlich, lassen es glauben, mauche andre Erscheinungen machen es zweifelhaft.
Gewiß ist es, daß man den Natur- und Staatswissenschaften, so wie den techni¬
schen Fachstudien, bei der Ausbildung der Verwaltungsbeamten nicht die erforder¬
liche Aufmerksamkeit schenkt, und oft die juristische Bildung für den Prüfstein
allseitiger Brauchbarkeit hält. Das aber ist nicht gut, denn schon durch die Ein-


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[0459] Das Beamtenthum des preußischen Staates hatte immer etwas gegolten, der Richterstand erfreute sich einer genügenden Unabhängigkeit, und auch den Vcrwal- tnngsl'cantem schichte das Herkommen in den meisten Fällen gegen Willkür von Oben. Die freisinnige Gesetzgebung Friedrich Wilhelms III. war nicht von Volks¬ repräsentanten, sondern von dem Landesherrn und seinen Beamten in's Leben ge¬ rufen, und an den Ereignisse» von >8U!-l'> gebührt dem Beamtcnstande kein unrühmlicher Antheil. - - Eine ziemlich umständliche Rangordnung weiset einem jeden Staatsdiener seinen Platz, so wie Stickerei und Abzeichen seines Dieust- klcideü mit großer Genauigkeit an; abgesehen von der Unzahl der geheimen, wirk¬ lichen, und Titularräthe aller Art herrscht jedoch in der gesammten Beamten- Hierarchie eine ziemlich unübersteigliche Kluft zwischen dein höheren und dem sub¬ alternen oder niederen Staatsdienst. Zum ersteren befähigen in der Regel nur «cademische, d. h. juristische Studien, und die bekannten 3 Staatsprüfungen; zum zweiten theils Prüfungen, theils anerkannte Brauchbarkeit und Dienstzeit. Tritt ausnahmsweise ein Individuum der letzten Kategorie, welches blos seine Brauch¬ barkeit und keine Staatsprüfungen vorzuweisen hat, in die Reihen des höheren Staatsdienstes, so wird es gern nicht recht für voll angesehen, und mit dein Subalternen verkehrt das Mitglied des Kollegiums nur in Dienstaugclegcnhciteu. Daher sucht der zurückgesetzte und oft schlecht bezahlte Subalterne die Fehler sei¬ nes Vorgesetzten gern aufzudecken, und oft genug trieb ihn das Gefühl ungerech¬ ter Zurücksetzung, oder kränkender Anmaßung in die Reihen der Demokraten. — Viele haben dies den Zopf des Beamtenthums genannt; mag sein! kurz, bis zur provinzialständischen Verfassung leistete der Beamtenstand manches Gute, er er¬ freute sich der nicht unverdienten Achtung des Publikums, und galt unangefochten als der Repräsentant staatswirthschaftlicher Bildung, was ihm durch die Heimlich¬ keit, in welche seine Thätigkeit sich hüllte, durch die Unverletzlichkeit des AmtS- eides, und vor Allem, durch die unglaubliche Unkenntnis) des Publikums in allen Verwaltnugssachcn sehr erleichtert wurde. Ob der Beamtenstand auch in neuester Zeit mit den allgemeinen Fortschritten geistiger Bildung gleichen Schritt gehalten, d. h. ob mit Bezug ans allgemeine oder philosophische Bildung, auf wissenschaftliche Errungenschaft, der Beamten¬ stand anch heut «och eine eben so hervorragende Stellung zu beanspruchen berech¬ tigt sei, als dies früher der Fall war, mögen wir nicht entscheiden. Die immer strenger überwachten Studien der gelehrten, sowie der Hochschulen, die immer "nerläßlicher gewordene» 3 Staatsprüfungen selbst da, wo sie früher nicht erfor¬ derlich, lassen es glauben, mauche andre Erscheinungen machen es zweifelhaft. Gewiß ist es, daß man den Natur- und Staatswissenschaften, so wie den techni¬ schen Fachstudien, bei der Ausbildung der Verwaltungsbeamten nicht die erforder¬ liche Aufmerksamkeit schenkt, und oft die juristische Bildung für den Prüfstein allseitiger Brauchbarkeit hält. Das aber ist nicht gut, denn schon durch die Ein- s8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/459>, abgerufen am 05.02.2025.