Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Reichstag zu Debreczin wagte jetzt den entscheidenden Schritt; er erklärte
am 14. April das Haus Habsburg für abgesetzt, und ernannte Kossuth zum Prä¬
sidenten. Ihm zur Seite wurden Emerick Szacway und Stephan Gorove gestellt;
das Oberhaus trat diesen Beschlüssen bei. Der Präsident bildete ein neues Mi¬
nisterium (2. Mai): Krieg Kasimir Bathyany, Inneres Bartholomeus Szemere,
Justiz Sigismund Perenyi, Finanzen Franz Dusel, Cultus Michael Horwath Bi¬
schof von Czanad. Der General Arthur Görgey überschritt die Gran (18. April),
schlug die Oestreicher bei Veebely (19. April) und entsetzte Komorn. Pesth wurde
von den Kaiserlichen verlassen (20. April), worauf Dembinski seinen Einzug hielt
(24. April). Ofen, welches durch Oberst Henzi vertheidigt wurde, ward seit dem
4. Mai belagert, und den 26. Mai durch Görgey erstürmt. Mit Ausnahme von
Preßburg war ganz Ungarn von den Kaiserlichen geräumt, und man sing an,
für Wien zu fürchten.

Da entschloß sich die Negierung zu dem schweren Schritt. Den 1. Mai wurde
in der Wiener Zeitung officiell angezeigt, mau habe in Rußland um eine große
und energische Intervention nachgesucht, und schon am 8. Mai rückte die russische
Hauptmacht unter Feldmarschall Paskewitsch, Rüdiger und Tscheodajcff über Kra-
kau nach Ungarn ein. An demselben Tage erließ der Kaiser zu Se. Petersburg
ein Manifest, worin er den Kreuzzug Rußlands gegen die Anarchie verkündete.
Der östreichische Kaiser selbst reiste ins Lager zu Preßburg (10. Mai), begleitet
von Schwarzenberg und dem russischen General v. Berg, er begab sich mit dem¬
selben nach Warschau (21. Mai), wo eine Art Kongreß abgehalten wurde. Schon
ergriff (14. Mai) die kaiserliche Armee die Offensive. Die Russen drangen in Sie¬
benbürgen ein, und forcirten den Paß von Colacz (17. Mai). An Stelle Wei-
dens, der sich auch keiner großen Erfolge rühmen konnte, wurde Haynau gesetzt
(30. Mai), der Eroberer von Brescia (General Schlick nahm in Folge dessen sei¬
nen Abschied); Baron Gchringer wurde an Jostca's Stelle mit der Leitung der
Civilverwaltung Ungarns betraut (2. Juni). Die östreichische und russische Armee
feierte zu Preßburg ein Verbrüderungsfest (6. Juni). Auch im Süden wäre" die
Kaiserlichen wieder glücklich; Jellachich siegte an den Römerschanzen (7. Juni) und
nahm Neusatz und Fünfkirchen (18. Juni). ^Ein allgemeiner Angriff der Ungarn
an der Waag (16. Juni) schlug fehl, und die Kaiserlichen gingen nach einem Siege
über Görgey (21. Juni) über den Fluß, und zogen, den Kaiser an der Spitze, in
Raab ein (28. Juni). Die Russen unter Lüders nahmen Kronstäbe (22. Juni);
Hermannstadt (20. Juli) und Siebenbürgen wurde der Leitung des Feldmarschall
Wohlgemut!) anvertraut (11. Juli). Zwar fiel Arad den Magyaren in die Hände
(I.Juli), aber der Reichstag mußte Pesth wieder verlassen und sich nach Szegedi"
verlegen, denn selbst in Debreczin rückten die Russen ein (3. Juli). Ofen wurde
von den Kaiserlichen ohne Widerstand besetzt (11. Juli), die Ungar" bei Komorn
zurückgeworfen. Nach einer dreitägigen Schlacht bei Waitzen (15. bis 1". Juli)


Der Reichstag zu Debreczin wagte jetzt den entscheidenden Schritt; er erklärte
am 14. April das Haus Habsburg für abgesetzt, und ernannte Kossuth zum Prä¬
sidenten. Ihm zur Seite wurden Emerick Szacway und Stephan Gorove gestellt;
das Oberhaus trat diesen Beschlüssen bei. Der Präsident bildete ein neues Mi¬
nisterium (2. Mai): Krieg Kasimir Bathyany, Inneres Bartholomeus Szemere,
Justiz Sigismund Perenyi, Finanzen Franz Dusel, Cultus Michael Horwath Bi¬
schof von Czanad. Der General Arthur Görgey überschritt die Gran (18. April),
schlug die Oestreicher bei Veebely (19. April) und entsetzte Komorn. Pesth wurde
von den Kaiserlichen verlassen (20. April), worauf Dembinski seinen Einzug hielt
(24. April). Ofen, welches durch Oberst Henzi vertheidigt wurde, ward seit dem
4. Mai belagert, und den 26. Mai durch Görgey erstürmt. Mit Ausnahme von
Preßburg war ganz Ungarn von den Kaiserlichen geräumt, und man sing an,
für Wien zu fürchten.

Da entschloß sich die Negierung zu dem schweren Schritt. Den 1. Mai wurde
in der Wiener Zeitung officiell angezeigt, mau habe in Rußland um eine große
und energische Intervention nachgesucht, und schon am 8. Mai rückte die russische
Hauptmacht unter Feldmarschall Paskewitsch, Rüdiger und Tscheodajcff über Kra-
kau nach Ungarn ein. An demselben Tage erließ der Kaiser zu Se. Petersburg
ein Manifest, worin er den Kreuzzug Rußlands gegen die Anarchie verkündete.
Der östreichische Kaiser selbst reiste ins Lager zu Preßburg (10. Mai), begleitet
von Schwarzenberg und dem russischen General v. Berg, er begab sich mit dem¬
selben nach Warschau (21. Mai), wo eine Art Kongreß abgehalten wurde. Schon
ergriff (14. Mai) die kaiserliche Armee die Offensive. Die Russen drangen in Sie¬
benbürgen ein, und forcirten den Paß von Colacz (17. Mai). An Stelle Wei-
dens, der sich auch keiner großen Erfolge rühmen konnte, wurde Haynau gesetzt
(30. Mai), der Eroberer von Brescia (General Schlick nahm in Folge dessen sei¬
nen Abschied); Baron Gchringer wurde an Jostca's Stelle mit der Leitung der
Civilverwaltung Ungarns betraut (2. Juni). Die östreichische und russische Armee
feierte zu Preßburg ein Verbrüderungsfest (6. Juni). Auch im Süden wäre» die
Kaiserlichen wieder glücklich; Jellachich siegte an den Römerschanzen (7. Juni) und
nahm Neusatz und Fünfkirchen (18. Juni). ^Ein allgemeiner Angriff der Ungarn
an der Waag (16. Juni) schlug fehl, und die Kaiserlichen gingen nach einem Siege
über Görgey (21. Juni) über den Fluß, und zogen, den Kaiser an der Spitze, in
Raab ein (28. Juni). Die Russen unter Lüders nahmen Kronstäbe (22. Juni);
Hermannstadt (20. Juli) und Siebenbürgen wurde der Leitung des Feldmarschall
Wohlgemut!) anvertraut (11. Juli). Zwar fiel Arad den Magyaren in die Hände
(I.Juli), aber der Reichstag mußte Pesth wieder verlassen und sich nach Szegedi"
verlegen, denn selbst in Debreczin rückten die Russen ein (3. Juli). Ofen wurde
von den Kaiserlichen ohne Widerstand besetzt (11. Juli), die Ungar» bei Komorn
zurückgeworfen. Nach einer dreitägigen Schlacht bei Waitzen (15. bis 1«. Juli)


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279478"/>
          <p xml:id="ID_1528"> Der Reichstag zu Debreczin wagte jetzt den entscheidenden Schritt; er erklärte<lb/>
am 14. April das Haus Habsburg für abgesetzt, und ernannte Kossuth zum Prä¬<lb/>
sidenten. Ihm zur Seite wurden Emerick Szacway und Stephan Gorove gestellt;<lb/>
das Oberhaus trat diesen Beschlüssen bei. Der Präsident bildete ein neues Mi¬<lb/>
nisterium (2. Mai): Krieg Kasimir Bathyany, Inneres Bartholomeus Szemere,<lb/>
Justiz Sigismund Perenyi, Finanzen Franz Dusel, Cultus Michael Horwath Bi¬<lb/>
schof von Czanad. Der General Arthur Görgey überschritt die Gran (18. April),<lb/>
schlug die Oestreicher bei Veebely (19. April) und entsetzte Komorn. Pesth wurde<lb/>
von den Kaiserlichen verlassen (20. April), worauf Dembinski seinen Einzug hielt<lb/>
(24. April). Ofen, welches durch Oberst Henzi vertheidigt wurde, ward seit dem<lb/>
4. Mai belagert, und den 26. Mai durch Görgey erstürmt. Mit Ausnahme von<lb/>
Preßburg war ganz Ungarn von den Kaiserlichen geräumt, und man sing an,<lb/>
für Wien zu fürchten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1529" next="#ID_1530"> Da entschloß sich die Negierung zu dem schweren Schritt. Den 1. Mai wurde<lb/>
in der Wiener Zeitung officiell angezeigt, mau habe in Rußland um eine große<lb/>
und energische Intervention nachgesucht, und schon am 8. Mai rückte die russische<lb/>
Hauptmacht unter Feldmarschall Paskewitsch, Rüdiger und Tscheodajcff über Kra-<lb/>
kau nach Ungarn ein. An demselben Tage erließ der Kaiser zu Se. Petersburg<lb/>
ein Manifest, worin er den Kreuzzug Rußlands gegen die Anarchie verkündete.<lb/>
Der östreichische Kaiser selbst reiste ins Lager zu Preßburg (10. Mai), begleitet<lb/>
von Schwarzenberg und dem russischen General v. Berg, er begab sich mit dem¬<lb/>
selben nach Warschau (21. Mai), wo eine Art Kongreß abgehalten wurde. Schon<lb/>
ergriff (14. Mai) die kaiserliche Armee die Offensive. Die Russen drangen in Sie¬<lb/>
benbürgen ein, und forcirten den Paß von Colacz (17. Mai). An Stelle Wei-<lb/>
dens, der sich auch keiner großen Erfolge rühmen konnte, wurde Haynau gesetzt<lb/>
(30. Mai), der Eroberer von Brescia (General Schlick nahm in Folge dessen sei¬<lb/>
nen Abschied); Baron Gchringer wurde an Jostca's Stelle mit der Leitung der<lb/>
Civilverwaltung Ungarns betraut (2. Juni). Die östreichische und russische Armee<lb/>
feierte zu Preßburg ein Verbrüderungsfest (6. Juni). Auch im Süden wäre» die<lb/>
Kaiserlichen wieder glücklich; Jellachich siegte an den Römerschanzen (7. Juni) und<lb/>
nahm Neusatz und Fünfkirchen (18. Juni). ^Ein allgemeiner Angriff der Ungarn<lb/>
an der Waag (16. Juni) schlug fehl, und die Kaiserlichen gingen nach einem Siege<lb/>
über Görgey (21. Juni) über den Fluß, und zogen, den Kaiser an der Spitze, in<lb/>
Raab ein (28. Juni). Die Russen unter Lüders nahmen Kronstäbe (22. Juni);<lb/>
Hermannstadt (20. Juli) und Siebenbürgen wurde der Leitung des Feldmarschall<lb/>
Wohlgemut!) anvertraut (11. Juli). Zwar fiel Arad den Magyaren in die Hände<lb/>
(I.Juli), aber der Reichstag mußte Pesth wieder verlassen und sich nach Szegedi"<lb/>
verlegen, denn selbst in Debreczin rückten die Russen ein (3. Juli). Ofen wurde<lb/>
von den Kaiserlichen ohne Widerstand besetzt (11. Juli), die Ungar» bei Komorn<lb/>
zurückgeworfen. Nach einer dreitägigen Schlacht bei Waitzen (15. bis 1«. Juli)</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0452] Der Reichstag zu Debreczin wagte jetzt den entscheidenden Schritt; er erklärte am 14. April das Haus Habsburg für abgesetzt, und ernannte Kossuth zum Prä¬ sidenten. Ihm zur Seite wurden Emerick Szacway und Stephan Gorove gestellt; das Oberhaus trat diesen Beschlüssen bei. Der Präsident bildete ein neues Mi¬ nisterium (2. Mai): Krieg Kasimir Bathyany, Inneres Bartholomeus Szemere, Justiz Sigismund Perenyi, Finanzen Franz Dusel, Cultus Michael Horwath Bi¬ schof von Czanad. Der General Arthur Görgey überschritt die Gran (18. April), schlug die Oestreicher bei Veebely (19. April) und entsetzte Komorn. Pesth wurde von den Kaiserlichen verlassen (20. April), worauf Dembinski seinen Einzug hielt (24. April). Ofen, welches durch Oberst Henzi vertheidigt wurde, ward seit dem 4. Mai belagert, und den 26. Mai durch Görgey erstürmt. Mit Ausnahme von Preßburg war ganz Ungarn von den Kaiserlichen geräumt, und man sing an, für Wien zu fürchten. Da entschloß sich die Negierung zu dem schweren Schritt. Den 1. Mai wurde in der Wiener Zeitung officiell angezeigt, mau habe in Rußland um eine große und energische Intervention nachgesucht, und schon am 8. Mai rückte die russische Hauptmacht unter Feldmarschall Paskewitsch, Rüdiger und Tscheodajcff über Kra- kau nach Ungarn ein. An demselben Tage erließ der Kaiser zu Se. Petersburg ein Manifest, worin er den Kreuzzug Rußlands gegen die Anarchie verkündete. Der östreichische Kaiser selbst reiste ins Lager zu Preßburg (10. Mai), begleitet von Schwarzenberg und dem russischen General v. Berg, er begab sich mit dem¬ selben nach Warschau (21. Mai), wo eine Art Kongreß abgehalten wurde. Schon ergriff (14. Mai) die kaiserliche Armee die Offensive. Die Russen drangen in Sie¬ benbürgen ein, und forcirten den Paß von Colacz (17. Mai). An Stelle Wei- dens, der sich auch keiner großen Erfolge rühmen konnte, wurde Haynau gesetzt (30. Mai), der Eroberer von Brescia (General Schlick nahm in Folge dessen sei¬ nen Abschied); Baron Gchringer wurde an Jostca's Stelle mit der Leitung der Civilverwaltung Ungarns betraut (2. Juni). Die östreichische und russische Armee feierte zu Preßburg ein Verbrüderungsfest (6. Juni). Auch im Süden wäre» die Kaiserlichen wieder glücklich; Jellachich siegte an den Römerschanzen (7. Juni) und nahm Neusatz und Fünfkirchen (18. Juni). ^Ein allgemeiner Angriff der Ungarn an der Waag (16. Juni) schlug fehl, und die Kaiserlichen gingen nach einem Siege über Görgey (21. Juni) über den Fluß, und zogen, den Kaiser an der Spitze, in Raab ein (28. Juni). Die Russen unter Lüders nahmen Kronstäbe (22. Juni); Hermannstadt (20. Juli) und Siebenbürgen wurde der Leitung des Feldmarschall Wohlgemut!) anvertraut (11. Juli). Zwar fiel Arad den Magyaren in die Hände (I.Juli), aber der Reichstag mußte Pesth wieder verlassen und sich nach Szegedi" verlegen, denn selbst in Debreczin rückten die Russen ein (3. Juli). Ofen wurde von den Kaiserlichen ohne Widerstand besetzt (11. Juli), die Ungar» bei Komorn zurückgeworfen. Nach einer dreitägigen Schlacht bei Waitzen (15. bis 1«. Juli)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/452
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/452>, abgerufen am 05.02.2025.