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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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nattafel zu Agram 24. April; kroatisch-slavonische Deputation (6. Mai.); Ro¬
mainen 26. Juni; -- wurden nicht beachtet. Der Kaiser kehrte wieder nach
Wien zurück (5. Mai), das mittlerweile sehr schwarzgelb geworden war, Stadion
trat wegen Krankheit ans dem Ministerium (28. April); an Cordon's Stelle trat
Gyulai (4. Juni); Bach erhielt das Departement des Innern, Graf Leo Thun
den Unterricht, Schmerling die Justiz (20. Juli). Der Mittelpunkt der östreichi¬
schen Geschichte wird jetzt Ungarn.

Der ungarische Reichstag hatte einstimmig den Thronwechsel verworfen (15. De¬
cember 1848), der ohne sein Zuthun geschehn war. Der Feldzug begann im De¬
cember, Schlick siegte bei Budomir (11. December), Windischgrätz, der Oberfeldherr
alter exn des Kaisers, zog in Preßburg ein (18. December), in Raab (27. De¬
cember). Indessen hatten die Ungarn, durch polnische Generale verstärkt im Süden
Fortschritte gemacht, und Bem vollendete (29. December) durch die Einnahme von
Klausenburg die Wiedereroberung Siebenbürgens. Dagegen beschloß der Neichörag,
Ofen und Pesth aufzugeben, und sich nach Debreczin zu verlegen (30. December).
Jene beiden Städte wurden durch Windischgrätz besetzt (5. Januar 184!)), und
durch eine militärisch-politische Centralcommission organisirt (15. Januar). Von
den Deutschen in Siebenbürgen gerufen, drangen russische Truppen (uuter Geueral
Engelhardt) aus der Wallachei in Siebenbürgen ein (31. Januar) und besetzten
Kronstäbe (1. Februar). Das russische Cabinet legitimirte seine Intervention durch
eine Circnlardepesche an die europäischen Mächte (21. Februar). Mittlerweile bra¬
chen zwischen dem Oberfeldherrn und dem Ministerium MißHelligkeiten ans über
die Emission ungarischer Banknoten (24. Februar und 10. April); auch die Unter-
handlungen des Fürsten mit der ungarischen Aristokratie waren nicht im Sinne der
Regierung. Seine Stellung wurde unhaltbar, als plötzlich die Ungarn, die ihr
Heer mittlerweile vollständig organisirt hatten, die Offensive ergriffen. Schon am
8. März mußte sich Windischgrätz nach Ofen zurückziehen, gleichzeitig trieb Bem
die Russen aus Hermannstadt und besetzte die Stadt (12. März); ebenso Kron¬
stäbe (20. März), worauf die Russen und Oestreicher sich nach der Wallachei zu¬
rückzogen. Die Regierung schickte Melden dem Fürsten zu.Hilfe, den bisherigen
Gouverneur von Wien, der am 30. März nach Komorn aufbrach, und es mit
glühenden Kngeln bombardirte (2. April). Auch an der serbischen Grenze erfoch-
die ungarischen Waffen Erfolge, sie nahmen die Festung Se. Thomas (3. April),
^u>d überschwemmten die ganze Baczka. Windischgrätz erlitt noch die Niederlage
^i Erlan (5. April), und wurde dann, da über seine Unfähigkeit kein Zweifel
Mehr blieb, uach langem Sträuben Schwarzenbergs auf das Dringen Stadion's
^us Ungarn zurückberufen (12. April). Er kam den 16. April in Ollmütz an,
A^chzeitig übernahm sein Nachfolger Melden den Oberbefehl; das Commando in
erhielt Böhm. Im Süden wurde Jellachich bei Gyöugyös geschlagen (6. April),
siegten die Serben unter Stratimirowich bei Peterwardein (13. April).


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nattafel zu Agram 24. April; kroatisch-slavonische Deputation (6. Mai.); Ro¬
mainen 26. Juni; — wurden nicht beachtet. Der Kaiser kehrte wieder nach
Wien zurück (5. Mai), das mittlerweile sehr schwarzgelb geworden war, Stadion
trat wegen Krankheit ans dem Ministerium (28. April); an Cordon's Stelle trat
Gyulai (4. Juni); Bach erhielt das Departement des Innern, Graf Leo Thun
den Unterricht, Schmerling die Justiz (20. Juli). Der Mittelpunkt der östreichi¬
schen Geschichte wird jetzt Ungarn.

Der ungarische Reichstag hatte einstimmig den Thronwechsel verworfen (15. De¬
cember 1848), der ohne sein Zuthun geschehn war. Der Feldzug begann im De¬
cember, Schlick siegte bei Budomir (11. December), Windischgrätz, der Oberfeldherr
alter exn des Kaisers, zog in Preßburg ein (18. December), in Raab (27. De¬
cember). Indessen hatten die Ungarn, durch polnische Generale verstärkt im Süden
Fortschritte gemacht, und Bem vollendete (29. December) durch die Einnahme von
Klausenburg die Wiedereroberung Siebenbürgens. Dagegen beschloß der Neichörag,
Ofen und Pesth aufzugeben, und sich nach Debreczin zu verlegen (30. December).
Jene beiden Städte wurden durch Windischgrätz besetzt (5. Januar 184!)), und
durch eine militärisch-politische Centralcommission organisirt (15. Januar). Von
den Deutschen in Siebenbürgen gerufen, drangen russische Truppen (uuter Geueral
Engelhardt) aus der Wallachei in Siebenbürgen ein (31. Januar) und besetzten
Kronstäbe (1. Februar). Das russische Cabinet legitimirte seine Intervention durch
eine Circnlardepesche an die europäischen Mächte (21. Februar). Mittlerweile bra¬
chen zwischen dem Oberfeldherrn und dem Ministerium MißHelligkeiten ans über
die Emission ungarischer Banknoten (24. Februar und 10. April); auch die Unter-
handlungen des Fürsten mit der ungarischen Aristokratie waren nicht im Sinne der
Regierung. Seine Stellung wurde unhaltbar, als plötzlich die Ungarn, die ihr
Heer mittlerweile vollständig organisirt hatten, die Offensive ergriffen. Schon am
8. März mußte sich Windischgrätz nach Ofen zurückziehen, gleichzeitig trieb Bem
die Russen aus Hermannstadt und besetzte die Stadt (12. März); ebenso Kron¬
stäbe (20. März), worauf die Russen und Oestreicher sich nach der Wallachei zu¬
rückzogen. Die Regierung schickte Melden dem Fürsten zu.Hilfe, den bisherigen
Gouverneur von Wien, der am 30. März nach Komorn aufbrach, und es mit
glühenden Kngeln bombardirte (2. April). Auch an der serbischen Grenze erfoch-
die ungarischen Waffen Erfolge, sie nahmen die Festung Se. Thomas (3. April),
^u>d überschwemmten die ganze Baczka. Windischgrätz erlitt noch die Niederlage
^i Erlan (5. April), und wurde dann, da über seine Unfähigkeit kein Zweifel
Mehr blieb, uach langem Sträuben Schwarzenbergs auf das Dringen Stadion's
^us Ungarn zurückberufen (12. April). Er kam den 16. April in Ollmütz an,
A^chzeitig übernahm sein Nachfolger Melden den Oberbefehl; das Commando in
erhielt Böhm. Im Süden wurde Jellachich bei Gyöugyös geschlagen (6. April),
siegten die Serben unter Stratimirowich bei Peterwardein (13. April).


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/451>, abgerufen am 05.02.2025.