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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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aber keinen andern Erfolg, als eine allgemeine Erhebung der Kroaten. Gleich¬
zeitig begannen im Banat und in Siebenbürgen jene greuelvollen Kämpfe zwischen
den Ungarn und den slavischen Stämmen, die seither ununterbrochen fortgedauert
haben. Die Kanonade von Karlowitz (ig. Juni) und das Blutbad von Wei߬
kirchen (22. Juni) sind die bekanntesten Episoden aus diesem wüsten Krieg. -- Es
beginnt jetzt das falsche Spiel der östreichischen Camarilla. Ein kaiserliches Hand¬
schreiben an Jellachich vom 10. Mai, der ungarischen Negierung zu gehorchen,
blieb ohne Erfolg. Darauf erfolgte von Innsbruck ein drohender Erlaß, in wel¬
chem der vom Bau aufgeschriebene Landtag für nugiltig erklärt, Jellachich selbst
aber aufgefordert wurde, binnen 24 Stunden wegen Ausgleichung der kroatischen
Wirren am kaiserlichen Hoflager zu erscheinen. Er trat am 12. Juni seiue Reise
an, begleitet von einer zahlreichen Deputation, nachdem er vorher die Angelegen¬
heiten Kroatiens als einer von Ungarn unabhängigen Provinz geordnet. Der
Kaiser wurde völlig umgestimmt, der Bau in seinen Würden bestätigt, und ihm
zugleich eröffnet, daß Erzherzog Johann ans Ansuchen der Ungarn mit der Lei¬
tung der Unterhandlungen beauftragt sei. Er kam am 24. Juni nach Kroatien
zurück, wo er eine große Unruhe vorfand, weil in einem von Pesth am 10. Juni
datirten Befehl der Baums wegen Hochverraths seiner Würden entsetzt war. An
demselben Tage hatte der Kaiser die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn ge¬
nehmigt. -- Die Verhandlungen nahmen ihren Verlauf, aber ohne Resultat, und
wurden durch die Abreise des Erzherzogs "ach Frankfurt (30. Juli) unterbrochen.
Schon hatte das Kriegsministerium zu Wien (4. Juli) dem rebellischen General
eine Hilfe von 100,000 si. Co.-Mze. zukommen lassen.

Als die Frankfurter Deputation, welche dem Erzherzog Johann die Wahl
zum Reichsverweser überbrachte, in Wien ankam (7. Juli), war der tricolore Jnbel
auf seiner Spitze. Zugleich war die Demokratie bereits so weit im Zunehmen, daß
Pillersdvrf seine Entlassung gab. Unter der Vermittlung des Erzherzog Johann
wurde ein neues Ministerium gebildet (8. Juli): Inneres Dobblhvf, Auswär¬
tiges Wessenberg, Finanzen Kraus, Krieg Latour, Justiz Alexander
Bach, Handel Hornbostl, öffentliche Arbeiten Schwarzer. Der Reichverwescr
ging (0. Juli) nach Frankfurt ab, empfing die Bestätigung seiner provisorischen
Gewalt vom Bundestag, der am 13. Juli seine letzte Sitzung hielt, übertrug
Schmerling, der zuletzt als Bundes-Prästdialgesandter fungirt hatte, den Vorsitz
im Reichsministerium, nud kehrte daraus auf kurze Zeit nach Wien zurück, um
seinem Versprechen gemäß den constituirenden Reichstag zu eröffnen (22. Juli), zu
welchem außer den deutschen Erbländer auf Galizien und Dalmatien sein Contin¬
gent gestellt hatte. Die Stellung der Parteien in demselben richtete sich nach der
Ansicht über die Integrität des Kaiserstaats; die Czechen, die gegen alle Trennung
waren, bildeten die Rechte, die Deutschen, welche die Erdtaube an Frankfurt an¬
schließen wollten, und die Polen die Linke. Obgleich nun ein östreichischer Prinz


aber keinen andern Erfolg, als eine allgemeine Erhebung der Kroaten. Gleich¬
zeitig begannen im Banat und in Siebenbürgen jene greuelvollen Kämpfe zwischen
den Ungarn und den slavischen Stämmen, die seither ununterbrochen fortgedauert
haben. Die Kanonade von Karlowitz (ig. Juni) und das Blutbad von Wei߬
kirchen (22. Juni) sind die bekanntesten Episoden aus diesem wüsten Krieg. — Es
beginnt jetzt das falsche Spiel der östreichischen Camarilla. Ein kaiserliches Hand¬
schreiben an Jellachich vom 10. Mai, der ungarischen Negierung zu gehorchen,
blieb ohne Erfolg. Darauf erfolgte von Innsbruck ein drohender Erlaß, in wel¬
chem der vom Bau aufgeschriebene Landtag für nugiltig erklärt, Jellachich selbst
aber aufgefordert wurde, binnen 24 Stunden wegen Ausgleichung der kroatischen
Wirren am kaiserlichen Hoflager zu erscheinen. Er trat am 12. Juni seiue Reise
an, begleitet von einer zahlreichen Deputation, nachdem er vorher die Angelegen¬
heiten Kroatiens als einer von Ungarn unabhängigen Provinz geordnet. Der
Kaiser wurde völlig umgestimmt, der Bau in seinen Würden bestätigt, und ihm
zugleich eröffnet, daß Erzherzog Johann ans Ansuchen der Ungarn mit der Lei¬
tung der Unterhandlungen beauftragt sei. Er kam am 24. Juni nach Kroatien
zurück, wo er eine große Unruhe vorfand, weil in einem von Pesth am 10. Juni
datirten Befehl der Baums wegen Hochverraths seiner Würden entsetzt war. An
demselben Tage hatte der Kaiser die Vereinigung Siebenbürgens mit Ungarn ge¬
nehmigt. — Die Verhandlungen nahmen ihren Verlauf, aber ohne Resultat, und
wurden durch die Abreise des Erzherzogs »ach Frankfurt (30. Juli) unterbrochen.
Schon hatte das Kriegsministerium zu Wien (4. Juli) dem rebellischen General
eine Hilfe von 100,000 si. Co.-Mze. zukommen lassen.

Als die Frankfurter Deputation, welche dem Erzherzog Johann die Wahl
zum Reichsverweser überbrachte, in Wien ankam (7. Juli), war der tricolore Jnbel
auf seiner Spitze. Zugleich war die Demokratie bereits so weit im Zunehmen, daß
Pillersdvrf seine Entlassung gab. Unter der Vermittlung des Erzherzog Johann
wurde ein neues Ministerium gebildet (8. Juli): Inneres Dobblhvf, Auswär¬
tiges Wessenberg, Finanzen Kraus, Krieg Latour, Justiz Alexander
Bach, Handel Hornbostl, öffentliche Arbeiten Schwarzer. Der Reichverwescr
ging (0. Juli) nach Frankfurt ab, empfing die Bestätigung seiner provisorischen
Gewalt vom Bundestag, der am 13. Juli seine letzte Sitzung hielt, übertrug
Schmerling, der zuletzt als Bundes-Prästdialgesandter fungirt hatte, den Vorsitz
im Reichsministerium, nud kehrte daraus auf kurze Zeit nach Wien zurück, um
seinem Versprechen gemäß den constituirenden Reichstag zu eröffnen (22. Juli), zu
welchem außer den deutschen Erbländer auf Galizien und Dalmatien sein Contin¬
gent gestellt hatte. Die Stellung der Parteien in demselben richtete sich nach der
Ansicht über die Integrität des Kaiserstaats; die Czechen, die gegen alle Trennung
waren, bildeten die Rechte, die Deutschen, welche die Erdtaube an Frankfurt an¬
schließen wollten, und die Polen die Linke. Obgleich nun ein östreichischer Prinz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/446>, abgerufen am 11.02.2025.