Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.der Integrität des östreichischen Kaiserstaats. Gleichzeitig entsendete die Regierung Mittlerweile waren in Oestreich selbst bedeutende Veränderungen eingetreten. der Integrität des östreichischen Kaiserstaats. Gleichzeitig entsendete die Regierung Mittlerweile waren in Oestreich selbst bedeutende Veränderungen eingetreten. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0444" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279470"/> <p xml:id="ID_1509" prev="#ID_1508"> der Integrität des östreichischen Kaiserstaats. Gleichzeitig entsendete die Regierung<lb/> vt Schmerling und v. S onnnaruga als Vertrauensmänner an den Bundes¬<lb/> tag (10. April). Die Oestreicher traten mit großem Enthusiasmus auf, nud wur¬<lb/> den mit gleichem Enthusiasmus empfangen. Sie traten in allen Fragen, die sich<lb/> auf ihren Staat bezogen, als compakte Masse ans, namentlich in der italienischen,<lb/> wo sie den bis dahin ziemlich cosmopolitisch gesinnten Ausschuß gänzlich umstimm¬<lb/> ten. Man hatte den Antrag gestellt, eine Adresse an die Italiener zu erlassen;<lb/> statt dessen wurde sie an die Tiroler gerichtet, welche einem Einfall der Piemon-<lb/> tesen tapfern Widerstand entgegengesetzt hatten. Ein Versuch des Bundestags,<lb/> sich selber durch eine Concentration auf 5 Personen, von Oestreich, Preußen und<lb/> Baiern ernannt/ zu ergänzen, ging von Oestreich aus; er scheiterte diesmal, ob¬<lb/> gleich man die Majorität des Fünfziger Ausschusses in das Interesse gezogen<lb/> hatte. (8. Mai). Im übrigen that die Regierung Alles, was in ihren Kräften<lb/> stand, sich Frankfurt geneigt zu zeigen; sie ordnete sofort die Wahlen zur Na¬<lb/> tionalversammlung an, (l6. April) ganz wie sie das Vorparlament vorgeschrieben<lb/> hatte. Bei den Czechen, die ihre Nationalität jetzt dem reformirenden Oestreich<lb/> entgegensetzten, wie früher dem absolutistischen, sand sie darin Widerstand; nur<lb/> in einigen deutschen Kreisen wurden die Wahlen vollzogen und auch da vou einer<lb/> sehr geringen Minorität. Die Abgeordneten, welche der Fünfziger Ausschuß nach<lb/> Prag schickte, um eine Sinnesänderung zu veranlassen, wurden verhöhnt (28t<lb/> April), und die Regierung fand sich nicht veranlaßt, einzugreifen, um so weniger,<lb/> da ihr selber das Verhältniß des neuen Bundesstaats noch nicht klar war. Ein¬<lb/> mal sah sie sich sogar in der Lage, in einem offiziösen Artikel der Wiener Zei¬<lb/> tung (17. April) gegen den Eintritt Oestreichs in denselben zu Protestiren, salls<lb/> dadurch die Selbstständigkeit des Staats alterirt werden sollte. Das störte aber<lb/> das gute Verhältniß keineswegs, und als die deutsche Nationalversammlung zu¬<lb/> sammentrat (!8. Mai), war die Nothwendigkeit, für Deutschland und Deutsch¬<lb/> östreich eine gemeinsame constitutionelle Verfassung zu entwerfen, entschieden, um<lb/> so mehr, da alle Welt an eine Trennung Ungarns von den deutschen Erbländer<lb/> glaubte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1510" next="#ID_1511"> Mittlerweile waren in Oestreich selbst bedeutende Veränderungen eingetreten.<lb/> Gegen die oktroyirte Verfassung erhob sich eine ernsthafte Opposition, vornämlich<lb/> wegen der darin enthaltenen ersten Kammern. Graf Fiquelmont erhielt eine un¬<lb/> geheure Katzenmusik (3. Mai), und dankte in Folge dessen ab; Pillersdorf wurde<lb/> Conseils-Präsident, Frhr. v. Lebzeltern Minister der auswärtigen Angelegen¬<lb/> heiten (5. Mai). Das Ministerium wurde ferner ergänzt durch Dobblhof (Han¬<lb/> del und Industrie) und Bau eng artn er (öffentliche Arbeiten; 11. Mai). Die<lb/> Jesuiten und Redemtoristen wurden aufgehoben (8. Mai), ein neues Wahlgesetz<lb/> verkündet (11. Mai). Dadurch wurde aber die Demokratie nicht beseitigt, der man<lb/> noch immer keine Aemter anvertraute, und der man sogar den politischen Central-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0444]
der Integrität des östreichischen Kaiserstaats. Gleichzeitig entsendete die Regierung
vt Schmerling und v. S onnnaruga als Vertrauensmänner an den Bundes¬
tag (10. April). Die Oestreicher traten mit großem Enthusiasmus auf, nud wur¬
den mit gleichem Enthusiasmus empfangen. Sie traten in allen Fragen, die sich
auf ihren Staat bezogen, als compakte Masse ans, namentlich in der italienischen,
wo sie den bis dahin ziemlich cosmopolitisch gesinnten Ausschuß gänzlich umstimm¬
ten. Man hatte den Antrag gestellt, eine Adresse an die Italiener zu erlassen;
statt dessen wurde sie an die Tiroler gerichtet, welche einem Einfall der Piemon-
tesen tapfern Widerstand entgegengesetzt hatten. Ein Versuch des Bundestags,
sich selber durch eine Concentration auf 5 Personen, von Oestreich, Preußen und
Baiern ernannt/ zu ergänzen, ging von Oestreich aus; er scheiterte diesmal, ob¬
gleich man die Majorität des Fünfziger Ausschusses in das Interesse gezogen
hatte. (8. Mai). Im übrigen that die Regierung Alles, was in ihren Kräften
stand, sich Frankfurt geneigt zu zeigen; sie ordnete sofort die Wahlen zur Na¬
tionalversammlung an, (l6. April) ganz wie sie das Vorparlament vorgeschrieben
hatte. Bei den Czechen, die ihre Nationalität jetzt dem reformirenden Oestreich
entgegensetzten, wie früher dem absolutistischen, sand sie darin Widerstand; nur
in einigen deutschen Kreisen wurden die Wahlen vollzogen und auch da vou einer
sehr geringen Minorität. Die Abgeordneten, welche der Fünfziger Ausschuß nach
Prag schickte, um eine Sinnesänderung zu veranlassen, wurden verhöhnt (28t
April), und die Regierung fand sich nicht veranlaßt, einzugreifen, um so weniger,
da ihr selber das Verhältniß des neuen Bundesstaats noch nicht klar war. Ein¬
mal sah sie sich sogar in der Lage, in einem offiziösen Artikel der Wiener Zei¬
tung (17. April) gegen den Eintritt Oestreichs in denselben zu Protestiren, salls
dadurch die Selbstständigkeit des Staats alterirt werden sollte. Das störte aber
das gute Verhältniß keineswegs, und als die deutsche Nationalversammlung zu¬
sammentrat (!8. Mai), war die Nothwendigkeit, für Deutschland und Deutsch¬
östreich eine gemeinsame constitutionelle Verfassung zu entwerfen, entschieden, um
so mehr, da alle Welt an eine Trennung Ungarns von den deutschen Erbländer
glaubte.
Mittlerweile waren in Oestreich selbst bedeutende Veränderungen eingetreten.
Gegen die oktroyirte Verfassung erhob sich eine ernsthafte Opposition, vornämlich
wegen der darin enthaltenen ersten Kammern. Graf Fiquelmont erhielt eine un¬
geheure Katzenmusik (3. Mai), und dankte in Folge dessen ab; Pillersdorf wurde
Conseils-Präsident, Frhr. v. Lebzeltern Minister der auswärtigen Angelegen¬
heiten (5. Mai). Das Ministerium wurde ferner ergänzt durch Dobblhof (Han¬
del und Industrie) und Bau eng artn er (öffentliche Arbeiten; 11. Mai). Die
Jesuiten und Redemtoristen wurden aufgehoben (8. Mai), ein neues Wahlgesetz
verkündet (11. Mai). Dadurch wurde aber die Demokratie nicht beseitigt, der man
noch immer keine Aemter anvertraute, und der man sogar den politischen Central-
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