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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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rinn ernannt: Auswärtiges Graf Fiquelmont, Inneres Pillersdorf, Ju¬
stiz Graf Taaffe, Finanzen Kübeck. Der provisorische Ministerpräsident Graf
Kolowrat dankte schon am 4. April wieder ab. In einer Rundfahrt durch
Wien (l8. März) fraternisirte der Kaiser mit dem Volk, das ihm die Pferde aus¬
spannte, Windischgrätz mußte seine militärischen Maßregeln zurücknehmen, es
wurde eine allgemeine Amnestie ausgesprochen (20. März), ein Ministerium des
Unterrichts gegründet (24. März, Freih. v. Svmmaruga), das Kommando der
akademischen Legion dem Trafen Colloredo-Mansfeld übertragen, (?l.März).
Ein gleichzeitiger Erlaß eines provisorischen Preßgebvts genügte der jungen
Presse nicht mehr, die mit der Schnelligkeit von Pilzen aufschoß; es wurde von
den Studenten feierlich verbrannt und in Folge dessen zurückgenommen (9. Ayrt).
Am 2. April schwang der Kaiser aus einem Fenster der Hofburg die schwarzroth-
goldene Fahne, am ti. April wurden die. Ligorianer vertrieben, am 11. April die
Ablösung der Robot und der Zehnten verheißen, endlich am 25. April eine oc-
troyirte Verfassung proclamirt. Die künstliche Aufregung, in die man Wien gegen
ein derartiges kaiserliches Gnadengeschenk zu setzen suchte, fand diesmal noch kei¬
nen Boden; als die Regierung den Urheber derselben, Schütte, aus Wien
entfernte (18. April), stand die gesammte Bürgerschaft auf Seite der ersteren.

Eben so allgemein war der Patriotismus der Wiener in Bezug auf den ita¬
lienischen Krieg. Hier war der Ausbruch zu Mailand am 18. März erfolgt.
Man hatte eine provisorische Regierung eingesetzt (19. März) und nach NadetMs
Abzug die Republik proclamirt (20. März). Dasselbe geschah am nämlichen Tage
zu Venedig, wo Tomasseo und Man in an die Spitze traten. In den kleinen
italienischen Staaten siegte überall die Revolution, die Römer schickten einen frei¬
lich unfähigen Geueral (Durando) den Lombarden zu Hilfe, und König Carl
Albert, gedrängt durch die kriegslustige Partei, die von seinem eigenen Minister
Pareto geleitet wurde, überschritt den Ticino (24. März) und zog am folgen¬
den Tag in Mailand ein, indem er sich in einer Proclamation gegen alle ehr¬
geizigen Absichten verwahrte. Oestreich erklärte ihm den Krieg (1. April).

Eine andere Verwickelung ergab sich für Oestreich durch die deutsche Bewe¬
gung. Das Vorparlament beschloß, indem es den Fünfziger Ausschuß einsetzte
(3. April), 7 Oestreicher hineinzuwählen. Die Theilnahme Oestreichs an dem
neu zu errichtenden Bundesstaat erschien als ausgemachte Thatsache. Die Wahl
traf Wiesuer, v. Schwarzer, v. Andrian, Bach, Schuler, Franz Pa-
lacky und Schuselka (5. April). Gleichzeitig hatte man aber in Wien, von
Seiten der Studenten, eine Deputation erwählt, die (9. April) dem Ausschuß
den Eintritt Oestreichs verkünden sollte. Durch einen Kompromiß blieben nun
Wiesner, Schuselka, Schilling, Hornbostel, Kuranda, v. Mühl¬
feld und Hübner im Ausschuß. Palacky, Haupt der czechischeu Opposition, lehnte
die Wahl ab, weil er die Vereinigung mit Deutschland für unvereinbar hielt mit


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rinn ernannt: Auswärtiges Graf Fiquelmont, Inneres Pillersdorf, Ju¬
stiz Graf Taaffe, Finanzen Kübeck. Der provisorische Ministerpräsident Graf
Kolowrat dankte schon am 4. April wieder ab. In einer Rundfahrt durch
Wien (l8. März) fraternisirte der Kaiser mit dem Volk, das ihm die Pferde aus¬
spannte, Windischgrätz mußte seine militärischen Maßregeln zurücknehmen, es
wurde eine allgemeine Amnestie ausgesprochen (20. März), ein Ministerium des
Unterrichts gegründet (24. März, Freih. v. Svmmaruga), das Kommando der
akademischen Legion dem Trafen Colloredo-Mansfeld übertragen, (?l.März).
Ein gleichzeitiger Erlaß eines provisorischen Preßgebvts genügte der jungen
Presse nicht mehr, die mit der Schnelligkeit von Pilzen aufschoß; es wurde von
den Studenten feierlich verbrannt und in Folge dessen zurückgenommen (9. Ayrt).
Am 2. April schwang der Kaiser aus einem Fenster der Hofburg die schwarzroth-
goldene Fahne, am ti. April wurden die. Ligorianer vertrieben, am 11. April die
Ablösung der Robot und der Zehnten verheißen, endlich am 25. April eine oc-
troyirte Verfassung proclamirt. Die künstliche Aufregung, in die man Wien gegen
ein derartiges kaiserliches Gnadengeschenk zu setzen suchte, fand diesmal noch kei¬
nen Boden; als die Regierung den Urheber derselben, Schütte, aus Wien
entfernte (18. April), stand die gesammte Bürgerschaft auf Seite der ersteren.

Eben so allgemein war der Patriotismus der Wiener in Bezug auf den ita¬
lienischen Krieg. Hier war der Ausbruch zu Mailand am 18. März erfolgt.
Man hatte eine provisorische Regierung eingesetzt (19. März) und nach NadetMs
Abzug die Republik proclamirt (20. März). Dasselbe geschah am nämlichen Tage
zu Venedig, wo Tomasseo und Man in an die Spitze traten. In den kleinen
italienischen Staaten siegte überall die Revolution, die Römer schickten einen frei¬
lich unfähigen Geueral (Durando) den Lombarden zu Hilfe, und König Carl
Albert, gedrängt durch die kriegslustige Partei, die von seinem eigenen Minister
Pareto geleitet wurde, überschritt den Ticino (24. März) und zog am folgen¬
den Tag in Mailand ein, indem er sich in einer Proclamation gegen alle ehr¬
geizigen Absichten verwahrte. Oestreich erklärte ihm den Krieg (1. April).

Eine andere Verwickelung ergab sich für Oestreich durch die deutsche Bewe¬
gung. Das Vorparlament beschloß, indem es den Fünfziger Ausschuß einsetzte
(3. April), 7 Oestreicher hineinzuwählen. Die Theilnahme Oestreichs an dem
neu zu errichtenden Bundesstaat erschien als ausgemachte Thatsache. Die Wahl
traf Wiesuer, v. Schwarzer, v. Andrian, Bach, Schuler, Franz Pa-
lacky und Schuselka (5. April). Gleichzeitig hatte man aber in Wien, von
Seiten der Studenten, eine Deputation erwählt, die (9. April) dem Ausschuß
den Eintritt Oestreichs verkünden sollte. Durch einen Kompromiß blieben nun
Wiesner, Schuselka, Schilling, Hornbostel, Kuranda, v. Mühl¬
feld und Hübner im Ausschuß. Palacky, Haupt der czechischeu Opposition, lehnte
die Wahl ab, weil er die Vereinigung mit Deutschland für unvereinbar hielt mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/443>, abgerufen am 05.02.2025.