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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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aus der Revolution hervorgingen, war die crbkaiserliche, trotz ihrer royalistischen
Haltung, nicht minder feind dem Bestehenden, als die demokratische. In der ersten
Form dieses Bestrebens, in der Reichsverweserschaft, trat dieser Gegensatz noch nicht
so unmittelbar hervor, theils weil diese Würde provisorisch war, theils weil sie in
ihrer nächsten Wirksamkeit vortrefflich dazu diente, die Revolution zu bekämpfen.
Dennoch wurde dieser Erzherzog, der erste deutsche Manu, nicht weil sondern ob¬
gleich er ein Prinz war, bei jeder Gelegenheit den legitimen Monarchen entgegen¬
gehalten, die demokratische Partei betrachtete ihn als einen Keil, den preußischen
Staat auseinander zu treiben, und gutgesinnte Liberale verfehlten wenigstens nicht,
durch Toaste auf die "erste deutsche Frau" -- die Baronin Brandhof, eine ge¬
borene bürgerliche, conservativen Zirkeln zu imponiren.

Als nun aber aus dem Provisorium ein definitiver Zustand werden sollte,
wurde die Sache ernsthafter. Es half nichts, durch Zurückgehn auf die Reminis¬
cenzen des heiligen römischen Reichs dem neugewebten Kaisermantel einen altfrän¬
kischen Anstrich geben zu wollen, es blieb doch ein moderner Rock. Einer neuen
Familie die höchste Würde des Reichs zu übertragen, dagegen hätten sich sämmt¬
liche Dynasten vereinigt, und eben so wenig gönnte es einer dem andern. Zwar
erklärte der Freiherr v. Vinke, Preußen würde nichts dagegen haben, daß auch
die definitive Centralgewalt an das ältere Haus Oestreich übertragen würde, falls
dieses -- -- Aber was nun dahinter kam, drückte eben die Unmöglichkeit der
Bedingung aus. Jedenfalls konnte die erstrebte einheitliche Regierung des Bun¬
desstaats nicht als der Totalansdrnck sämmtlicher deutschen Dynasten gelten, son¬
dern als eine neue, aus der Volkssouveränität hervorgegangene und dieselbe reprä-
sentirende Gewalt, die wesentlich gegen jene Dynasten gerichtet war. Darum hat
sich die specifisch royalistische Partei in Preußen selbst am heftigsten gegen die An¬
nahme der tricoloren Kaiserwürde gesträubt.

Diese Gesinnung, die am Königthum hält, weil der Stand der Actien davon
abhängt, hat keine" positiven Werth. In den deutschen Kleinstaaten ist kein an¬
derer. Selbst in Sachsen, Würtemberg und Hannover ist die Anhänglichkeit an
das Königshaus nur der Ausdruck der wirklich vorhandenen Stammesparticulari-
tät, die sich um so mehr scheut, im allgemeinen Deutschland ihre Eigenthümlich¬
keit aufzugeben, weil sie wohl einsteht, daß das charakteristische Moment dieses
deutschen Wesens anderwärts hergenommen werden muß. Sie wollen nicht
Preußisch werden; sie würden sich ebenso dagegen sträuben, in Oestreich aufzu¬
gehen, wenn die Möglichkeit dieses Gedanken ihnen irgendwie näher getreten wäre.
Darum äußert sich diese Art specifischen Staatenthums bei den Demokraten we-
wigstens eben so stark als bei der conservativen Partei, und sie würden gegen
eine Republik nur dann nicht abgeneigt sein, wenn der Typus ihrer Volkseigen¬
thümlichkeit an die Spitze gestellt würde.

Diese Gesinnung ist unproductiv und unberechtigt. Sie geht von keiner ge-


aus der Revolution hervorgingen, war die crbkaiserliche, trotz ihrer royalistischen
Haltung, nicht minder feind dem Bestehenden, als die demokratische. In der ersten
Form dieses Bestrebens, in der Reichsverweserschaft, trat dieser Gegensatz noch nicht
so unmittelbar hervor, theils weil diese Würde provisorisch war, theils weil sie in
ihrer nächsten Wirksamkeit vortrefflich dazu diente, die Revolution zu bekämpfen.
Dennoch wurde dieser Erzherzog, der erste deutsche Manu, nicht weil sondern ob¬
gleich er ein Prinz war, bei jeder Gelegenheit den legitimen Monarchen entgegen¬
gehalten, die demokratische Partei betrachtete ihn als einen Keil, den preußischen
Staat auseinander zu treiben, und gutgesinnte Liberale verfehlten wenigstens nicht,
durch Toaste auf die „erste deutsche Frau" — die Baronin Brandhof, eine ge¬
borene bürgerliche, conservativen Zirkeln zu imponiren.

Als nun aber aus dem Provisorium ein definitiver Zustand werden sollte,
wurde die Sache ernsthafter. Es half nichts, durch Zurückgehn auf die Reminis¬
cenzen des heiligen römischen Reichs dem neugewebten Kaisermantel einen altfrän¬
kischen Anstrich geben zu wollen, es blieb doch ein moderner Rock. Einer neuen
Familie die höchste Würde des Reichs zu übertragen, dagegen hätten sich sämmt¬
liche Dynasten vereinigt, und eben so wenig gönnte es einer dem andern. Zwar
erklärte der Freiherr v. Vinke, Preußen würde nichts dagegen haben, daß auch
die definitive Centralgewalt an das ältere Haus Oestreich übertragen würde, falls
dieses — — Aber was nun dahinter kam, drückte eben die Unmöglichkeit der
Bedingung aus. Jedenfalls konnte die erstrebte einheitliche Regierung des Bun¬
desstaats nicht als der Totalansdrnck sämmtlicher deutschen Dynasten gelten, son¬
dern als eine neue, aus der Volkssouveränität hervorgegangene und dieselbe reprä-
sentirende Gewalt, die wesentlich gegen jene Dynasten gerichtet war. Darum hat
sich die specifisch royalistische Partei in Preußen selbst am heftigsten gegen die An¬
nahme der tricoloren Kaiserwürde gesträubt.

Diese Gesinnung, die am Königthum hält, weil der Stand der Actien davon
abhängt, hat keine» positiven Werth. In den deutschen Kleinstaaten ist kein an¬
derer. Selbst in Sachsen, Würtemberg und Hannover ist die Anhänglichkeit an
das Königshaus nur der Ausdruck der wirklich vorhandenen Stammesparticulari-
tät, die sich um so mehr scheut, im allgemeinen Deutschland ihre Eigenthümlich¬
keit aufzugeben, weil sie wohl einsteht, daß das charakteristische Moment dieses
deutschen Wesens anderwärts hergenommen werden muß. Sie wollen nicht
Preußisch werden; sie würden sich ebenso dagegen sträuben, in Oestreich aufzu¬
gehen, wenn die Möglichkeit dieses Gedanken ihnen irgendwie näher getreten wäre.
Darum äußert sich diese Art specifischen Staatenthums bei den Demokraten we-
wigstens eben so stark als bei der conservativen Partei, und sie würden gegen
eine Republik nur dann nicht abgeneigt sein, wenn der Typus ihrer Volkseigen¬
thümlichkeit an die Spitze gestellt würde.

Diese Gesinnung ist unproductiv und unberechtigt. Sie geht von keiner ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/404>, abgerufen am 05.02.2025.