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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Krieg in Italien anerkannterweise ein östreichischer Privatkrieg war. Aber wo
war der Mittelpunkt der Monarchie in Oestreich? Nicht in der Person des Kai¬
sers, den man wohl den guten Willen hatte, zu lieben, vor dem man aber keine
sonderliche Ehrfurcht empfand, nicht in der Negierung, denn diese war vom Libe¬
ralismus inficirt und schwach nach beiden Seiten hin. Er war in der Armee,
dem einzigen wirksamen Bande, das die verschiedenen Nationalitäten zusammen¬
hielt und das die getrennten mit eiserner Klammer wieder aneinander gekettet hat.

Denn die realistische Gestnnnng äußert sich am bestimmtesten im unmittel¬
baren Dienst, und zwar im ehrenvollen. Das Heer ist der klarste Ausdruck der
nationalen Einheit, des gemeinsamen Ehrgefühls, des gemeinsamen Gehorsams
gegen eine höhere Macht. Darum richtete sich in Deutschland die realistische
Gesinnung immer gegen Preußen, dem die Heere folgten, nicht gegen den Reichs-
verweser, das Erzeugniß friedlichen, parlamentarischen Bestrebens; selbst nicht
gegen die einzelnen Fürsten. In Deutschland ist überhaupt von dem eigentlichen,
specifischen Royalismus nnr in Oestreich und Preußen die Rede, allenfalls in
Baiern. Freilich muß man in diesem Begriff die verschiedenen Momente ausein¬
ander halten.

Ich unterscheide nämlich diesen specifischen Royalismus, den ich nur in krie¬
gerischen, geschichtlichen Staaten finde, sowohl von dem egoistischen der conserva-
tiven Gesinnung als von dem doctrinairen der Legitimität.

Es ist bekannt, wie für die conservative Partei im vorigen Jahre die Mo¬
narchie das letzte Symbol des Bestehenden überhaupt war. In einem Leipziger
Kaffeehaus erschien einmal mit allen Zeichen eines verwilderten Gemüths ein ehr¬
licher Philister mit der Schreckensbotschaft, in Hamburg habe man die Republik
ausgerufen. Das war ganz ernst gemeint, denn unter Republik dachte mau sich
nicht eine bestimmte Staattform, sondern Terrorismus und Anarchie. Ich sah
einen Frankfurter Weinreisenden -- diese Classe wurde insgesammt sehr loyal,
weil in der Revolution ihre Geschäfte schlecht gingen -- auf das Wohl des Kö¬
nigs von Preußen anstoßen, und Nadoivitz tadeln, daß er uoch uicht weit genug
"rechts" wäre.

Dabei muß man aber zwei Umstände nicht ans den Augen lassen. Eine
Menge adliger Familien in Schlesien, so wie so mancher wackere Geschäftsmann in
Leipzig, war entschlossen, um den republikanischen Umtrieben, von denen das Va¬
terland zerrissen wurde, zu entgehen, nach Amerika auszuwandern. Eine Flucht
in die Republik vor deu Republikanern! Nicht an der Monarchie war ihnen ge¬
legen, sondern an der Stabilität des ordnungsmäßigen Geschäftsganges; nicht die
Republik fürchteten sie, sondern die werdende Republik, das hitzige Fieber einer
Uebergangsperiode. Wäre ihnen die Republik fertig präsentirt worden, ohne ein
erhebliches Fallen der Renten, sie hätten sich schnell genug mit ihr ansgesölmt.

Ein zweiter Umstand ist folgender. Unter den beiden Hauptparteien, welche


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Krieg in Italien anerkannterweise ein östreichischer Privatkrieg war. Aber wo
war der Mittelpunkt der Monarchie in Oestreich? Nicht in der Person des Kai¬
sers, den man wohl den guten Willen hatte, zu lieben, vor dem man aber keine
sonderliche Ehrfurcht empfand, nicht in der Negierung, denn diese war vom Libe¬
ralismus inficirt und schwach nach beiden Seiten hin. Er war in der Armee,
dem einzigen wirksamen Bande, das die verschiedenen Nationalitäten zusammen¬
hielt und das die getrennten mit eiserner Klammer wieder aneinander gekettet hat.

Denn die realistische Gestnnnng äußert sich am bestimmtesten im unmittel¬
baren Dienst, und zwar im ehrenvollen. Das Heer ist der klarste Ausdruck der
nationalen Einheit, des gemeinsamen Ehrgefühls, des gemeinsamen Gehorsams
gegen eine höhere Macht. Darum richtete sich in Deutschland die realistische
Gesinnung immer gegen Preußen, dem die Heere folgten, nicht gegen den Reichs-
verweser, das Erzeugniß friedlichen, parlamentarischen Bestrebens; selbst nicht
gegen die einzelnen Fürsten. In Deutschland ist überhaupt von dem eigentlichen,
specifischen Royalismus nnr in Oestreich und Preußen die Rede, allenfalls in
Baiern. Freilich muß man in diesem Begriff die verschiedenen Momente ausein¬
ander halten.

Ich unterscheide nämlich diesen specifischen Royalismus, den ich nur in krie¬
gerischen, geschichtlichen Staaten finde, sowohl von dem egoistischen der conserva-
tiven Gesinnung als von dem doctrinairen der Legitimität.

Es ist bekannt, wie für die conservative Partei im vorigen Jahre die Mo¬
narchie das letzte Symbol des Bestehenden überhaupt war. In einem Leipziger
Kaffeehaus erschien einmal mit allen Zeichen eines verwilderten Gemüths ein ehr¬
licher Philister mit der Schreckensbotschaft, in Hamburg habe man die Republik
ausgerufen. Das war ganz ernst gemeint, denn unter Republik dachte mau sich
nicht eine bestimmte Staattform, sondern Terrorismus und Anarchie. Ich sah
einen Frankfurter Weinreisenden — diese Classe wurde insgesammt sehr loyal,
weil in der Revolution ihre Geschäfte schlecht gingen — auf das Wohl des Kö¬
nigs von Preußen anstoßen, und Nadoivitz tadeln, daß er uoch uicht weit genug
„rechts" wäre.

Dabei muß man aber zwei Umstände nicht ans den Augen lassen. Eine
Menge adliger Familien in Schlesien, so wie so mancher wackere Geschäftsmann in
Leipzig, war entschlossen, um den republikanischen Umtrieben, von denen das Va¬
terland zerrissen wurde, zu entgehen, nach Amerika auszuwandern. Eine Flucht
in die Republik vor deu Republikanern! Nicht an der Monarchie war ihnen ge¬
legen, sondern an der Stabilität des ordnungsmäßigen Geschäftsganges; nicht die
Republik fürchteten sie, sondern die werdende Republik, das hitzige Fieber einer
Uebergangsperiode. Wäre ihnen die Republik fertig präsentirt worden, ohne ein
erhebliches Fallen der Renten, sie hätten sich schnell genug mit ihr ansgesölmt.

Ein zweiter Umstand ist folgender. Unter den beiden Hauptparteien, welche


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[0403] Krieg in Italien anerkannterweise ein östreichischer Privatkrieg war. Aber wo war der Mittelpunkt der Monarchie in Oestreich? Nicht in der Person des Kai¬ sers, den man wohl den guten Willen hatte, zu lieben, vor dem man aber keine sonderliche Ehrfurcht empfand, nicht in der Negierung, denn diese war vom Libe¬ ralismus inficirt und schwach nach beiden Seiten hin. Er war in der Armee, dem einzigen wirksamen Bande, das die verschiedenen Nationalitäten zusammen¬ hielt und das die getrennten mit eiserner Klammer wieder aneinander gekettet hat. Denn die realistische Gestnnnng äußert sich am bestimmtesten im unmittel¬ baren Dienst, und zwar im ehrenvollen. Das Heer ist der klarste Ausdruck der nationalen Einheit, des gemeinsamen Ehrgefühls, des gemeinsamen Gehorsams gegen eine höhere Macht. Darum richtete sich in Deutschland die realistische Gesinnung immer gegen Preußen, dem die Heere folgten, nicht gegen den Reichs- verweser, das Erzeugniß friedlichen, parlamentarischen Bestrebens; selbst nicht gegen die einzelnen Fürsten. In Deutschland ist überhaupt von dem eigentlichen, specifischen Royalismus nnr in Oestreich und Preußen die Rede, allenfalls in Baiern. Freilich muß man in diesem Begriff die verschiedenen Momente ausein¬ ander halten. Ich unterscheide nämlich diesen specifischen Royalismus, den ich nur in krie¬ gerischen, geschichtlichen Staaten finde, sowohl von dem egoistischen der conserva- tiven Gesinnung als von dem doctrinairen der Legitimität. Es ist bekannt, wie für die conservative Partei im vorigen Jahre die Mo¬ narchie das letzte Symbol des Bestehenden überhaupt war. In einem Leipziger Kaffeehaus erschien einmal mit allen Zeichen eines verwilderten Gemüths ein ehr¬ licher Philister mit der Schreckensbotschaft, in Hamburg habe man die Republik ausgerufen. Das war ganz ernst gemeint, denn unter Republik dachte mau sich nicht eine bestimmte Staattform, sondern Terrorismus und Anarchie. Ich sah einen Frankfurter Weinreisenden — diese Classe wurde insgesammt sehr loyal, weil in der Revolution ihre Geschäfte schlecht gingen — auf das Wohl des Kö¬ nigs von Preußen anstoßen, und Nadoivitz tadeln, daß er uoch uicht weit genug „rechts" wäre. Dabei muß man aber zwei Umstände nicht ans den Augen lassen. Eine Menge adliger Familien in Schlesien, so wie so mancher wackere Geschäftsmann in Leipzig, war entschlossen, um den republikanischen Umtrieben, von denen das Va¬ terland zerrissen wurde, zu entgehen, nach Amerika auszuwandern. Eine Flucht in die Republik vor deu Republikanern! Nicht an der Monarchie war ihnen ge¬ legen, sondern an der Stabilität des ordnungsmäßigen Geschäftsganges; nicht die Republik fürchteten sie, sondern die werdende Republik, das hitzige Fieber einer Uebergangsperiode. Wäre ihnen die Republik fertig präsentirt worden, ohne ein erhebliches Fallen der Renten, sie hätten sich schnell genug mit ihr ansgesölmt. Ein zweiter Umstand ist folgender. Unter den beiden Hauptparteien, welche 51*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/403>, abgerufen am 10.02.2025.