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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Staaten, waren trotz aller Schonung des monarchischen Princips, ihrer wesent¬
lichen Richtung nach republikanisch, d. h. antimonarchisch.

Der Grund davon liegt nicht allein darin, daß in Frankfurt bei weitem mehr
Bildung und Besonnenheit vertreten war, als in irgend einer der übrigen Con-
stituauten. Das Bewußtsein eines Princips tritt erst hervor an seinem Gegensatz.
In Wien, in Berlin, in Dresden n. s. w. hatte man zunächst mit der Beseitigung
der Mißbräuche zu thun, die sich an das bisherige Staatswesen knüpften und die
alle ihren letzten Pfeiler im Königthum fanden. Das Positive desselben festzuhalten,
war kein Grund vorhanden, denn es gab keinen äußerlichen Feind, der es an¬
fachte. Anders in Frankfurt.

Welches war der Moment, in dem sich der Royalismus zuerst Lust machte?
Als Brentano die Unverschämtheit hatte, den Prinzen von Preußen mit den ba-
tis-hen Rebellen in eine Kategorie zu werfen. Damals drang der größere Theil
der preußischen Abgeordneten auf die Tribune, um deu Redner herunterzureißen,
ihn herauszufordern oder auch allenfalls ihn unmittelbar zu züchtigen. Die Sache
wurde in der Weise beigelegt, daß der Präsident gegen Brentano einen motivirten
Ordnungsruf aussprach, weil er einen edlen Volksstamm beleidigt habe.

Auf den ersten Anschein ficht diese Motivirung sonderbar genug aus; wenn
sich z.B. eine ähnliche Redensart auf Heinrich 72. oder aus eine" hessischen Prin¬
zen bezogen hätte, so hätte man es wohl als eine Verletzung fürstlicher Personen
rügen können, aber den edlen Volksstamm hätte man aus dem Spiel gelassen.
Dennoch war in jenem Ausdruck etwas Richtiges. Es war das erste Zugeständniß
der Vertreter des deutschen Volks, daß man das specifische Preußenthum zu re-
specnren habe und daß dieses mit dem monarchischen Princip in einem wesentlichen
Zusammenhang stände.

Daß die Oestreicher mit ihrem Royalismus viel weniger hervortraten, hatte
einen sehr einfachen Grund. Trotz aller Versicherungen von Seiten der Linken,
daß man Oestreich von Frankfurt aus so gut regiere" wolle, als die kleinen deut¬
schen Staaten, hat man doch nie deu Versuch dazu gemacht. Eigentlich drückte
immer uur das preußische Königthum auf der Demokratie, ja man fand es sogar
höchst bequem, Preußen durch Oestreich in Schach zu halten; man schmeichelte
der östreichischen Gemüthlichkeit, u"d diese fand es -- natürlich mit Ausnahme
der eigentlichen Staatsmänner -- ebenso angemessen wie angenehm, ihrerseits mit
der Republik zu liebäugeln, die gegen den fernen Doppeladler immer viel weniger
einzuwenden hatte, als gegen den bekannteren Königsvogel.

Dennoch fand auch der specifische Patriotismus Oestreichs Gelegenheit, sich
auszusprechen. Es war, als Rüge, der Kosmopolit, den Sieg der Italiener
über deu Tyrannen Radetzky wünschte. Es erfolgte ein Auftritt, wie damals von
Seiten der Preußen gegen Brentano, und der Präsident, Herr v. Gagern, fand
sich veranlaßt, den Redner des halben Vaterlandsverraths zu zeihen, obgleich jener


Staaten, waren trotz aller Schonung des monarchischen Princips, ihrer wesent¬
lichen Richtung nach republikanisch, d. h. antimonarchisch.

Der Grund davon liegt nicht allein darin, daß in Frankfurt bei weitem mehr
Bildung und Besonnenheit vertreten war, als in irgend einer der übrigen Con-
stituauten. Das Bewußtsein eines Princips tritt erst hervor an seinem Gegensatz.
In Wien, in Berlin, in Dresden n. s. w. hatte man zunächst mit der Beseitigung
der Mißbräuche zu thun, die sich an das bisherige Staatswesen knüpften und die
alle ihren letzten Pfeiler im Königthum fanden. Das Positive desselben festzuhalten,
war kein Grund vorhanden, denn es gab keinen äußerlichen Feind, der es an¬
fachte. Anders in Frankfurt.

Welches war der Moment, in dem sich der Royalismus zuerst Lust machte?
Als Brentano die Unverschämtheit hatte, den Prinzen von Preußen mit den ba-
tis-hen Rebellen in eine Kategorie zu werfen. Damals drang der größere Theil
der preußischen Abgeordneten auf die Tribune, um deu Redner herunterzureißen,
ihn herauszufordern oder auch allenfalls ihn unmittelbar zu züchtigen. Die Sache
wurde in der Weise beigelegt, daß der Präsident gegen Brentano einen motivirten
Ordnungsruf aussprach, weil er einen edlen Volksstamm beleidigt habe.

Auf den ersten Anschein ficht diese Motivirung sonderbar genug aus; wenn
sich z.B. eine ähnliche Redensart auf Heinrich 72. oder aus eine» hessischen Prin¬
zen bezogen hätte, so hätte man es wohl als eine Verletzung fürstlicher Personen
rügen können, aber den edlen Volksstamm hätte man aus dem Spiel gelassen.
Dennoch war in jenem Ausdruck etwas Richtiges. Es war das erste Zugeständniß
der Vertreter des deutschen Volks, daß man das specifische Preußenthum zu re-
specnren habe und daß dieses mit dem monarchischen Princip in einem wesentlichen
Zusammenhang stände.

Daß die Oestreicher mit ihrem Royalismus viel weniger hervortraten, hatte
einen sehr einfachen Grund. Trotz aller Versicherungen von Seiten der Linken,
daß man Oestreich von Frankfurt aus so gut regiere» wolle, als die kleinen deut¬
schen Staaten, hat man doch nie deu Versuch dazu gemacht. Eigentlich drückte
immer uur das preußische Königthum auf der Demokratie, ja man fand es sogar
höchst bequem, Preußen durch Oestreich in Schach zu halten; man schmeichelte
der östreichischen Gemüthlichkeit, u»d diese fand es — natürlich mit Ausnahme
der eigentlichen Staatsmänner — ebenso angemessen wie angenehm, ihrerseits mit
der Republik zu liebäugeln, die gegen den fernen Doppeladler immer viel weniger
einzuwenden hatte, als gegen den bekannteren Königsvogel.

Dennoch fand auch der specifische Patriotismus Oestreichs Gelegenheit, sich
auszusprechen. Es war, als Rüge, der Kosmopolit, den Sieg der Italiener
über deu Tyrannen Radetzky wünschte. Es erfolgte ein Auftritt, wie damals von
Seiten der Preußen gegen Brentano, und der Präsident, Herr v. Gagern, fand
sich veranlaßt, den Redner des halben Vaterlandsverraths zu zeihen, obgleich jener


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/402>, abgerufen am 05.02.2025.