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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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Roy allsten und Republikaner.



Als sich im März des vorigen Jahres in Leipzig der deutsche Verein bildete,
zunächst im Gegensatz gegen die radicalen Clubs, die schon damals in wüste De¬
magogie verwilderten, wollten einige alte Herren ausdrücklich in die Statuten
aufgenommen wissen, daß der Verein keine republikanischen Gesinnungen unter sich
dulde. Der Punkt wurde damals beseitigt, theils weil die Anerkennung des mo¬
narchischen Princips in Bausch und Bogen mit dem Zweck, den wir uus alle ge¬
setzt hatten, der Einheit Deutschlands, nicht recht stimmen wollte, theils weil
ein großer Theil der gemäßigten Partei, so sehr er gegen die prononcirten Repu¬
blikaner Opposition machte, dennoch das Bild der Republik im Herzen trug. Man
rechtfertigte damals das Festhalten an der konstitutionellen Monarchie nicht durch
die Vernunftmäßigkeit dieser Staatsform an sich, noch viel weniger durch eine
eigentlich royalistische Gesinnung, man war nur gegen den gewaltsamen Sprung
vom Absolutismus zur unbedingten Demokratie, man wollte durch die Uebergangs¬
form des Constitutionalismus allmälig erst die Selbstregierung des Volks vermit¬
teln. Wenn einmal ein intensiver monarchischer Enthusiasmus losbrach, so war
das ein vereinzelter Fall. Ich erinnere mich an einen Redner, der damals häufig
und stets mit "fortlaufenden" Beifall sich vernehmen ließ, wie er einmal in einer
Berathung über das Zustandekommen der deutscheu Flotte plötzlich in einen leb¬
haften Jammer gerieth, daß man über der deutschen Flotte die Unterthanentreue
gegen den allergnädigsten König und Herren aus den Augen setze. So etwas
wurde damals als ein vloßes Curiosum angesehn.

^, Seitdem ist der Royalismus nach 'allen Seiten hin so bestimmt und laut
hervorgetreten, daß mau sich über sein Dasein und folglich seine Berechtigung
nicht verblenden darf. Es ist nützlich für unsere weitere Entwickelung, sich über
seine Natur ins Klare zu setzen.

Zunächst fällt uns die Bemerkung auf, daß von den verschiedenen constitui-
renden und gesetzgebenden Versammlungen eine einzige einen royalistische" Charakter
trug, und zwar diejenige, von der man es am wenigsten hätte erwarten sollen,
die Paulskirche. Alle übrigen, die Ocstreichische und Preußische, wie die dor kleinen


Grenzboten. III. I8M. 51
Roy allsten und Republikaner.



Als sich im März des vorigen Jahres in Leipzig der deutsche Verein bildete,
zunächst im Gegensatz gegen die radicalen Clubs, die schon damals in wüste De¬
magogie verwilderten, wollten einige alte Herren ausdrücklich in die Statuten
aufgenommen wissen, daß der Verein keine republikanischen Gesinnungen unter sich
dulde. Der Punkt wurde damals beseitigt, theils weil die Anerkennung des mo¬
narchischen Princips in Bausch und Bogen mit dem Zweck, den wir uus alle ge¬
setzt hatten, der Einheit Deutschlands, nicht recht stimmen wollte, theils weil
ein großer Theil der gemäßigten Partei, so sehr er gegen die prononcirten Repu¬
blikaner Opposition machte, dennoch das Bild der Republik im Herzen trug. Man
rechtfertigte damals das Festhalten an der konstitutionellen Monarchie nicht durch
die Vernunftmäßigkeit dieser Staatsform an sich, noch viel weniger durch eine
eigentlich royalistische Gesinnung, man war nur gegen den gewaltsamen Sprung
vom Absolutismus zur unbedingten Demokratie, man wollte durch die Uebergangs¬
form des Constitutionalismus allmälig erst die Selbstregierung des Volks vermit¬
teln. Wenn einmal ein intensiver monarchischer Enthusiasmus losbrach, so war
das ein vereinzelter Fall. Ich erinnere mich an einen Redner, der damals häufig
und stets mit „fortlaufenden" Beifall sich vernehmen ließ, wie er einmal in einer
Berathung über das Zustandekommen der deutscheu Flotte plötzlich in einen leb¬
haften Jammer gerieth, daß man über der deutschen Flotte die Unterthanentreue
gegen den allergnädigsten König und Herren aus den Augen setze. So etwas
wurde damals als ein vloßes Curiosum angesehn.

^, Seitdem ist der Royalismus nach 'allen Seiten hin so bestimmt und laut
hervorgetreten, daß mau sich über sein Dasein und folglich seine Berechtigung
nicht verblenden darf. Es ist nützlich für unsere weitere Entwickelung, sich über
seine Natur ins Klare zu setzen.

Zunächst fällt uns die Bemerkung auf, daß von den verschiedenen constitui-
renden und gesetzgebenden Versammlungen eine einzige einen royalistische» Charakter
trug, und zwar diejenige, von der man es am wenigsten hätte erwarten sollen,
die Paulskirche. Alle übrigen, die Ocstreichische und Preußische, wie die dor kleinen


Grenzboten. III. I8M. 51
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[0401] Roy allsten und Republikaner. Als sich im März des vorigen Jahres in Leipzig der deutsche Verein bildete, zunächst im Gegensatz gegen die radicalen Clubs, die schon damals in wüste De¬ magogie verwilderten, wollten einige alte Herren ausdrücklich in die Statuten aufgenommen wissen, daß der Verein keine republikanischen Gesinnungen unter sich dulde. Der Punkt wurde damals beseitigt, theils weil die Anerkennung des mo¬ narchischen Princips in Bausch und Bogen mit dem Zweck, den wir uus alle ge¬ setzt hatten, der Einheit Deutschlands, nicht recht stimmen wollte, theils weil ein großer Theil der gemäßigten Partei, so sehr er gegen die prononcirten Repu¬ blikaner Opposition machte, dennoch das Bild der Republik im Herzen trug. Man rechtfertigte damals das Festhalten an der konstitutionellen Monarchie nicht durch die Vernunftmäßigkeit dieser Staatsform an sich, noch viel weniger durch eine eigentlich royalistische Gesinnung, man war nur gegen den gewaltsamen Sprung vom Absolutismus zur unbedingten Demokratie, man wollte durch die Uebergangs¬ form des Constitutionalismus allmälig erst die Selbstregierung des Volks vermit¬ teln. Wenn einmal ein intensiver monarchischer Enthusiasmus losbrach, so war das ein vereinzelter Fall. Ich erinnere mich an einen Redner, der damals häufig und stets mit „fortlaufenden" Beifall sich vernehmen ließ, wie er einmal in einer Berathung über das Zustandekommen der deutscheu Flotte plötzlich in einen leb¬ haften Jammer gerieth, daß man über der deutschen Flotte die Unterthanentreue gegen den allergnädigsten König und Herren aus den Augen setze. So etwas wurde damals als ein vloßes Curiosum angesehn. ^, Seitdem ist der Royalismus nach 'allen Seiten hin so bestimmt und laut hervorgetreten, daß mau sich über sein Dasein und folglich seine Berechtigung nicht verblenden darf. Es ist nützlich für unsere weitere Entwickelung, sich über seine Natur ins Klare zu setzen. Zunächst fällt uns die Bemerkung auf, daß von den verschiedenen constitui- renden und gesetzgebenden Versammlungen eine einzige einen royalistische» Charakter trug, und zwar diejenige, von der man es am wenigsten hätte erwarten sollen, die Paulskirche. Alle übrigen, die Ocstreichische und Preußische, wie die dor kleinen Grenzboten. III. I8M. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/401>, abgerufen am 05.02.2025.