Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.Im vorigen Jahre war er mit einem Haufen von Schicksalsgenossen aus den Näu- An einem Septemberabend des vorigen Jahres war das Lager der Serben Im vorigen Jahre war er mit einem Haufen von Schicksalsgenossen aus den Näu- An einem Septemberabend des vorigen Jahres war das Lager der Serben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279418"/> <p xml:id="ID_1317" prev="#ID_1316"> Im vorigen Jahre war er mit einem Haufen von Schicksalsgenossen aus den Näu-<lb/> berbergen der serbischen Grenze über Belgrad als Freiwilliger zu uns gekommen;<lb/> der größte Theil seiner Kameraden war seitdem verschwunden oder fortgeschickt<lb/> worden, er hatte mit wenigen seiner Art den Krieg und das Sumpffieber bis zu<lb/> diesem Sommer überstanden. Aber selbst unter den trotzigen Gesellen, welche mit<lb/> ihm das Räuberleben geführt hatten, stand er allein, sie fürchteten ihn und mieden<lb/> seine Nähe. Und er wußte das; wenn er sich auf einem Stein setzte, oder auf<lb/> einen Holzblock, mitten unter die lärmenden Banden des Lagers, dann verwan¬<lb/> delte sich das Geschrei in Flüstern und Stille und nach einer Weile saß er allein<lb/> wie ein Uhu unter beweglichen Dohlen, die Sitze um ihn herum waren in großem<lb/> Kreise leer. Er war gezeichnet auch in den Augen seiner Kameraden. Aber auch<lb/> gefürchtet war er, denn lange konnte ich auf mein neugieriges Fragen nach ihm<lb/> nur ausweichende Antworten erhalten, finsteres Schweigen oder bedeutsames Kopf¬<lb/> schütteln. Damals wußte ich noch nicht, daß ich selbst in einer Katastrophe seines<lb/> zerrütteten Lebens mitzuspielen bestimmt war, ich hatte aber schon ein sehr moti-<lb/> virteö Interesse für ihn, denn er hatte im vorigen Herbst einem meiner Freunde<lb/> eine Kugel vor der Brust weggefangen. Es war in einer Nachtscene, wie sie dieser<lb/> unglückliche Krieg in Menge auszuweisen hat. Ihr Journal mag zunächst dieser<lb/> Geschichte, die characteristisch genng ist, einigen Raum gönnen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1318" next="#ID_1319"> An einem Septemberabend des vorigen Jahres war das Lager der Serben<lb/> unruhig wie ein Ameisenhausen, Boten und Adjutanten flogen ab und zu, Pferde<lb/> wurden gestriegelt, Sattelgurte festgeschnallt; die Serben schmückten sich zum<lb/> Kampfe, und manch respectabler Arambassa sah wohlgefällig auf seine geordnete<lb/> Korpvralschaft. General Kiß mit den Ungarn lag damals gegen die Serben, er<lb/> hatte sich in den Dörfern der Ebene vor unserm Lager vielfach unnütz gemacht,<lb/> hatte sich endlich in Lazarfeld und Ernesthaz festgesetzt und wurde uus in dieser<lb/> Position sehr unbequem. Unsere Leute sagten ihm nach, daß er das Wesen grau¬<lb/> samer triebe als nöthig und anständig sei. Jetzt galt es Lazarfeld durch nächtli¬<lb/> chen Ueberfall zu nehmen, und während der Zeit die Besatzung von Ernesthaz<lb/> zu beschäftigen,' was in diesem Kriege ungefähr so viel hieß, als sie zu tödten,<lb/> damit sie dem Hauptcorps nicht zu Hilfe komme« könnte. Einige sechszig Frei¬<lb/> willige hatten sich zur Razzia nach Ernesthaz gemeldet und bei einer mächtigen<lb/> Eiche aufgestellt, deren herbstliches Laub der letzte Sonnenblick, welcher aus Wol¬<lb/> ken herausschielte, noch gelber färbte. Knicanin stand in seinen Fuchspelz gehüllt<lb/> uuter der Eiche, nahe bei dem grünen Feldherrnzelt, in sehr kriegerischer Stim¬<lb/> mung und gab einem Buljubassa und zwei Arambassen, dem Führer und den<lb/> Unteroffizieren der Razzia, den nöthigen wohlwollenden Befehl. Der Zug war<lb/> ein Spiel um Kopf oder Schrift mit dem Teufel, denn es galt, sich durch mehrere<lb/> Magyarenposten unsichtbar, wie ein Elf, durchzuschleichen und an Ort und Stelle<lb/> wieder durch massives Austreten einen Feind in Entsetzen zu jagen, dessen Stärke</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
Im vorigen Jahre war er mit einem Haufen von Schicksalsgenossen aus den Näu-
berbergen der serbischen Grenze über Belgrad als Freiwilliger zu uns gekommen;
der größte Theil seiner Kameraden war seitdem verschwunden oder fortgeschickt
worden, er hatte mit wenigen seiner Art den Krieg und das Sumpffieber bis zu
diesem Sommer überstanden. Aber selbst unter den trotzigen Gesellen, welche mit
ihm das Räuberleben geführt hatten, stand er allein, sie fürchteten ihn und mieden
seine Nähe. Und er wußte das; wenn er sich auf einem Stein setzte, oder auf
einen Holzblock, mitten unter die lärmenden Banden des Lagers, dann verwan¬
delte sich das Geschrei in Flüstern und Stille und nach einer Weile saß er allein
wie ein Uhu unter beweglichen Dohlen, die Sitze um ihn herum waren in großem
Kreise leer. Er war gezeichnet auch in den Augen seiner Kameraden. Aber auch
gefürchtet war er, denn lange konnte ich auf mein neugieriges Fragen nach ihm
nur ausweichende Antworten erhalten, finsteres Schweigen oder bedeutsames Kopf¬
schütteln. Damals wußte ich noch nicht, daß ich selbst in einer Katastrophe seines
zerrütteten Lebens mitzuspielen bestimmt war, ich hatte aber schon ein sehr moti-
virteö Interesse für ihn, denn er hatte im vorigen Herbst einem meiner Freunde
eine Kugel vor der Brust weggefangen. Es war in einer Nachtscene, wie sie dieser
unglückliche Krieg in Menge auszuweisen hat. Ihr Journal mag zunächst dieser
Geschichte, die characteristisch genng ist, einigen Raum gönnen. —
An einem Septemberabend des vorigen Jahres war das Lager der Serben
unruhig wie ein Ameisenhausen, Boten und Adjutanten flogen ab und zu, Pferde
wurden gestriegelt, Sattelgurte festgeschnallt; die Serben schmückten sich zum
Kampfe, und manch respectabler Arambassa sah wohlgefällig auf seine geordnete
Korpvralschaft. General Kiß mit den Ungarn lag damals gegen die Serben, er
hatte sich in den Dörfern der Ebene vor unserm Lager vielfach unnütz gemacht,
hatte sich endlich in Lazarfeld und Ernesthaz festgesetzt und wurde uus in dieser
Position sehr unbequem. Unsere Leute sagten ihm nach, daß er das Wesen grau¬
samer triebe als nöthig und anständig sei. Jetzt galt es Lazarfeld durch nächtli¬
chen Ueberfall zu nehmen, und während der Zeit die Besatzung von Ernesthaz
zu beschäftigen,' was in diesem Kriege ungefähr so viel hieß, als sie zu tödten,
damit sie dem Hauptcorps nicht zu Hilfe komme« könnte. Einige sechszig Frei¬
willige hatten sich zur Razzia nach Ernesthaz gemeldet und bei einer mächtigen
Eiche aufgestellt, deren herbstliches Laub der letzte Sonnenblick, welcher aus Wol¬
ken herausschielte, noch gelber färbte. Knicanin stand in seinen Fuchspelz gehüllt
uuter der Eiche, nahe bei dem grünen Feldherrnzelt, in sehr kriegerischer Stim¬
mung und gab einem Buljubassa und zwei Arambassen, dem Führer und den
Unteroffizieren der Razzia, den nöthigen wohlwollenden Befehl. Der Zug war
ein Spiel um Kopf oder Schrift mit dem Teufel, denn es galt, sich durch mehrere
Magyarenposten unsichtbar, wie ein Elf, durchzuschleichen und an Ort und Stelle
wieder durch massives Austreten einen Feind in Entsetzen zu jagen, dessen Stärke
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |