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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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unbekannt, aber jedenfalls um vieles größer war, als die der Angreifer. Wurde
man nicht schon unterwegs von den Magyaren erschlagen, so hatte man allerdings
die Aussicht, sich von einer großen Uebermacht mit mehr Energie, als freundlicher
Nachsicht empfangen zu sehn. Die Elfen, welche sich zu dieser Nachtparthie ge¬
meldet hatten, sahen freilich auch darnach aus. ES waren meist Söhne der tür¬
kischen Berge mit Niesenleil'am und verzweifeltem Sinn, Haiducken und ähnliche
Herren, wie Stephan Jzabaran, der Gurgelabschneider; aber anch unser Freund
Bogislaw war von der Parthie.

Die Kolonnen des Hauptcorps formirter sich, die Freiwilligen zogen unter
dem Zuruf derselben zum Lager hinaus. Schnell legte sich das Dämmerlicht des
Abends über die Ebene, eine finstere sternlose Nacht folgte, lautlos schlich der
Haufe durch die schwarze Landschaft; Bogislaw neben dem Arambassa, welcher den
Zug führte. Da glitt eine große schattenhafte Gestalt ans dem Zuge heraus bei
ihnen vorbei, voraus auf den Weg, welchen sie zogen. Bogislaw stieß den Arambassa
an. "Was läßt Du ihn voransgehn?" -- "Es ist Wille, der Haiduck," murmelte der
Arambassa, "der läßt sich uicht halten, ich wollte er wäre bei seinem Oheim, dem
Teufel, es hat noch keinen Segen gebracht, wo er dabei war." -- "Wer ist der
Mann?" -- "Er wird es Dir nicht sagen, wenn Du ihn fragst, und es ist
nicht gut von ihm reden, so lange der Handzar noch nicht blutig ist."

Es war Mitternacht, als in der Ferne die Wachtfeuer von Ernesthaz auf-
lenchteten. Von Ohr zu Ohr flüsterte das Kommando "halt." Jovan, der
Arambassa, ging die Reihe herunter und zog die Schleichpatrouille heraus. Sie
verschwand der Schaar Plötzlich aus den Angen, der Boden hatte sie verschlungen.
Wie Schlangen glitten die Späher längs der Erde durch Gräben und Maisfelder
dem nächsten Feuer zu. Eine Viertelstunde stand der wartende Zug unbeweglich,
man horte nur den leisen Ton der Luft, welcher durch die Maisfelder strich. End¬
lich ein leises Geräusch und ans dem Graben tauchte eine serbische Kappe aus,
welche dem Buljubassa zumurmelte: "Alles in Ordnung." Vorsichtig setzte sich
der Zug in Bewegung. An der Feuerstätte saß Bogislaw, was die lakonische
Anzeige zu bedeuten hatte, die Schleichpatrouille hielt im Schatten eines niedrigen
Busches und zwei Magyaren lagen getödtet an dem Feuer. Es waren Pesther
Mobilgarden, schmucke kräftige Jungen, ihr Blut floß aus den braunen Attila'S,
die Flamme knisterte über einem der Kvssuthhüte. Das Bajonnet und der Hand¬
zar hatten das nächtliche Werk gethan, kein Schuß war gefallen, ja kein Laut der
überraschten Opfer war gehört worden. -- Rasch rückte man vor, der Aram¬
bassa trat wieder zu Bogislaw und raunte ihm zu: die Arbeit war fertig als wir
kamen. "Wer hat's gethan?" -- "Er," sprach der Arambassa und wies mit dem
Kopfe auf einen finstern Mann, der seinen Handzar an der braunen Kotze ab¬
wischte, die Leib und Waffen des Haiducken umhüllt. -- Durch die Reihen aber


Grenzboten, ni. 1849. 50

unbekannt, aber jedenfalls um vieles größer war, als die der Angreifer. Wurde
man nicht schon unterwegs von den Magyaren erschlagen, so hatte man allerdings
die Aussicht, sich von einer großen Uebermacht mit mehr Energie, als freundlicher
Nachsicht empfangen zu sehn. Die Elfen, welche sich zu dieser Nachtparthie ge¬
meldet hatten, sahen freilich auch darnach aus. ES waren meist Söhne der tür¬
kischen Berge mit Niesenleil'am und verzweifeltem Sinn, Haiducken und ähnliche
Herren, wie Stephan Jzabaran, der Gurgelabschneider; aber anch unser Freund
Bogislaw war von der Parthie.

Die Kolonnen des Hauptcorps formirter sich, die Freiwilligen zogen unter
dem Zuruf derselben zum Lager hinaus. Schnell legte sich das Dämmerlicht des
Abends über die Ebene, eine finstere sternlose Nacht folgte, lautlos schlich der
Haufe durch die schwarze Landschaft; Bogislaw neben dem Arambassa, welcher den
Zug führte. Da glitt eine große schattenhafte Gestalt ans dem Zuge heraus bei
ihnen vorbei, voraus auf den Weg, welchen sie zogen. Bogislaw stieß den Arambassa
an. „Was läßt Du ihn voransgehn?" — „Es ist Wille, der Haiduck," murmelte der
Arambassa, „der läßt sich uicht halten, ich wollte er wäre bei seinem Oheim, dem
Teufel, es hat noch keinen Segen gebracht, wo er dabei war." — „Wer ist der
Mann?" — „Er wird es Dir nicht sagen, wenn Du ihn fragst, und es ist
nicht gut von ihm reden, so lange der Handzar noch nicht blutig ist."

Es war Mitternacht, als in der Ferne die Wachtfeuer von Ernesthaz auf-
lenchteten. Von Ohr zu Ohr flüsterte das Kommando „halt." Jovan, der
Arambassa, ging die Reihe herunter und zog die Schleichpatrouille heraus. Sie
verschwand der Schaar Plötzlich aus den Angen, der Boden hatte sie verschlungen.
Wie Schlangen glitten die Späher längs der Erde durch Gräben und Maisfelder
dem nächsten Feuer zu. Eine Viertelstunde stand der wartende Zug unbeweglich,
man horte nur den leisen Ton der Luft, welcher durch die Maisfelder strich. End¬
lich ein leises Geräusch und ans dem Graben tauchte eine serbische Kappe aus,
welche dem Buljubassa zumurmelte: „Alles in Ordnung." Vorsichtig setzte sich
der Zug in Bewegung. An der Feuerstätte saß Bogislaw, was die lakonische
Anzeige zu bedeuten hatte, die Schleichpatrouille hielt im Schatten eines niedrigen
Busches und zwei Magyaren lagen getödtet an dem Feuer. Es waren Pesther
Mobilgarden, schmucke kräftige Jungen, ihr Blut floß aus den braunen Attila'S,
die Flamme knisterte über einem der Kvssuthhüte. Das Bajonnet und der Hand¬
zar hatten das nächtliche Werk gethan, kein Schuß war gefallen, ja kein Laut der
überraschten Opfer war gehört worden. — Rasch rückte man vor, der Aram¬
bassa trat wieder zu Bogislaw und raunte ihm zu: die Arbeit war fertig als wir
kamen. „Wer hat's gethan?" — „Er," sprach der Arambassa und wies mit dem
Kopfe auf einen finstern Mann, der seinen Handzar an der braunen Kotze ab¬
wischte, die Leib und Waffen des Haiducken umhüllt. — Durch die Reihen aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/393>, abgerufen am 11.02.2025.