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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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dert. Eine besondere Erwähnung verdienen seine, von ihm selbst stylisirten Kund¬
machungen; sie haben bereits Berühmtheit erlangt, so weit die deutsche Zunge
reicht. Melden ist ein Proclamator des "Clubs böswilliger Buben, die die Kano¬
nen vernageln wollen." Eines Tages publicirte er: "nachdem die schärfsten Ma߬
regeln nichts gefruchtet habe", sieht man sich zur Verschärfung veranlaßt." Selbst
die Wiener, bekanntlich keine Meister des Styls, kritisirten die Sprachfehler und der
Spitzname "schwarzgelb" wurde auf diese Welden'schen Proclamationen ausgedehnt.
Der tapfere Gouverneur aber, ein fleißiger Botaniker, ließ auf dem Glacis drei
Galgen aufpflanzen, und Mörder Latour's daran hängen; nicht auf dem gewöhn¬
lichen Richtplatz außerhalb der Residenz wurde die Execution vorgenommen, son¬
dern inmitten der Stadt. Diese Heldenthat wurde mit der Denunciation beglei¬
tet, daß die Aula den Mördern ein Blutgeld versprochen habe; seitdem wur¬
den aber wieder 6 Mörder Latour's verurtheilt, und nahe an 3000 Menschen
wurden theils eingesperrt, theils vorgerufen, um über diese Missethat Auskunft zu
geben, ohne daß irgend ein Anzeichen die Denunciation bestätiget.

Melden ließ auch die Reichstagsmitglieder auf Denunciationen hiu nach der
Auflösung des Reichstags durch Militär einfangen "Zischof sitzt schon im 7. Monat)
und Andere, unbescholtenen Characters, wenn sie anch in politischen Affairen sich
schlecht benahmen, steckbrieflich als Mörder verfolgen. Einen frühern Minister
(v. Schwarzer) ließ er wegen Journalartikel ins StockhauS setzen. Das Verbot
des Tragens politischer Abzeichen wurde so weit ausgedehnt, daß die rothen Bän¬
der an den Hauben der Wickelkinder von der Polizei abgerissen wurden.

Mitten aus dieser Thätigkeit wurde Melden nach Ungarn gerufen. Früher
hatte er bei einer Visitation des Belagerungscorps von Kanonen proclamirt: "er
werde so lange schießen, als er Pulver habe." Er reiste nach Ofen, aber in weni¬
gen Tagen war er wieder in Preßburg mitsammt den Resten des Heeres; nur
Hentzi blieb in der Hauptstadt der Magyaren, ein verlorener Posten.

Weidens Unfähigkeit war alsobald erwiesen. Der regierende General Hentzi
bombardirte, barbarisch weil nutzlos, fest und fiel als tapferer Soldat. Der Un¬
wille war aber gegen Melden gerichtet, und er reiste zur Erholung nach Gratz.

Haynau, der Despot von Brescia, bekam mit Uebergehung älterer Generäle,
das Obercommando, und schießen, hängen und brennen, war die Parole dieses
regierenden Generals. Dörfer wurden niedergebrannt, Magnaten und Geistliche
an den Galgen geknüpft, Contributionen solidarisch auferlegt, und Proclamationen
erlassen, wie sie das Mittelalter nicht scheußlicher kannte. Selbst die officielle
Wiener Zeitung enthielt sich des Wiederdrucks dieser Schandmale unserer Cultur
und Zeit. Ein Schrei des Entsetzens ging darüber durch ganz Europa, und als
letzte Folge streckt Görgey lieber vor dem russische" General die Waffen, als vor
dem östreichischen, und die kaiserliche Negierung erlebt die Schmach, daß Ungarn
ZV den Füßen des Czaars gelegt wird, wie sich Paskewitsch in seinem Bericht,


dert. Eine besondere Erwähnung verdienen seine, von ihm selbst stylisirten Kund¬
machungen; sie haben bereits Berühmtheit erlangt, so weit die deutsche Zunge
reicht. Melden ist ein Proclamator des „Clubs böswilliger Buben, die die Kano¬
nen vernageln wollen." Eines Tages publicirte er: „nachdem die schärfsten Ma߬
regeln nichts gefruchtet habe», sieht man sich zur Verschärfung veranlaßt." Selbst
die Wiener, bekanntlich keine Meister des Styls, kritisirten die Sprachfehler und der
Spitzname „schwarzgelb" wurde auf diese Welden'schen Proclamationen ausgedehnt.
Der tapfere Gouverneur aber, ein fleißiger Botaniker, ließ auf dem Glacis drei
Galgen aufpflanzen, und Mörder Latour's daran hängen; nicht auf dem gewöhn¬
lichen Richtplatz außerhalb der Residenz wurde die Execution vorgenommen, son¬
dern inmitten der Stadt. Diese Heldenthat wurde mit der Denunciation beglei¬
tet, daß die Aula den Mördern ein Blutgeld versprochen habe; seitdem wur¬
den aber wieder 6 Mörder Latour's verurtheilt, und nahe an 3000 Menschen
wurden theils eingesperrt, theils vorgerufen, um über diese Missethat Auskunft zu
geben, ohne daß irgend ein Anzeichen die Denunciation bestätiget.

Melden ließ auch die Reichstagsmitglieder auf Denunciationen hiu nach der
Auflösung des Reichstags durch Militär einfangen «Zischof sitzt schon im 7. Monat)
und Andere, unbescholtenen Characters, wenn sie anch in politischen Affairen sich
schlecht benahmen, steckbrieflich als Mörder verfolgen. Einen frühern Minister
(v. Schwarzer) ließ er wegen Journalartikel ins StockhauS setzen. Das Verbot
des Tragens politischer Abzeichen wurde so weit ausgedehnt, daß die rothen Bän¬
der an den Hauben der Wickelkinder von der Polizei abgerissen wurden.

Mitten aus dieser Thätigkeit wurde Melden nach Ungarn gerufen. Früher
hatte er bei einer Visitation des Belagerungscorps von Kanonen proclamirt: „er
werde so lange schießen, als er Pulver habe." Er reiste nach Ofen, aber in weni¬
gen Tagen war er wieder in Preßburg mitsammt den Resten des Heeres; nur
Hentzi blieb in der Hauptstadt der Magyaren, ein verlorener Posten.

Weidens Unfähigkeit war alsobald erwiesen. Der regierende General Hentzi
bombardirte, barbarisch weil nutzlos, fest und fiel als tapferer Soldat. Der Un¬
wille war aber gegen Melden gerichtet, und er reiste zur Erholung nach Gratz.

Haynau, der Despot von Brescia, bekam mit Uebergehung älterer Generäle,
das Obercommando, und schießen, hängen und brennen, war die Parole dieses
regierenden Generals. Dörfer wurden niedergebrannt, Magnaten und Geistliche
an den Galgen geknüpft, Contributionen solidarisch auferlegt, und Proclamationen
erlassen, wie sie das Mittelalter nicht scheußlicher kannte. Selbst die officielle
Wiener Zeitung enthielt sich des Wiederdrucks dieser Schandmale unserer Cultur
und Zeit. Ein Schrei des Entsetzens ging darüber durch ganz Europa, und als
letzte Folge streckt Görgey lieber vor dem russische» General die Waffen, als vor
dem östreichischen, und die kaiserliche Negierung erlebt die Schmach, daß Ungarn
ZV den Füßen des Czaars gelegt wird, wie sich Paskewitsch in seinem Bericht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/383>, abgerufen am 05.02.2025.