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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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nicht ohne Absicht, ausdrückt. Der kaiserliche Hof ist roth vor Scham über diesen
Zug, der von andern Führern der Magyaren nachgeahmt wird.

Wir wollen die kleinen regierenden Generäle: Hammerstein in Lemberg,
Kempen in Preßburg, Kheveuhiller in Prag, Castiglione in Krakau u. a. nicht
die Revue passiven lassen. Dieselbe Uniform, derselbe Geist. Sie haben die
theresianische peinliche Hals - Gerichtsordnung hervorgesucht, und darnach ihre be¬
liebigen Urtheile gefällt; und wer gar nicht schuldig befunden werden konnte, den
steckte man unter's Militär, als Stückknccht, oder wenn er zu alt war, als Kran¬
kenwärter. Die Presse wurde mit dem Stock censunrt, und jede Regung des
Volkes durch Patrouillen niedergehalten. Daß eine solche Generalrcgierung weder
das Vertrauen noch die Liebe der Nationen und der Parteien erwerben konnte,
hat die Erfahrung gelehrt, denn obwohl fast H des Reiches, also 28 Millionen
Menschen unter Kricgsgesetz gestellt waren, und das Blut in den Stadtgraben
Bachweis floß und alle Festungen und Kerker überfüllt sind -- ist dennoch die
Opposition gegen die Regierung gewachsen, und am Geburtstage des Kaisers
mußte man die Festlichkeiten absagen, weil offene Gegendemonstrationen befürchtet
wurden.

Ein einziger unter den regierenden Generälen hat sich die Achtung und Ver¬
ehrung Aller erworben: Radetzky. Auch in Italien haben die Blutgerichte ihre
Opfer genommen; es wurden erst jüngst 12 Galgen gleichzeitig errichtet. Allein
Radetzky verherrlichte durch Heldenthaten den Ruhm der Armee, er rettete den
Kaiserstaat und kräftigte ihn zugleich; und eben jetzt verkündigt er eine Amnestie
für alle politischen Verbrechen!

Jellachich hat sich als General keine Lorbeeren geholt, und noch ist zweifel¬
haft, ob er mit Ziviv vom Schauplatz seiner Thätigkeit abtreten wird. Kroatien
bereut schon seiue Revolution gegen Ungarn, und sein Vertrauen in einen "regle-,
reuden General" wird es mit dem Verlust seiner Konstitution bezahlen.

Wir übergehen alle Details. Oestreich ist unter der Regierung der Generäle
nicht frei geworden, und all die erfochtenen Siege werden den Kaiserstaat bei
Fortsetzung der Generalregierung nicht zur Ruhe bringen. Der Ruhm der Waffen,
den die gemeinen Soldaten erfochten, wurde von den Generälen durch Wandalis¬
mus beschmutzt.

An der Spitze des Ministeriums befindet sich ebenfalls ein General: Fürst
Schwarzenberg, der den blutigen Tag bei Goito tapfer anfocht. Ob dieser
regierende General eine Ausnahme von den andern macht, ob dieser dem Kaiser
die Liebe seiner Völker wiedergewann, ob dieser dem Staate die freie Entwick¬
lung konstitutioneller Verfassung bereitete, ob dieser der Monarchie neue Anhän¬
ger erwarb, ol-. dieser die Revolution blos hemmte oder für längere Zeit er-


nicht ohne Absicht, ausdrückt. Der kaiserliche Hof ist roth vor Scham über diesen
Zug, der von andern Führern der Magyaren nachgeahmt wird.

Wir wollen die kleinen regierenden Generäle: Hammerstein in Lemberg,
Kempen in Preßburg, Kheveuhiller in Prag, Castiglione in Krakau u. a. nicht
die Revue passiven lassen. Dieselbe Uniform, derselbe Geist. Sie haben die
theresianische peinliche Hals - Gerichtsordnung hervorgesucht, und darnach ihre be¬
liebigen Urtheile gefällt; und wer gar nicht schuldig befunden werden konnte, den
steckte man unter's Militär, als Stückknccht, oder wenn er zu alt war, als Kran¬
kenwärter. Die Presse wurde mit dem Stock censunrt, und jede Regung des
Volkes durch Patrouillen niedergehalten. Daß eine solche Generalrcgierung weder
das Vertrauen noch die Liebe der Nationen und der Parteien erwerben konnte,
hat die Erfahrung gelehrt, denn obwohl fast H des Reiches, also 28 Millionen
Menschen unter Kricgsgesetz gestellt waren, und das Blut in den Stadtgraben
Bachweis floß und alle Festungen und Kerker überfüllt sind — ist dennoch die
Opposition gegen die Regierung gewachsen, und am Geburtstage des Kaisers
mußte man die Festlichkeiten absagen, weil offene Gegendemonstrationen befürchtet
wurden.

Ein einziger unter den regierenden Generälen hat sich die Achtung und Ver¬
ehrung Aller erworben: Radetzky. Auch in Italien haben die Blutgerichte ihre
Opfer genommen; es wurden erst jüngst 12 Galgen gleichzeitig errichtet. Allein
Radetzky verherrlichte durch Heldenthaten den Ruhm der Armee, er rettete den
Kaiserstaat und kräftigte ihn zugleich; und eben jetzt verkündigt er eine Amnestie
für alle politischen Verbrechen!

Jellachich hat sich als General keine Lorbeeren geholt, und noch ist zweifel¬
haft, ob er mit Ziviv vom Schauplatz seiner Thätigkeit abtreten wird. Kroatien
bereut schon seiue Revolution gegen Ungarn, und sein Vertrauen in einen „regle-,
reuden General" wird es mit dem Verlust seiner Konstitution bezahlen.

Wir übergehen alle Details. Oestreich ist unter der Regierung der Generäle
nicht frei geworden, und all die erfochtenen Siege werden den Kaiserstaat bei
Fortsetzung der Generalregierung nicht zur Ruhe bringen. Der Ruhm der Waffen,
den die gemeinen Soldaten erfochten, wurde von den Generälen durch Wandalis¬
mus beschmutzt.

An der Spitze des Ministeriums befindet sich ebenfalls ein General: Fürst
Schwarzenberg, der den blutigen Tag bei Goito tapfer anfocht. Ob dieser
regierende General eine Ausnahme von den andern macht, ob dieser dem Kaiser
die Liebe seiner Völker wiedergewann, ob dieser dem Staate die freie Entwick¬
lung konstitutioneller Verfassung bereitete, ob dieser der Monarchie neue Anhän¬
ger erwarb, ol-. dieser die Revolution blos hemmte oder für längere Zeit er-


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[0384] nicht ohne Absicht, ausdrückt. Der kaiserliche Hof ist roth vor Scham über diesen Zug, der von andern Führern der Magyaren nachgeahmt wird. Wir wollen die kleinen regierenden Generäle: Hammerstein in Lemberg, Kempen in Preßburg, Kheveuhiller in Prag, Castiglione in Krakau u. a. nicht die Revue passiven lassen. Dieselbe Uniform, derselbe Geist. Sie haben die theresianische peinliche Hals - Gerichtsordnung hervorgesucht, und darnach ihre be¬ liebigen Urtheile gefällt; und wer gar nicht schuldig befunden werden konnte, den steckte man unter's Militär, als Stückknccht, oder wenn er zu alt war, als Kran¬ kenwärter. Die Presse wurde mit dem Stock censunrt, und jede Regung des Volkes durch Patrouillen niedergehalten. Daß eine solche Generalrcgierung weder das Vertrauen noch die Liebe der Nationen und der Parteien erwerben konnte, hat die Erfahrung gelehrt, denn obwohl fast H des Reiches, also 28 Millionen Menschen unter Kricgsgesetz gestellt waren, und das Blut in den Stadtgraben Bachweis floß und alle Festungen und Kerker überfüllt sind — ist dennoch die Opposition gegen die Regierung gewachsen, und am Geburtstage des Kaisers mußte man die Festlichkeiten absagen, weil offene Gegendemonstrationen befürchtet wurden. Ein einziger unter den regierenden Generälen hat sich die Achtung und Ver¬ ehrung Aller erworben: Radetzky. Auch in Italien haben die Blutgerichte ihre Opfer genommen; es wurden erst jüngst 12 Galgen gleichzeitig errichtet. Allein Radetzky verherrlichte durch Heldenthaten den Ruhm der Armee, er rettete den Kaiserstaat und kräftigte ihn zugleich; und eben jetzt verkündigt er eine Amnestie für alle politischen Verbrechen! Jellachich hat sich als General keine Lorbeeren geholt, und noch ist zweifel¬ haft, ob er mit Ziviv vom Schauplatz seiner Thätigkeit abtreten wird. Kroatien bereut schon seiue Revolution gegen Ungarn, und sein Vertrauen in einen „regle-, reuden General" wird es mit dem Verlust seiner Konstitution bezahlen. Wir übergehen alle Details. Oestreich ist unter der Regierung der Generäle nicht frei geworden, und all die erfochtenen Siege werden den Kaiserstaat bei Fortsetzung der Generalregierung nicht zur Ruhe bringen. Der Ruhm der Waffen, den die gemeinen Soldaten erfochten, wurde von den Generälen durch Wandalis¬ mus beschmutzt. An der Spitze des Ministeriums befindet sich ebenfalls ein General: Fürst Schwarzenberg, der den blutigen Tag bei Goito tapfer anfocht. Ob dieser regierende General eine Ausnahme von den andern macht, ob dieser dem Kaiser die Liebe seiner Völker wiedergewann, ob dieser dem Staate die freie Entwick¬ lung konstitutioneller Verfassung bereitete, ob dieser der Monarchie neue Anhän¬ ger erwarb, ol-. dieser die Revolution blos hemmte oder für längere Zeit er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/384>, abgerufen am 10.02.2025.