Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.wird jetzt als Revolutionär verschrieen, und Brandenburg sitzt auf der äußersten Desto sonderbarer ist es, daß man die Regierung, für die man keine Staats¬ Wir wollen uns in kein Raisonnement über das Geschehene einlassen, ja.wir Wir wollen nur einen kurzen Blick darauf werfen, was Oestreich dem System Windischgrätz, der Prag aus freiem Willen bombardirte, ohne dafür vom wird jetzt als Revolutionär verschrieen, und Brandenburg sitzt auf der äußersten Desto sonderbarer ist es, daß man die Regierung, für die man keine Staats¬ Wir wollen uns in kein Raisonnement über das Geschehene einlassen, ja.wir Wir wollen nur einen kurzen Blick darauf werfen, was Oestreich dem System Windischgrätz, der Prag aus freiem Willen bombardirte, ohne dafür vom <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/279407"/> <p xml:id="ID_1274" prev="#ID_1273"> wird jetzt als Revolutionär verschrieen, und Brandenburg sitzt auf der äußersten<lb/> Linken in Opposition gegen seine ultraministericlleu Freunde. Die Staatsmänner<lb/> des ganzen heiligen römisch-deutschen Reichs erwiesen sich als unfähig und so<lb/> wenig wie die Parlamente vermochten sie die Reform durchzuführen, zu lenken<lb/> und zu leiten. Die Minister aller Staaten, die Excellenzen und Durchlauchten<lb/> sind lebendige Zeugen, wie die besten Geisteskräfte und der aufopfernde Patrio-<lb/> ' tismus durch das bundestägliche System verkrüppelt und entnervt winden, und<lb/> weder dem Fürsten und Volke, noch dem Lande und Reiche in Zeit der Bewegung<lb/> einen ersprießlichen Dienst zu leisten vermochten. Mit betrübtem Herzen müssen<lb/> die Deutschen sich dieses tostimmiinm p-mportirtis ausstellen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1275"> Desto sonderbarer ist es, daß man die Regierung, für die man keine Staats¬<lb/> männer fand, in die Hände der Soldaten legte. Bei aller Achtung vor den<lb/> Offizieren vermögen wir uns doch nicht zu überreden, daß mit dem Range im<lb/> Heere zugleich eine Kenntniß der Staatsmaschine errungen wird. Was die Ge¬<lb/> lehrten, die Beamten, die practischen Geschäftsmänner nicht zu leisten im Staude<lb/> waren, wurde den Herren zugemuthet, welche die meiste Zeit auf dem Exerzier¬<lb/> platz zubrachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1276"> Wir wollen uns in kein Raisonnement über das Geschehene einlassen, ja.wir<lb/> anerkennen sogar die Umstände, durch welche das Szepter in ein Schwert umge¬<lb/> wandelt und mittelst Kanonen Ruhe, Ordnung, Gesetz und Freiheit hergestellt<lb/> wurde. Die regierenden Generale sind eine uralte Erfindung, und so wie in<lb/> jedem Korporalstock der Marschallstab steckt, steckt in jedem Kommandirenden ein<lb/> kleiner Korporal.</p><lb/> <p xml:id="ID_1277"> Wir wollen nur einen kurzen Blick darauf werfen, was Oestreich dem System<lb/> der regierenden Generale zu verdanken hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1278" next="#ID_1279"> Windischgrätz, der Prag aus freiem Willen bombardirte, ohne dafür vom<lb/> damaligen Minister Pillersdorf zur Rechenschaft gezogen werden zu können, erhielt<lb/> im October von Wcssenberg die Vollmacht, Wien zu bombardir-in. Er that es<lb/> fleißig und mit gutem Erfolg. Ueber Nacht zum Feldmarschall avancirt und mit<lb/> kaiserlicher Plenipotenz ausgerüstet, glaubte man, daß der regierende General,<lb/> nach Herbeiziehung von beinahe 100,000 Mann, die Residenz schonen und nur<lb/> die Bekämpfung der Nevvltanten beabsichtigen würde. Mit Umgehung des bera¬<lb/> thenden Reichstags proclamirte der Fürst vorerst die Belagerung und setzte sich<lb/> dann erst in Konferenz mit dem Parlament; ohne Wissen und Kenntniß des Vor¬<lb/> gefallene» stellte er Forderungen, die wenig Respect vor seiner Negieruugsweisheit<lb/> einflößen konnten. Nicht blos daß 80,000 bewaffnete Menschen ihre Waffen able¬<lb/> gen und Geiseln stellen sollten, forderte er die Auslieferung bezeichneter Volks¬<lb/> männer. Die Wirkung war auch eine umgekehrte, der Gemeinderath und der<lb/> Rcichtstag mußten, obwohl beide jeden Kampf vermeiden wollten, in Opposition<lb/> treten, damit ihnen nicht von den Rädelsführern alle Autorität entwunden werde.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
wird jetzt als Revolutionär verschrieen, und Brandenburg sitzt auf der äußersten
Linken in Opposition gegen seine ultraministericlleu Freunde. Die Staatsmänner
des ganzen heiligen römisch-deutschen Reichs erwiesen sich als unfähig und so
wenig wie die Parlamente vermochten sie die Reform durchzuführen, zu lenken
und zu leiten. Die Minister aller Staaten, die Excellenzen und Durchlauchten
sind lebendige Zeugen, wie die besten Geisteskräfte und der aufopfernde Patrio-
' tismus durch das bundestägliche System verkrüppelt und entnervt winden, und
weder dem Fürsten und Volke, noch dem Lande und Reiche in Zeit der Bewegung
einen ersprießlichen Dienst zu leisten vermochten. Mit betrübtem Herzen müssen
die Deutschen sich dieses tostimmiinm p-mportirtis ausstellen lassen.
Desto sonderbarer ist es, daß man die Regierung, für die man keine Staats¬
männer fand, in die Hände der Soldaten legte. Bei aller Achtung vor den
Offizieren vermögen wir uns doch nicht zu überreden, daß mit dem Range im
Heere zugleich eine Kenntniß der Staatsmaschine errungen wird. Was die Ge¬
lehrten, die Beamten, die practischen Geschäftsmänner nicht zu leisten im Staude
waren, wurde den Herren zugemuthet, welche die meiste Zeit auf dem Exerzier¬
platz zubrachten.
Wir wollen uns in kein Raisonnement über das Geschehene einlassen, ja.wir
anerkennen sogar die Umstände, durch welche das Szepter in ein Schwert umge¬
wandelt und mittelst Kanonen Ruhe, Ordnung, Gesetz und Freiheit hergestellt
wurde. Die regierenden Generale sind eine uralte Erfindung, und so wie in
jedem Korporalstock der Marschallstab steckt, steckt in jedem Kommandirenden ein
kleiner Korporal.
Wir wollen nur einen kurzen Blick darauf werfen, was Oestreich dem System
der regierenden Generale zu verdanken hat.
Windischgrätz, der Prag aus freiem Willen bombardirte, ohne dafür vom
damaligen Minister Pillersdorf zur Rechenschaft gezogen werden zu können, erhielt
im October von Wcssenberg die Vollmacht, Wien zu bombardir-in. Er that es
fleißig und mit gutem Erfolg. Ueber Nacht zum Feldmarschall avancirt und mit
kaiserlicher Plenipotenz ausgerüstet, glaubte man, daß der regierende General,
nach Herbeiziehung von beinahe 100,000 Mann, die Residenz schonen und nur
die Bekämpfung der Nevvltanten beabsichtigen würde. Mit Umgehung des bera¬
thenden Reichstags proclamirte der Fürst vorerst die Belagerung und setzte sich
dann erst in Konferenz mit dem Parlament; ohne Wissen und Kenntniß des Vor¬
gefallene» stellte er Forderungen, die wenig Respect vor seiner Negieruugsweisheit
einflößen konnten. Nicht blos daß 80,000 bewaffnete Menschen ihre Waffen able¬
gen und Geiseln stellen sollten, forderte er die Auslieferung bezeichneter Volks¬
männer. Die Wirkung war auch eine umgekehrte, der Gemeinderath und der
Rcichtstag mußten, obwohl beide jeden Kampf vermeiden wollten, in Opposition
treten, damit ihnen nicht von den Rädelsführern alle Autorität entwunden werde.
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