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Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band.

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gegründeten Dreifelderwirthschaft, in ein auf freie Arbeit und die Natur der Ver¬
hältnisse gestütztes Wirthschaftssystem vorzubereiten, und die Lehren eines Thaer,
Schmerz u. A., nutzbar ins gewerbliche Leben einzuführen. Und doch war dies
die Aufgabe der größeren Landwirthschaft, nachdem die Gesetzgebung den Dienst¬
zwang aufgehoben, und nachdem die Dienstablösungen, wenn gleich langsam, doch
immer weiter, fortgeschritten waren. Diese Aufgabe vermochte sie nicht zu lösen;
arm an Industrie und Kapital, irrte sie lauge bald hier bald dorthin, vernach¬
lässigte die Rindviehzucht, den Wiesen- und Futtcrbau, und hat im Allgemeinen auch
jetzt noch nicht verstanden, sich aller der Fortschritte zu bemächtigen, die von einzel¬
nen tüchtigen Männern gepredigt, aber selten praktisch zur Ausführung gebracht wur¬
de". Wem dies Urtheil hart und ungerecht scheint, den verweisen wir auf die
umfangreiche Literatur, welche das Abschätzuugsweseu größerer Landgüter hervor¬
rief, und auf den Gebrauch, den die schlesische Landschaft im Jahre 1824 und end¬
lich im Jahre 1846 davon zu mache" verstand; auf die geringe Wirksamkeit unsrer
landwirthschaftlichen Vereine, und endlich auf die laue Theilnahme des landwirth-
schaftlichen Publikums in Schlesien an allen den von der Staatsregierung mit
rühmlichem Eifer hervorgerufenen Anstalten zur Hebung landwirthschaftlicher In¬
dustrie, die man endlich als Bedürfniß anzuerkennen genöthigt war, und bei deren
Errichtung der Staat dem ausgedehnten Ackerbau der Provinz Schlesien vollstän¬
dig Rechnung trug"). Auch die sehr rühmlichen Ausnahmen bestätigen unser Ur¬
theil, es sind bis heut noch Ausnahmen.

Wie hätte es unter solchen Umständen im Bauernstande besser aussehen kön¬
nen? Seine landwirthschaftlichen Kenntnisse waren noch ungleich mangelhafter,
als die des größeren Gutsbesitzers, und die Gelegenheit, sie zu erwerben oder
zu bereichern, ihm ungleich mehr erschwert als jenem. Die Lehrmeister sei¬
nes Kuabeualtcrs waren der Ortsgeistliche und der Schulmeister. -- Der Geist¬
liche sollte ja nicht von den gleichen materiellen Interessen Erfüllt werden, als der
seiner Seelsorge vertraute Bauer; er sollte nicht etwa ein Landmann von höherer
geistiger und gewerblicher Bildung unter Äaueru, sondern der auf ganz anderm
Standpunkte stehende Theologe gegenüber dem Laien sein. Wie hätten ihm auch
die Geheimnisse der Dogmatik Zeit für die Geheimnisse der Natur übrig ge¬
lassen? er sorgte für den Himmel des Bauern, gegen die irdische Noth des Beicht¬
kindes hatte er mir das alte verkehrte Mittel, die Hinweisung auf eine Ver¬
geltung in jener Welt. Der Schulmeister aber war sein Gehilfe in einer Thätig¬
keit, die auch uicht für diese Welt war. Durch 8 mühselige Kinderjahre wurde



^


*) 'Die Zeitungen erzählten unter andern, daß von den etwa zwanzig Studirenden der vom
Staate im Jahr 1847 errichtete" landwirthschaftlichen Lehranstalt in Proscau wenig mehr als
die Hälfte aus Schlesien, bestehe, während der übrige Theil andern Provinzen, ja selbst dem
Auslande angehöre. ki'avw Jo<i"nul"r!

gegründeten Dreifelderwirthschaft, in ein auf freie Arbeit und die Natur der Ver¬
hältnisse gestütztes Wirthschaftssystem vorzubereiten, und die Lehren eines Thaer,
Schmerz u. A., nutzbar ins gewerbliche Leben einzuführen. Und doch war dies
die Aufgabe der größeren Landwirthschaft, nachdem die Gesetzgebung den Dienst¬
zwang aufgehoben, und nachdem die Dienstablösungen, wenn gleich langsam, doch
immer weiter, fortgeschritten waren. Diese Aufgabe vermochte sie nicht zu lösen;
arm an Industrie und Kapital, irrte sie lauge bald hier bald dorthin, vernach¬
lässigte die Rindviehzucht, den Wiesen- und Futtcrbau, und hat im Allgemeinen auch
jetzt noch nicht verstanden, sich aller der Fortschritte zu bemächtigen, die von einzel¬
nen tüchtigen Männern gepredigt, aber selten praktisch zur Ausführung gebracht wur¬
de». Wem dies Urtheil hart und ungerecht scheint, den verweisen wir auf die
umfangreiche Literatur, welche das Abschätzuugsweseu größerer Landgüter hervor¬
rief, und auf den Gebrauch, den die schlesische Landschaft im Jahre 1824 und end¬
lich im Jahre 1846 davon zu mache» verstand; auf die geringe Wirksamkeit unsrer
landwirthschaftlichen Vereine, und endlich auf die laue Theilnahme des landwirth-
schaftlichen Publikums in Schlesien an allen den von der Staatsregierung mit
rühmlichem Eifer hervorgerufenen Anstalten zur Hebung landwirthschaftlicher In¬
dustrie, die man endlich als Bedürfniß anzuerkennen genöthigt war, und bei deren
Errichtung der Staat dem ausgedehnten Ackerbau der Provinz Schlesien vollstän¬
dig Rechnung trug"). Auch die sehr rühmlichen Ausnahmen bestätigen unser Ur¬
theil, es sind bis heut noch Ausnahmen.

Wie hätte es unter solchen Umständen im Bauernstande besser aussehen kön¬
nen? Seine landwirthschaftlichen Kenntnisse waren noch ungleich mangelhafter,
als die des größeren Gutsbesitzers, und die Gelegenheit, sie zu erwerben oder
zu bereichern, ihm ungleich mehr erschwert als jenem. Die Lehrmeister sei¬
nes Kuabeualtcrs waren der Ortsgeistliche und der Schulmeister. — Der Geist¬
liche sollte ja nicht von den gleichen materiellen Interessen Erfüllt werden, als der
seiner Seelsorge vertraute Bauer; er sollte nicht etwa ein Landmann von höherer
geistiger und gewerblicher Bildung unter Äaueru, sondern der auf ganz anderm
Standpunkte stehende Theologe gegenüber dem Laien sein. Wie hätten ihm auch
die Geheimnisse der Dogmatik Zeit für die Geheimnisse der Natur übrig ge¬
lassen? er sorgte für den Himmel des Bauern, gegen die irdische Noth des Beicht¬
kindes hatte er mir das alte verkehrte Mittel, die Hinweisung auf eine Ver¬
geltung in jener Welt. Der Schulmeister aber war sein Gehilfe in einer Thätig¬
keit, die auch uicht für diese Welt war. Durch 8 mühselige Kinderjahre wurde



^


*) 'Die Zeitungen erzählten unter andern, daß von den etwa zwanzig Studirenden der vom
Staate im Jahr 1847 errichtete» landwirthschaftlichen Lehranstalt in Proscau wenig mehr als
die Hälfte aus Schlesien, bestehe, während der übrige Theil andern Provinzen, ja selbst dem
Auslande angehöre. ki'avw Jo<i»nul»r!
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[0373] gegründeten Dreifelderwirthschaft, in ein auf freie Arbeit und die Natur der Ver¬ hältnisse gestütztes Wirthschaftssystem vorzubereiten, und die Lehren eines Thaer, Schmerz u. A., nutzbar ins gewerbliche Leben einzuführen. Und doch war dies die Aufgabe der größeren Landwirthschaft, nachdem die Gesetzgebung den Dienst¬ zwang aufgehoben, und nachdem die Dienstablösungen, wenn gleich langsam, doch immer weiter, fortgeschritten waren. Diese Aufgabe vermochte sie nicht zu lösen; arm an Industrie und Kapital, irrte sie lauge bald hier bald dorthin, vernach¬ lässigte die Rindviehzucht, den Wiesen- und Futtcrbau, und hat im Allgemeinen auch jetzt noch nicht verstanden, sich aller der Fortschritte zu bemächtigen, die von einzel¬ nen tüchtigen Männern gepredigt, aber selten praktisch zur Ausführung gebracht wur¬ de». Wem dies Urtheil hart und ungerecht scheint, den verweisen wir auf die umfangreiche Literatur, welche das Abschätzuugsweseu größerer Landgüter hervor¬ rief, und auf den Gebrauch, den die schlesische Landschaft im Jahre 1824 und end¬ lich im Jahre 1846 davon zu mache» verstand; auf die geringe Wirksamkeit unsrer landwirthschaftlichen Vereine, und endlich auf die laue Theilnahme des landwirth- schaftlichen Publikums in Schlesien an allen den von der Staatsregierung mit rühmlichem Eifer hervorgerufenen Anstalten zur Hebung landwirthschaftlicher In¬ dustrie, die man endlich als Bedürfniß anzuerkennen genöthigt war, und bei deren Errichtung der Staat dem ausgedehnten Ackerbau der Provinz Schlesien vollstän¬ dig Rechnung trug"). Auch die sehr rühmlichen Ausnahmen bestätigen unser Ur¬ theil, es sind bis heut noch Ausnahmen. Wie hätte es unter solchen Umständen im Bauernstande besser aussehen kön¬ nen? Seine landwirthschaftlichen Kenntnisse waren noch ungleich mangelhafter, als die des größeren Gutsbesitzers, und die Gelegenheit, sie zu erwerben oder zu bereichern, ihm ungleich mehr erschwert als jenem. Die Lehrmeister sei¬ nes Kuabeualtcrs waren der Ortsgeistliche und der Schulmeister. — Der Geist¬ liche sollte ja nicht von den gleichen materiellen Interessen Erfüllt werden, als der seiner Seelsorge vertraute Bauer; er sollte nicht etwa ein Landmann von höherer geistiger und gewerblicher Bildung unter Äaueru, sondern der auf ganz anderm Standpunkte stehende Theologe gegenüber dem Laien sein. Wie hätten ihm auch die Geheimnisse der Dogmatik Zeit für die Geheimnisse der Natur übrig ge¬ lassen? er sorgte für den Himmel des Bauern, gegen die irdische Noth des Beicht¬ kindes hatte er mir das alte verkehrte Mittel, die Hinweisung auf eine Ver¬ geltung in jener Welt. Der Schulmeister aber war sein Gehilfe in einer Thätig¬ keit, die auch uicht für diese Welt war. Durch 8 mühselige Kinderjahre wurde ^ *) 'Die Zeitungen erzählten unter andern, daß von den etwa zwanzig Studirenden der vom Staate im Jahr 1847 errichtete» landwirthschaftlichen Lehranstalt in Proscau wenig mehr als die Hälfte aus Schlesien, bestehe, während der übrige Theil andern Provinzen, ja selbst dem Auslande angehöre. ki'avw Jo<i»nul»r!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 8, 1849, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341563_279025/373>, abgerufen am 05.02.2025.